Werner Thiede: Sein wie Gott?

Die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft ist keineswegs notwendig mit dem Glauben an eine bewusste Ewigkeit anstatt eines ewigen Schlafes verbunden. Der Mensch hat sich mit einem Horizont umgeben, in dem ihm Gott in Wort und manchmal auch im Bild erscheint. Welche Wirklichkeit dahinter steht, kann offen bleiben.

Christine und Frido Mann: Im Lichte der Quanten (Rezension)

Die Quantenphysik und die Konsequenzen für ein neues Weltbild soll dem geneigten Leser, der geneigten Leserin nahegebracht werden. Am Beginn der Entwicklung steht die bedeutungsfreie Quanteninformation als eine Art Urstoff von Materie, Leben und Bewusstsein; sie stellt die Möglichkeiten verschiedener Seinsformen dar. Der Mensch ist frei und kann gestalten und muss sein Handeln verantworten.

Klaus Wengst: Wie das Christentum entstand (Rezension)

Die Konflikte der Christen mit den jüdischen Gemeinden waren zunächst innerjüdische Konflikte. Nach der Wanderung des Christentums in die nichtjüdische römische Welt folgte der Bruch mit dem Judentum. Wengsts Pointe ist, dass die Kirche nicht das Judentum als Volk Gottes ersetzt hat, sondern dass Judentum und Kirche nebeneinander bleibend Volk Gottes sind.

Alter ist Lebenschance

Alter kann die längste Lebensphase eines Menschen sein. Es sind die Deutungen dieser Lebensphase, die das Leben beschwerlich oder angenehm machen können. Menschen, die jung bleiben wollen, verlängern etwa ihr Leben nicht, sie verkürzen es. Von Heiderose Gärtner-Schultz.

Essay von Frieder Bechberger-Derscheidt
Pandemie als Katalysator für bessere Zeiten?
In unserem reichen Land hat Corona ebenso wie im Gesundheitsbereich die Schwächen des Bildungssystems grell aufzeigt. Mittel für Nachhilfe wurde gefordert, und selbstverständlich sollten alle Kindern einen Zugang zu elektronischen Unterrichtsmedien haben, damit ebenso für alle Fernunterricht erteilt werden könne – und andere der aktuellen Krise geschuldeten Placebos. Wenn dann an einem schönen Tag diese böse Pandemie überwunden sein wird, dürfen wir sicher sein, dass schnellstmöglich wieder zum status quo ante zurückgekehrt werden wird.
Selbstlob stinkt …

In den „Aufforderungen“ aus dem Landtag an die rheinland-pfälzische Landesregierung zur Digitalisierung an den Schulen sind die verwendeten Verben so relativierend, dass ein Nichtstun niemals auffallen würde: vorantreiben, gestalten, weiter verfolgen, nachhaltig unterstützen, anbieten, vertraut machen. Das alles sind Worthülsen, leere Phrasen, weil ohne inhaltlichen und zeitlichen Handlungsrahmen überhaupt nicht evaluierbar. Wir wünschen uns eine verantwortungsbewusste Bildungspolitik in diesem Land, die auch den Mut aufbringt, die Realisierung ihrer Ziele einer objektiven Evaluation zu unterziehen.

Protestantische Parlamentarier nicht mehrheitlich linksorientiert

Für den Protestantismus ist es ein langer Weg zur Akzeptanz von Demokratie und Pluralismus gewesen. Das Klischee, Demokratieskepsis heute eher mit der katholischen Kirche als der evangelischen zu assoziieren, ist über Bord zu werfen. Aktuell sind Mandatsträger mit theologischem Hintergrund in einigen Länderparlamenten auch in der AfD vertreten.

Die Studie „Lehren aus der Pandemie. Gleiche Chancen für alle Kinder und Jugendlichen sichern“ der Friedrich-Ebert-Stiftung

Eine Studie, die keine Anforderungen an die Politik stellt, ist im Grunde überflüssig. Eine Kommission, die sich im Auftrag einer sozialdemokratischen Stiftung in die Bildungsdebatte in Zeiten der Pandemie einmischt, muss entschiedene, im Wortsinne radikale Forderungen aufstellen, statt die politisch Verantwortlichen zurückhaltend (feige) erst gar nicht in die Pflicht nehmen zu wollen. „Chancengleichheit für alle sichern“ kann erst gelingen, wenn das Bildungssystem so reformiert wird, dass Chancengleichheit von allen tatsächlich auch zu erreichen ist – mit freundlichen Empfehlungen (auf die einzugehen sich nicht lohnt), die Pandemiefolgen für die Schwächsten in unserem System abzumildern, wird das nicht gelingen.

