Industrielle und konzerndominierte Ernährungssysteme von Politik und internationalen Abkommen privilegiert, die Hungerzahlen steigen das fünfte Jahr in Folge

Laut aktuellem Welternährungsbericht ist die Zahl chronisch hungernder Menschen im vergangenen Jahr um zehn Millionen angestiegen, bis Ende des Jahres 2020 wird durch COVID 19 ein weiterer Anstieg um 80 bis 130 Millionen befürchtet. Mehr als 20 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren sind in ihrem Wachstum beeinträchtigt. In einer Stellungnahme weist die Menschenrechtsorganisation FIAN darauf hin, dass der enge Fokus auf Produktionssteigerungen weniger Agrargüter, wie bei der industriellen Lebensmittelversorgung und im Zuge der aktuellen Corona-Maßnahmen gefördert, den Hunger nicht mindert.

Kampf um Nutri-Score: Die sieben dreistesten Forderungen der Lebensmittel-Lobby

In Deutschland wird in wenigen Monaten das Nutri-Score-Modell auf freiwilliger Basis der Hersteller eingeführt und soll auf der Verpackungsvorderseite von verarbeiteten Lebensmitteln zu finden sein. Die Lebensmittellobby arbeitet mit Hochdruck daran, die Berechnungsgrundlage des Nutri-Score so zu verändern, dass unausgewogene Produkte gesünder abschneiden – selbst einige Zuckergetränke bekämen dann eine grüne Ampel. Vor allem der Lebensmittelverband Deutschland tue sich mit unwissenschaftlichen Forderungen hervor, kritisiert foodwatch und belegt seine Aussagen mit internen Dokumenten des staatlichen Max-Rubner-Instituts.

Hunger in Afrika: Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) scheitert an selbstgesteckten Zielen

Die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) wollte durch den Einsatz von chemisch-synthetischen Düngemitteln und industriell gezüchtetem Saatgut Erträge und Einkommen für Kleinbauern und -bäuerinnen in Afrika verdoppeln und ist damit gescheitert. AGRA treibt kleinbäuerliche Erzeuger*innen immer weiter in die Armut und zerstört dabei ihre natürlichen Lebensgrundlagen. Die Bäuerinnen und Bauern werden gedrängt, teures Hybridsaatgut von Konzernen zu kaufen, das nur in Kombination mit Düngemitteln funktioniert, die sich die Menschen eigentlich gar nicht leisten können; traditionelle klimaresistente und nährstoffreiche Nahrungsmittel werden verdrängt.

Die wirklichen Kosten von Lebensmitteln

Viele Preise im Supermarkt spiegeln nicht die ökologischen und sozialen Folgekosten wider, etwa ob Lebensmittel durch Kinderarbeit hergestellt, unfaire Löhne gezahlt oder unter welchem Umweltverbrauch die Produkte hergestellt werden. Das Bekanntwerden der Probleme in Schlachthöfen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ist nur ein Ausschnitt, der den dringenden Handlungsbedarf aufzeigt. Wir alle zahlen die Rechnung für eine solche Art des Wirtschaftens; vor allem jedoch Menschen, die unter den Folgen des Klimawandels, wie Dürren oder Überschwemmungen, leiden oder Bäuerinnen und Bauern weltweit, deren Trinkwasser mit Pestiziden belastet ist, und die künftigen Generationen.

Streit um Nutri-Score: Klöckner-Ministerium nahm Einfluss auf wissenschaftliche Studie zur Nährwertkennzeichnung

Das Bundesernährungsministerium ließ eine wissenschaftliche Studie umschreiben, die der Lebensmittelampel Nutri-Score ein gutes Zeugnis ausgestellt hatte, wie ein Vergleich der Original-Studie des staatlichen Max-Rubner-Instituts mit der später vom Ernährungsministerium veröffentlichten Version nahelegt. Ein eigenes Kennzeichnungsmodell, den „Wegweiser Ernährung“, ließ Ministerin Klöckner auf Grundlage des Modells der Lebensmittellobby entwickeln, wie interne Dokumente belegen. Die Verbraucherorganisation foodwatch kritisiert das Vorgehen von Julia Klöckner als politische Instrumentalisierung der wissenschaftlichen Arbeit eines Forschungsinstituts und bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.

