Gebäudesanierung und Wirtschaftlichkeit – ein neuer Anlauf in der Poltik

 

Gebäude in Deutschland verbrauchen heutzutage eine erhebliche Menge Energie – das bräuchten sie eigentlich nicht. Ihr immenses Ausmaß an Energiebedarf, in Form von physikalisch anspruchsarmer Niedertemperaturwärme, ist nämlich großteils Ergebnis ‚falscher’ Auslegung in den vergangenen Jahrzehnten. Insbesondere vor 1980 war Energie zu billig – was auch alle wussten. Dessen ungeachtet tat man so, als ob der damalige niedrige Energiepreis über 50 Jahre Lebensdauer eines Gebäudes anhalten würde. Der heutige energetische Sanierungsbedarf des Gebäudebestands in Deutschland wurde über Jahrzehnte hinweg „produziert“. Der technische Fortschritt ist inzwischen dort angekommen, wo er zu erwarten war: Das Null-Energie-Haus, sogar das Plus-Energie-Haus sind heute möglich geworden. Sie sind auch, cum grano salis, „wirtschaftlich“ – wenn man neu baut. Und natürlich nur bei einem geklärten Verständnis von „wirtschaftlich“.

Im Herbst 1973, anlässlich des Jom-Kippur-Krieges (6. bis 26. Oktober 1973), war es soweit: Es kam zu einem massiven Anstieg des Ölpreises – der auch anhielt, also nachhaltig war. In der Folge der Krise von 1973 stiegen überall die Heizkosten fast um den Faktor drei. Die zentrale Erkenntnis danach war: Wir dürfen die energetische Auslegung von Gebäuden nicht dem Trivialkalkül der Architekten und Bauherren überlassen, die nur die Minimierung der Baukosten auf dem Schirm haben. Wir müssen vorschreiben, wie Gebäude energetisch auszulegen sind – zum Nutzen der Nutzer. Aber dabei dürfen die Nutzer auch nicht überfordert werden. Das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) von Juli 1976 wurde erlassen, und zentral darin war das Kriterium, Gebäude energetisch so auszulegen, dass in der Regel die Mehraufwendungen für erhöhte Effizienz durch Energieeinsparung über die Nutzungszeit amortisiert werden. Die Auslegungen wurden in der umfänglichen Energieeinsparungsverordnung (EnEV) festgeschrieben und gelegentlich fortgeschrieben.

Nun, 50 Jahre später, soll diese Phase abgeschlossen werden. Der erwähnte technische Fortschritt und die Klimaherausforderung, die zeigen, dass die Energiepreise allein die Kosten der Nutzung von Energieträgern nicht abbilden, haben einen neuen Blick auf das Gebäude-Energie-Thema provoziert. EnEG und EnEV sollen auslaufen, es soll ein neues Gesetz geben, welches beides integriert, mit dem Namen „Gebäude-Energie-Gesetz“ (GEG). Auch da muss es wieder ein Auslegungskriterium geben. Die Überarbeitung des alten Wirtschaftlichkeitsgebots aus dem EnEG steht an. Dazu hat die Umweltministerkonferenz der Länder (UMK) sich am 9. November zu Wort gemeldet. Mit diesem Votum:

„Die Verfehlung der Klimaschutzziele wird … finanzielle Folgen haben. … die Bundesrepublik <wird> im Rahmen der Zielverteilungsordnung der EU (Effort- Sharing-Regulation) Mehrkosten in Milliardenhöhe tragen müssen, wenn die zugesagten CO2-Emissionsreduktionen nicht erreicht werden. Nach einer ersten Abschätzung können sich … bereits bis 2020 Kosten in dreistelligem Millionenbereich ergeben und von 2021 bis 2030 ist mit Kosten in Höhe von etlichen Mrd. Euro zu rechnen. Wenn jedoch zeitnah ambitionierte und zielkompatible Maßnahmen ergriffen werden, können etwaige Zahlungen vermieden und diese Mittel stattdessen zusätzlich in die energetische Ertüchtigung des heimischen Gebäudebestands investiert … werden.“ (zu TOP 17)

Es ist also angekommen in Berlin, dass die CO2-Emissionen nun, da sie den Bundeshaushalt zu belasten drohen, auch mikroökonomisch einen Preis haben müssen – auch in der Gebäudeauslegung. Die Konsequenzen, die die UMK im Hinblick auf das neu zu formulierende Wirtschaftlichkeitsgebot (im GEG) zu ziehen vorschlägt, sind nach meinem Urteil äußerst klug:

„Mit Blick auf das im Klimaschutzplan 2050 beschlossene Zielniveau eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestandes müssen die Anforderungen auch an die Sanierung so gestaltet und mit der Förderung verzahnt werden, dass die Investitionen am Gebäude diesem Pfad entsprechen.“

Das bedeutet im Klartext: Nicht die Ambition der energetischen Sanierung soll an die privatwirtschaftliche Wirtschaftlichkeit angepasst werden, sondern das Gegenteil soll der Fall sein: Die klimapolitisch motivierte Sanierungs-Ambition soll beibehalten bleiben, und die dadurch erzwungenen Mehrkosten sollen qua Förderung vom Staat übernommen werden. Der kann das problemlos, ohne Mehraufwand, weil er ansonsten dasselbe Geld, oder möglicherweise noch mehr, als Strafzahlung für die Verfehlung der deutschen Klimaziele als Entgelt für den Zukauf von Rechten anderswo ausgeben müsste – also gleichsam nutzlos. Diese kluge, antizipierende Sicht muss im GEG, aber weit darüber hinaus, gesetzlich, insbesondere haushaltsrechtlich, verankert werden. Die UMK dazu:

„Aufgabe der Förderung ist es dabei, Deckungsfehlbeträge für eine wirtschaftliche Darstellung von Sanierungsmaßnahmen, die auf diesem Pfad liegen, auszugleichen. Dies stellt eine gebotene Ausnahme vom haushaltsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz dar, die durch eine gesetzliche Regelung ermöglicht werden kann. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zur Gewährung von Ausnahmen von den Anforderungen im Gebäudeenergierecht sind erreichbare Förderungen mit zu berücksichtigen.“