Der gemeinsame Vorschlag zum Ukraine-Konflikt von China und Brasilien

 

Am 23. Mai 2024 haben China und Brasilien einen Text vorgelegt, der eine realistische Alternative darstellt zu dem, was bei der Internationalen Hochrangigen Konferenz zum Frieden in der Ukraine am 15. und 16. Juni 2024 in der Schweiz ausgearbeitet wurde. Die Bedeutung dieser Initiative wird deutlich, wenn man sich klar macht, dass Verhandlungen zwischen Konfliktpartnern, um erfolgreich zu sein, immer eines Dritten, eines Mediators, bedürfen.

China und Brasilien haben am 23. Mai 2024 einen Text zu ihren Vorstellungen vorgelegt, wie der Konflikt um die Ukraine politisch eingehegt werden kann. Stichwort ist nicht „Frieden“ sondern „Political Settlement“. Inhaltlich werden sechs Punkte vorgelegt. Grundideen sind die der Deeskalation und einer Verhandlungslösung. Die beiden Autoren-Staaten rufen die Staaten der Weltgemeinschaft auf, sich diesen sechs Punkten anzuschließen. Damit liegt ein Text auf dem Tisch, der relativ zu dem, was am 15. und 16. Juni 2024 in der Schweiz unter dem offenkundig überzeichnenden Stichwort „Frieden“ ausgearbeitet wurde, eine realistische Alternative darstellt, weil auf die Kernpunkte gezielt wird.

Die Bedeutung dieser Initiative wird deutlich, wenn man sich klar macht, dass Verhandlungen zwischen Konfliktpartnern, um erfolgreich zu sein, immer eines Dritten, eines Mediators, bedürfen. Gesteht man zu beziehungsweise sich ein, dass der Krieg in der Ukraine eigentlich der blutige Austrag eines Konflikts zwischen Russland und den USA ist, dass, was die USA angeht, sie einen Stellvertreter-Krieg führen mit dem Ziel der militärisch-strategischen Schwächung Russlands, dann ist klar, dass in einer solchen Konstellation Mediator nur die dritte Weltmacht, das ist China, sein kann. Europa als Allianzpartner der USA kann es nicht sein.

Medial hat dieser Vorschlag in Deutschland trotz seiner objektiven Bedeutung wenig Aufmerksamkeit gefunden. Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) hat versucht das auszugleichen, indem es einen Antrag im Deutschen Bundestag vorgelegt hat. Inhalt ist im Wesentlichen die Wiedergabe des Inhalts des chinesisch-brasilianischen Vorschlags. Am Ende wird die Bundesregierung aufgefordert, die Initiative zu unterstützen sowie einen eigenen Sonderbeauftragten für die Beilegung des Ukraine-Konflikts zu benennen.

Abgerundet ist das durch die am selben Tag (6. Juni 2024) vorgelegte Antwort der Bundesregierung auf einen Kleine Anfrage der BSW. Darin wurde ein Bericht zu den bisherigen „diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung zur Beendigung des Ukraine-Kriegs“ erbeten.

Die Auskunft, die die Bundesregierung gibt, ist lesenswert und erhellend. Entscheidend ist dieser Positionsbezug der Bundesregierung:

Aus Sicht der Bundesregierung ist es allein an der Regierung der Ukraine, über Stattfinden, Zeitpunkt, Format und Inhalt möglicher Verhandlungen mit der Russischen Föderation über eine friedliche Lösung zur Beendigung des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges zu entscheiden.“.

Damit hat die Bundesregierung Zweierlei entschieden:

  • eine allein rechtliche Positionierung zum Krieg einzunehmen, also auf eine realistische Einordung als eines politischen Konflikts zu verzichten. Sie nimmt sich und die gesamte unterstützende Allianz aus dem Spiel;
  • als Ziel einer Initiative eine „friedliche Lösung zur Beendigung des … Angriffskrieges“ auszugeben.

Letzteres ist sprachlich ein Wolkenkuckucksheim. Die „Beendigung des Krieges“ und die „Lösung des Konflikts“, mit der Perspektive, dass Frieden in den Beziehungen einziehen möge, sind zwei deutlich unterschiedliche Ziele.

Man lernt: Die Bundesregierung scheut begriffliche Präzision und eine politische Perspektive auf den Krieg, weil sie aktuell nichts Konkretes will.

Dr. Hans-Jochen Luhmann ist Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.