Die Nationale Sicherheitsstrategie 2025 der USA: Europa hat sich zu entscheiden

Die Trump-Administration hat am 5. Dezember 2025 dem US-Congress eine nationale Sicherheitsstrategie („National Security Strategy“, NSS) vorgelegt. Sie passt mit vielem zusammen, was diese Regierung bereits gemacht oder drohend angedeutet hat; sie ist eine klärende Rahmung für all das, was bislang erratisch erscheinen mag. Europa hat sich dazu zu stellen, hat sich für eine Position dazu zu entscheiden. (Lesetipp Dezember 2025)

1.      Das Dokument

Eine US-Regierung ist verpflichtet, einmal in ihrer Amtszeit dem US-Congress eine nationale Sicherheitsstrategie („National Security Strategy“, NSS) vorzulegen. Die Trump-Administration hat das am 5. Dezember 2025 getan. Die NSS 2025 hat eine hohe aktuelle Aufmerksamkeit erhalten, sowohl in Kreisen sicherheitspolitischer Experten als auch in den Medien – die Ausnahme ist (bis 10.12., 15h) der zentrale außenpolitische Think Tank (Stiftung Wissenschaft und Politik ‑ SWP) in Berlin, der direkt aus dem Bundeskanzleramt finanziert wird. Die Kommentierung ist eben eine „heiße Kartoffel“. Das gilt in ganz besonderer Weise für aktuell in Verantwortung stehende Amtsträger.

Man mag denken, Trump sei ohnehin erratisch, was soll es lohnen, einen Text aus dieser Administration zu lesen, auch wenn er einen strategischen Anspruch erhebt? So wie uns diese Administration medial überwiegend dargestellt wird, ist diese Mannschaft zu strategischem Denken gar nicht in der Lage, weil Trump sich eh die Letzt-Entscheidungen vorbehält, und schon oft genug hat er die verantwortlichen Ressortminister düpiert. Doch trotz all dessen gilt diesmal: Die NSS 2025 ist lesenswert.

Der Grund ist: Sie passt mit vielem, was diese Regierung bereits gemacht oder drohend angedeutet hat, zusammen; sie ist tatsächlich eine klärende Rahmung für all das, was bislang erratisch erscheinen mag. Der zweite Grund: Europa hat sich dazu zu stellen, hat sich für eine Position dazu zu entscheiden. In diesem anstehenden Vorgang werden die aktuellen Amtsträger nicht in die Führung gehen, sie werden vielmehr so tun, als sei keine Bombe ins transatlantische Verhältnis eingeschlagen. Sie sind zu stark bereits festgelegt im heimischen Publikum, und auch zu stark im Fokus des „Gegners“ jenseits des Atlantiks.

Zur Urteilsbildung gehört auch, vor Augen zu haben, dass die öffentliche Verkündung der sicherheitspolitischen Neuaufstellung lediglich einen ersten Akt in einer Folge darstellt. Das Folgedokument, welches noch im Prozess der Erarbeitung ist, ist die National Defense Strategy (NDS) der USA. Die wird kommen, und die wird militärisch viel deutlicher und beziffert sein. Wenn es gelingt, das Feuer, welches die Publikation der NSS ausgelöst hat, seitens der Offiziellen auszutreten, so wird die verbleibende Glut doch mit der Publikation der NDS alsbald wieder angefacht werden.

2.      Einordnende Reaktionen

Es gibt bereits eine Fülle von Reaktionen. Ausschließen aus der Empfehlung möchte ich all die, die sich auf die Karikatur und Beschimpfung Europas kaprizieren. Ich empfehle stattdessen zur Lektüre hier mit Begründung drei:

  1. Die NSS proklamiert als ausschließliche Einflusszone für die USA die „Western Hemisphere“ – und bezeichnet diese Proklamation mit dem historisierenden Titel „The Trump Corollary to the Monroe Doctrine“. Wer sehen will, was mit dieser Doktrin ursprünglich, von Präsident T. Roosevelt, einmal gemeint war, wird hier und hier fündig.
  2. Eine angemessene Lektüre ist m.E. eine aus genuin geo-strategischem und vor allem geo-ökonomischem Blickwinkel. Das findet man selten, weil man sich dafür weit von den Vorurteilen entfernen muss, die durch das verbreitete moral-getriebene Denken tief in das nationale kollektive Bewusstsein eingeprägt sind. Ein Ausnahme stellt die Einordnung unter dem Titel „Washingtons Wurmfortsatz“ dar. These ist: „Um den geopolitischen Abstieg zu verhindern, brauchen Europas Nationalstaaten militärische Stärke jenseits der NATO – und den Ausgleich mit Russland.“ Der Aufsatz ist denn auch bezeichnenderweise von einem deutschen Autor, der außerhalb lebt: Von Marcus Schneider, der in Beirut ein Friedensprojekt für die Friedrich-Ebert-Stiftung leitet.
  3. Ich habe ebenfalls eine Analyse, eine Leseweise des komplexen Dokuments, beigesteuert. Erhellend daraus ist vielleicht, dass der Leitausdruck „Western Hemisphere“, der im Dokument nicht definiert wird und von dem man des historisierenden Titels geneigt ist anzunehmen, er sei auf Amerika beschränkt, auffälligerweise auch leitend ist in einer Neuordnung der strategischen Kommandos der US-Army. Da wurden das Süd- und das Nord-Kommando zusammengefasst unter dem Titel „U.S. Army Western Hemisphere Command“. Das Nord-Kommando umfasste Grönland, welches Teil der EU ist. Damit haben die USA erstmals explizit einen militärisch gefärbten Anspruch auf EU-Territorium erhoben.

Hans-Jochen Luhmann, Mitglied der Studiengruppe „Frieden und Europäische Sicherheit“ der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).