Essay von Helmut Falkenstörfer
Aufgeklärte Remythologisierung: Versuch einer Minimaltheologie
Die Vernunft schützt die Religion vor Obskurantismus und die Religion die Vernunft davor, zum Instrument beliebiger Zwecke zu werden. Das Ästhetische leuchtet in Bildern und Geschichten. Es lebt in dem, was wir Mythos nennen und über das wir seit 80 Jahren in Rudolf Bultmanns Programm der Entmythologisierung hinauswollen. Man kann auch zum Mythos zurückkehren, ihn mit aufgeklärtem Blick neu gewinnen. Ihn so nehmen wie wir es bei den griechischen Mythen seit langem tun, sozusagen eine aufgeklärte Remythologisierung betreiben.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt in der Corona-Pandemie: Religion spielt eine ambivalente Rolle.

Wer seine eigene Religion als einzig akzeptable erachtet, vertraut Mitmenschen und öffentlichen Institutionen in der Corona-Zeit weniger als andere, zeigt weniger Solidarität, hält sich weniger an Gesetze und engagiert sich weniger politisch. Die Überzeugung, die eigene Religion sei dann noch im Recht, wenn sie im Widerspruch zur Wissenschaft steht, ist hinderlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Menschen ohne exklusivistisch-abgrenzendes Glaubensverständnis hingegen, die häufiger an Gottesdiensten teilnehmen, vertrauen ihren Mitmenschen stärker als andere, verhalten sich im Alltag solidarischer und engagieren sich stärker sozial.

Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ wünscht Einsatz für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Wahrung der Menschenrechte

Nach intensiver Beratung in mehreren Sitzungen haben 154 ausgeloste Mitglieder des Bürgerrates „Deutschlands Rolle in der Welt“ als Empfehlungen für die Außenpolitik Leitlinien zum Auftreten Deutschlands in der Welt formuliert. Marianne Birthler, die Vorsitzende des Bürgerrats: „Das Wort Verantwortung hat eine wichtige Rolle gespielt. Niemand rief: ‚Germany first.‘“ „Wir sind überzeugt, dass sich das Instrument Bürgerrat auf jeden Fall zum Ausbau und zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie eignet“, fasst Claudine Nierth zusammen, Vorstandssprecherin des Vereins „Mehr Demokratie“, der gemeinsam mit der Initiative „Es geht LOS“ den Prozess initiiert hat.

Jan Assmann: Nationalismen und Religion verschmelzen in autoritären Regimen

Der Religions- und Kulturwissenschaftler Jan Assmann stellt fest, es sei ein Irrglaube, dass die Moderne die Religion hinter sich gelassen habe. Mit der Säkularisierung verschwinde das Heilige nicht aus der Welt. Der Nationalismus sei keine Ersatzreligion, die sich an die Stelle der Religion setze, vielmehr suche er sich mit der Religion zu verbünden, ja zu verschmelzen, wie ein Blick auf Putins Russland, Erdogans Türkei, Modis Indien, Netanyahus Israel, Dudas Polen, Orbans Ungarn, sogar Trumps USA zeige.

Gemeinnützigkeit: Bundesfinanzhof hält an umstrittenem Urteil zu Attac fest

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Januar 2021 die Revision des globalisierungskritischen Netzwerks gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom Februar 2020 zurückgewiesen. Dirk Friedrichs vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis stellt fest: „Mit ihrer juristisch umstrittenen, überaus engen Auslegung der gemeinnützigen Zwecke der politischen Bildung und der Förderung des demokratischen Staatswesens behindern die Richter*innen am BFH die Arbeit von tausenden fürs Gemeinwohl engagierten Vereinen.“

Auftakt für den Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“

Am Abend des 13. Januar 2021 Abend beginnt der zweite bundesweite Bürgerrat mit aus ganz Deutschland ausgelosten Menschen: Auf zehn Online-Veranstaltungen bis zum 20. Februar 2021 werden die 160 Ausgelosten Empfehlungen dazu erarbeiten, wie die Bundesrepublik künftig auf der weltpolitischen Bühne auftreten soll. Die gelosten Teilnehmenden beraten über Detailfragen in den fünf Themenbereiche Nachhaltige Entwicklung, Wirtschaft und Handeln, EU-Außenpolitik, Frieden und Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Fachleute informieren in Online-Vorträgen über verschiedene Perspektiven zu den Einzelthemen und stehen für Fragen zur Verfügung; alle Beratungen werden professionell moderiert und dokumentiert.

Attac zum G20-Prozess: Hamburger Staatsanwaltschaft will politische Justiz etablieren

Attac Deutschland sieht in dem Prozess gegen junge G20-Gegner*innen, der am 3. Dezember 2020 am Landgericht Hamburg beginnt, einen rechtlichen und politischen Skandal. Statt den brutalen Polizeieinsatz gegen die Angeklagten und ihre Mitdemonstrierenden am 7. Juli 2017 politisch und juristisch aufzuarbeiten, solle jungen Menschen der Prozess gemacht werden, denen nicht einmal die Staatsanwaltschaft vorwerfe, selbst Straftaten begangen zu haben. Laut Hamburger Staatsanwaltschaft sollen die Aktivist*innen durch ihre bloße Anwesenheit anderen, angeblich Steine werfenden Demonstrant*innen „psychische Beihilfe“ geleistet haben.