Bayer und BASF vertreiben in Südafrika und Brasilien Pestizide, die in der EU nicht genehmigt sind

Recherchen der Rosa-Luxemburg-Stiftung, von MISEREOR und INKOTA anlässlich der Bayer-Hauptversammlung 2020 zeigen, dass Bayer und BASF mit dem Export hochgiftiger Pestizide ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten massiv verletzen. Die Organisationen fordern das Bundeslandwirtschaftsministerium auf, seine rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und den Export von in der EU nicht genehmigten Pestizidwirkstoffen zu verbieten. Laut Pflanzenschutzmittelgesetz hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Möglichkeit, den Export von Wirkstoffen in Drittländer zu verbieten.

EU-Agrarpolitik menschenrechtlich ausrichten!

Kleinbäuerliche Organisationen wehren sich gegen die bisherigen EU-Förderkriterien, die einseitig große Betriebe bevorzugen und soziale und ökologische Kriterien außer Acht lassen. Freihandelsabkommen begünstigen aktuell die Agrarindustrie, die zum Beispiel durch Soja-Importe Fleisch kostengünstiger produzieren kann als kleinbäuerliche Höfe. Durch Landgrabbing für Plantagen werden ländliche Gemeinden in Ländern des globalen Südens oftmals ihrer Existenz beraubt und durch die Abholzung von Wäldern, die Zerstörung von Mooren sowie die Emissionen beim Transport wird die Klimaerhitzung zusätzlich verstärkt; diese führt für viele kleinbäuerliche Betriebe in Europa zu Ernteverlusten und bringt Höfe in Existenznot.

Landwirtschaftsministerium scheitert erneut mit Düngeverordnung vor EU-Kommission

Die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission lehnt die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle zur Düngeverordnung Ende Januar 2020 erneut ab. Umweltverbände hatten bereits im Rahmen einer Stellungnahme Kritik am Referentenentwurf geübt: Die in der geplanten neuen Düngeverordnung enthaltenen Maßnahmen werden nicht ausreichen, um die Gewässer vor übermäßigen Nitrat-Einträgen zu schützen. Die wesentlichen Kritikpunkte der Kommission sind die nur teilweise Berücksichtigung belasteter Nitratmessstellen durch die ausgewiesenen roten Gebiete sowie mangelhafte Regelungen für Düngung auf gefrorenem Boden.

Große Unternehmen der Agrarwirtschaft tun kaum etwas gegen Verletzung von Menschenrechten

Germanwatch und MISEREOR haben die größten deutschen Unternehmen aus Geflügelfleisch-, Milch-, Futtermittel- und Agrarchemiebranche unter die Lupe genommen: Kein einziges der insgesamt 15 Unternehmen erfüllt ausreichend die Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Außerdem gefährden Handelsabkommen der EU in Ländern des globalen Südens mitunter den Zugang von Kleinproduzenten zu Märkten, Saatgut und Land. Germanwatch und MISEREOR warnen angesichts der massiven Probleme in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte und des Regenwaldes in Brasilien und anderen lateinamerikanischen Staaten vor einer Ratifizierung des EU-Abkommens mit den Mercosur-Staaten.

Brot für die Welt ruft zur Großdemonstration zur Internationalen Grünen Woche 2020 in Berlin auf

Deutschland und die EU müssen in der Agrar- und der Agrarhandelspolitik endlich umsteuern. Im Zentrum der Politik darf nicht mehr stehen, mit möglichst niedrigen Preisen und großen Produktmengen die Märkte der Welt zu erobern. Vielmehr muss gerade die Agrarhandelspolitik Antworten auf die globale Krise des ländlichen Raums und der bäuerlichen Betriebe anbieten, anstatt sie weiter zu verschärfen.