Offenbarungen anlässlich des Starts der Verhandlungen um die Nutzung des Ukrainischen Gas-Transit-Systems ab Ende 2019

 

Der Sinn der Gasimportleitung Nord Stream 2 (NS2) ist bekanntlich, die Angewiesenheit der russischen Firma Gazprom, welche ein staatlicherseits verliehenes Monopol für den Gasexport hat, auf die Nutzung des uralten, aus sowjetischen Zeiten stammenden Ukrainischen Gas-Transit-Systems zu verringern – diese aus Sowjetzeiten überkommene Situation ermöglichte der ukrainischen Seite bislang, Gebühren zu realisieren, die deutlich über ihren Kosten lagen. Sie vermochte Monopolrenten einzufahren. Der diesbezügliche Vertrag läuft Ende 2019 aus.

Soll es danach nicht zu einer massiven Versorgungs-Krise in Europa kommen, muss Nord Stream 2 möglichst fertiggestellt sein und bezüglich der Bedingungen zur Nutzung des Ukrainischen Gas-Transit-Systems in Zukunft Klarheit herrschen. Der vielseitige Widerstand gegen Nord Stream 2, insbesondere aus Brüssel, wird regelmäßig auch damit begründet, dass man der Ukraine, der seit 2014 nicht mehr Russland sondern die EU mit zweistelligen Milliardenkrediten unter die Arme greift, die Einnahmen aus der Durchleitung beziehungsweise Nutzung des Ukrainischen Gas-Transit-Systems in gegenwärtiger Höhe von zwei bis drei Milliarden Euro für die Zukunft erhalten möchte. Die programmatisch auf Wettbewerb setzende EU-Kommission ist in diesem Fall gewillt, gegen ihre Grundsätze, um die Weiterexistenz von Monopolrenten kämpfen.

Am Dienstag, den 17. Juli 2018, haben die Verhandlungen um diese Bedingungen begonnen – bei einem trilateralen Treffen in Berlin. In Berlin, weil offenbar Deutschland eine Mediatoren-Rolle gespielt hatte. Man war mit einem Beschluss zur Verfahrensweise erfolgreich, wie der zuständige EU-Kommissar Maroš Šefčovič verlautbarte.

Das zentrale Hindernis für die Einhaltung dieses Zeitplans liegt nun in der Ukraine. Es geht um die Konstitution des Subjekts, der „Entität“, welches das Ukrainische Gas-Transit-System besitzen und also einerseits für die Renovierung des maroden Systems und andererseits für die Einnahmen aus der Weiternutzung ab 2020, die Entgelte, zuständig sein wird. Gegenwärtig ist das Naftogaz, das alle Stufen des Gasgeschäfts abdeckende Unternehmen alten Stils, eine Kapitalgesellschaft zu 100 Prozent im Staatsbesitz, also der Regierung des Oligarchen Petroschenko. Der ukrainische Staat hatte von drei internationalen Entwicklungsbanken, Weltbank, IFC und EBRD, einen Kredit in Höhe von einer Milliarde US-Dollar erhalten, unter der Bedingung, einen Monat nach Vorliegen des Urteils des Stockholmer Schiedsgerichts im Streit mit Gazprom eine Entflechtung vorgenommen zu haben und somit eine unabhängige Entität geschaffen zu haben, welche Eigentümer des Ukrainischen Gas-Transit-Systems ist. Der technische Name für eine solche unabhägige Gesellschaft, welche dann eine Bestätigung der EU bedarf, ist TSO. Nur mit der kann man verhandeln, nur die kann Pläne machen, nur die kann das Geld per Januar 2020 in Empfang nehmen. Ihre Existenz ist die Bedingung für Verhandlungen mit Gazprom, denn das nutzungswillige russische Monopol-Unternehmen braucht einen Vertragspartner.

Der existiert nicht – gut vier Monate nach Vorliegen der Stockholmer Entscheidung am 28. Februar 2018. Auch ist nicht absehbar, dass es in absehbarere Zeit in die Existenz kommen wird. Naftogaz und die ukrainische Regierung beschuldigen sich gegenseitig, der andere blockiere. Das mag für einen Korruptionssumpf-verseuchten Gassektor in einem ebensolchen Staat glauben wer will – im nächsten Jahr wird in der Ukraine gewählt. An diesen Strukturen hatte sich schon Russland, solange es die Patronats-Herrschaft innehatte, die Zähne ausgebissen. Nun liegt der Ball (und die Notwendigkeit scharfer Zähne) im Feld der EU.

Bekannt beziehungsweise zitiert wurde jetzt, dass der Chef der EU-Delegation in der Ukraine, Hugues Mingarelli, beim Ukrainian Gas Forum in Kiew am 11. Oktober 2017 Klartext gesprochen habe:

Ukraine’s prospects of maintaining its role as a transit country for Russian gas hinges on its ability to unbundle the TSO from Naftogaz – and not on fighting competition from planned alternative pipeline routes, such as Nord Stream 2, which would create alternative transit routes for Gazprom.

Das heißt die EU hat die Ukraine aufgefordert, sie solle auf ihren Monopolrentenanspruch aus der Durchleitung von russischem Gas verzichten und sich dem Wettbewerb für transnationale Gastransportleistungen stellen. Ob diese klare Botschaft in Wahlkampfzeiten gehört werden wird, ist zweifelhaft. Sie wird ja selbst in Westeuropas Öffentlichkeit nicht gehört.