Das neue Friedensgutachten ist heraus: Wie wird Russland für Europa zum Feind?

 

Aus dem frisch publizierten und (zu seinem Vorteil) völlig neugestalteten Friedensgutachten 2018 greife ich hier ein hellsichtige Passage heraus. Sie verspricht eine Antwort auf die Frage, die einen historisch versierten Zeitgenossen umzutreiben vermag: Wie gelingt es Europa, Russland für sich zum Feind zu machen – wo Europas Interesse gegenteilig ist? Die übliche Antwort, das liege an Russland und Europa sei das Opfer und könne nicht anders, ist geschichtslos. Die Geschichte lehrt, dass es jeweils ein Wahlakt ist, einen Rivalen zum Feind zu bestimmen.

Im Friedensgutachten wird dazu im folgenden Satz (in Kap. 4) zumindest eine aktuelle Teil-Antwort gegeben:

die […] NATO […] steht mit der Absage Trumps an multilaterale Verpflichtungen im Allgemeinen und an den Artikel 5 des NATO-Vertrages im Besonderen in Frage. Im Augenblick ihrer <durch die Ukraine-Krise> wiedergewonnenen Kohärenz und Handlungsfähigkeit sah sich die NATO aufgrund der kollabierenden hegemonialen Führungsleistung in ihrem Zentrum bedroht. Mittlerweile haben der Kongress und das sicherheitspolitische Establishment der USA dem Präsidenten in den Fragen des Bündnisses und der Beziehungen zu Russland mit Hilfe des Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act (→ H. R. 3364) enge Fesseln angelegt. Dieser sieht eine Verschärfung der Russland-Sanktionen vor. Die vorläufige Abwehr der nationalistischen America-First- Kampfansage an die multilaterale Struktur der NATO gelang mithin um den Preis einer Vertiefung und Versteifung der Konfrontation mit Russland.“

Die „nationalistische America-First-Kampfansage an die multilaterale Struktur der NATO“ ist damit aber natürlich noch nicht abgeschmettert – die nächste Attacke ist zu erwarten. Vermutlich beim nächsten NATO-Gipfel. Nachdem Trump in La Malbaie (Kanada) es in der Gemeinschaft mit den anderen kaum aushielt, zu spät kam und spontan früher abreiste, faktisch das (zivile) Format „G7“ in die Tonne getreten hat, warten die dort düpierten Staatschefs der verbliebenen „G6“, der führenden NATO-Staaten, nun gespannt wenn nicht angespannt auf das Wiedersehen im gleichen Kreis in Brüssel, zum zweitägigen NATO-Gipfel am 11./12. Juli 2018. Dass Trump es da volle zwei Tage mit den anderen aushalten wird, steht nicht zu erwarten. Die offene Frage ist nur, ob der dort zu erwartende Eklat ein solches Ausmaß erreichen wird, dass auch aus der Sicht der anderen die multilaterale Struktur „NATO“ in die Tonne getreten ist.

Die Alternative sind auch da bilaterale Abkommen. Der Startschuss zur Spaltung der NATO ist gefallen: Polens Verteidigungsministerium hat den USA einen Vertrag angeboten: US-Truppen mögen in Polen stationiert werden („boots on the ground“) – gegen Zahlung von 1,5 bis 2 Millionen US-Dollar aus der polnischen Staatskasse, für die Errichtung der gastgebenden Einrichtungen.