Eine Groteske: die Exekutiv-Order des US-Präsidenten vom 12. September 2018

 

Wie die USA ihre Wahlen zu schützen versuchen

Das System für Wahlen in den USA auf föderaler Ebene ist bekanntlich extrem „weich“ und manipulationsanfällig – das haben wissenschaftliche Studien und Berichte der ODIHR (OECD) schon x-mal eindrücklich bestätigt. Hauptgrund ist, dass der Bund sich nicht die Herrschaft über die Durchführung der Wahlen auf Staaten- beziehungsweise County-Ebene zu verschaffen vermag. Nebengrund ist die desaströse Schutz-Situation gerade bei digitalen Wahlakt-Elementen im technologisch abgewirtschafteten US-Wahlsystem. Die Glaubwürdigkeit der Wahlen in den USA ist intern massiv bedroht – das geht bis zu Analysen, die ich für glaubwürdig halte, dass die republikanische Seite (GOP) immer stärker strukturell mehrheitsunfähig wird, im Maße des fortschreitenden demographischen Wandels in den USA. Es gibt für die GOP angesichts dessen nur eine Option, Mehrheiten in Zukunft noch zu gewinnen: Durch Manipulation. Stalin soll ja gesagt haben: „In Wirklichkeit kommt es nicht darauf an, wer wählt, sondern wer die Stimmen auszählt.“

Es mag überraschen, aber es entspricht den Regeln der Seele: Auf selbstverschuldete Probleme, die man nicht zu lösen vermag, wird schließlich mit Angriff nach außen reagiert – Externalisierung der Unfähigkeit zur Verantwortung ist der Mechanismus. Es muss ja schließlich etwas geschehen.

Vor diesem Hintergrund erscheint die „Executiv Order“ des US-Präsidenten vom 12. September sesenswert. In ihr werden Wirtschaftssanktionen angekündigt gegen ausländische Personen, Einheiten und Staaten, die sich in US-Wahlen einmischen oder das öffentliche Vertrauen in diese Wahlen untergraben. Mit Bezug auf den gemeinsamen Bericht der US-Geheimdienste aus dem Jahre 2017 tritt der Präsident nun die Flucht nach vorne an und erklärt:

„In recent years, the proliferation of digital devices and internet-based communications has created significant vulnerabilities and magnified the scope and intensity of the threat of foreign interference, […] I hereby declare a national emergency to deal with this threat.“

Der US Präsident pflegt bekanntlich ein eigenständiges Verhältnis zu Russland – im US-Kongress ist er diesbezüglich nicht über allen Verdacht erhaben. Angesichts dessen hat der Präsident Zweierlei entschieden:

  1. den potentiellen Verdacht von Russland alleine wegzunehmen; es wird nun JEDER externe Staat zu einem potenziellen Wahlbeeinflusser, dem Strafen angedroht werden;
  2. das Auslöseverfahren wird etwas strukturiert, wenn nicht „automatisiert“.

Der Mechanismus sieht so aus: 45 Tage nach einer Wahl hat der Chef der Geheimdienste einen Bericht vorzulegen. Und wiederum 45 Tage darauf hat der Chefankläger zusammen mit dem Heimatschutzminister einen entsprechenden juristisch fundierten Bericht vorzulegen. Die nächsten Wahlen in den USA sind am 6. November 2018. Die beiden (erstmaligen) Berichte sind somit am 21. Dezember 2018 und am 4. Februar 2019 fällig. In der Konsequenz soll es darauf hinauslaufen, einen ‚erwischten’ Staat mit Wirtschaftssanktionen zu belegen – also nicht die festgestellte eigene Verletzlichkeit zu mindern, sondern den zu strafen, der die nutzt.

Entscheidend sind die Kriterien, was als „interference in or undermining public confidence in United States elections“ gilt. Dazu sagt die Executive Order nichts weiter; sie gibt nur zwei Beispiele:

„<a> the unauthorized accessing of election and campaign infrastructure or

<b> the covert distribution of propaganda and disinformation.“

Aber wie gesagt: Es liegt bei den autorisierten Geheimdiensten, diesen zentralen Begriff auszulegen – und das unter einem Präsidenten Trump. Also werden sie ihn vorsichtshalber sehr weit auslegen, insbesondere wenn es um eine interference geht, die gegen die Wahlchancen von Kandidaten gerichtet ist, die dem Trumpschen Lager verbunden sind.

Also ist man gut beraten, selbstkritisch zu fragen: Werden wir, wird die EU ins Zielfernrohr der US-Geheimdienste geraten? Wir erinnern, dass die EU-Kommission, die für Handelspolitik zuständig ist, einen Katalog von Retorsionsmaßnahmen fertiggestellt, öffentlich angekündigt und schließlich am 23. März 2018 in Kraft gesetzt hatte, in Reaktion auf die von US-Seite am 8. März 2018 verfügten Strafzölle auf Stahl und Aluminium – was dann in dem Trump-Juncker-Treffen vom 25. Juni erst einmal auf den Verhandlungstisch verschoben wurde. Informell war das Kriterium für die Auswahl der Güter auf EU-Seite durchgereicht worden, an die Medien in Europa. Man wollte in Brüssel dem Eindruck entgegenwirken, eine willkürliche Liste von lediglich ‚peanuts’ als Reaktion zusammengestellt zu haben. Das darin offenbarte Kriterium war: Es sollte mit den ausgewählten Produkten kein ökonomischer Großschaden erzeugt werden, es sei vielmehr auf Personenkreise beziehungsweise Wirtschaftssubjekte (Farmer) in solchen Regionen geziehlt worden, die zur Trumpschen Wählerschaft rechnen und das zudem in Regionen leben, wo die Mehrheit prekär ist.

Wenn das nicht „interference in United States elections“ war, ….; aber in Europa fehlt dafür jegliches Unrechtsbewusstsein.