foodwatch stellt Strategie für Pestizid-Ausstieg bis 2035 vor: EU-weite Pestizidsteuer als erster Schritt
Die EU-Landwirtschaft hängt am Tropf der Pestizid-Industrie: Landwirt*innen sind im heutigen Agrarsystem wirtschaftlich abhängig von Pestiziden, um immer höhere Erträge zu erzielen. Neben einer EU-weiten Pestizidsteuer fordert foodwatch eine Reform der Zulassungspraxis für Pestizide und eine Umverteilung der EU-Agrarsubventionen: Zum Beispiel müsste die Auszahlung von EU-Agrarsubventionen daran geknüpft sein, dass Betriebe auf Pestizide verzichten. Es gebe keine technischen Hindernisse, sondern nur politische Ignoranz, so der Autor des foodwatch-Reports.
(Brüssel/Amsterdam/Berlin/Paris/Wien, 30. Juni 2022) foodwatch hat eine konkrete Strategie für eine pestizidfreie EU-Landwirtschaft bis 2035 vorgelegt. Der erste Schritt dazu wäre die Einführung einer EU-weiten Pestizidsteuer, erklärte die internationale Verbraucherorganisation. Der Einsatz von Pestiziden sei in der EU heute deutlich höher als in den 1990er Jahren – mit fatalen Folgen für Artenvielfalt, Klimaschutz, Bodenqualität und Gesundheit.
„Die EU-Landwirtschaft hängt am Tropf der Pestizid-Industrie. Landwirt:innen sind im heutigen Agrarsystem wirtschaftlich abhängig von Pestiziden, um immer höhere Erträge zu erzielen – doch die enormen Schäden und Kosten, die mit dem Pestizid-Einsatz verbunden sind, müssen wir alle bezahlen. So lässt sich kein widerstandsfähiges und nachhaltiges EU-Ernährungssystem aufbauen. Eine pestizidfreie EU-Landwirtschaft bis 2035 wäre möglich und absolut realistisch – wenn die notwendigen politischen Entscheidungen getroffen würden. Der Einsatz von Pestiziden muss durch eine Steuer deutlich teurer werden, ein Verzicht auf Pestizide muss honoriert werden“, sagte Matthias Wolfschmidt, Strategiedirektor von foodwatch International, bei der Vorstellung des neuen foodwatch-Reports „Locked-in Pesticides“.
Neben einer EU-weiten Pestizidsteuer forderte foodwatch eine Reform der Zulassungspraxis für Pestizide und eine Umverteilung der EU-Agrarsubventionen. Pestizidanwendungen müssten auf ihre absolute Notwendigkeit hin überprüft werden. Pestizide dürften nur noch als letztes Mittel in Notfällen eingesetzt werden. Landwirt:innen müssten zudem in die Lage versetzt werden, aus dem Teufelskreis immer höherer Erträge zu immer niedrigeren Preisen auszusteigen. Denn im Moment ist eine Produktion ohne Pestizide für sie wirtschaftlich kaum möglich. Deshalb müsste zum Beispiel die Auszahlung von EU-Agrarsubventionen daran geknüpft sein, dass Betriebe auf Pestizide verzichten.
Lars Neumeister, unabhängiger Experte für Pestizide und Autor des foodwatch-Reports, sagte: „Wir befinden uns in einer Klimakrise und einer Krise der biologischen Vielfalt. Wenn wir die Abhängigkeit Europas von Pestiziden bekämpfen, können wir gleichzeitig mehrere landwirtschaftliche Probleme lösen. Es gibt keine technischen Hindernisse, sondern nur politische Ignoranz.“
Die EU-Kommission hatte in ihrer im Mai 2020 vorgestellten „Farm-to-Fork“-Strategie zwar erstmals Ziele für die Pestizidreduktion formuliert – die im kürzlich vorgelegten Entwurf der Verordnung zur „Nachhaltigen Verwendung von Pestiziden“ vorgeschlagenen Maßnahmen seien jedoch nicht geeignet, die EU-Landwirte aus der Pestizidfalle zu befreien, kritisierte foodwatch. Lediglich Zielvorgaben zu machen, reiche nicht aus. Das gesamte EU-Agrarsystem sei heute massiv abhängig von Pestiziden, Mineraldünger und fossiler Energie und sei einseitig darauf ausgerichtet, möglichst viel und billig Fleisch und Milchprodukte zu erzeugen. Ein solches Agrarsystem sei nicht zukunftsfähig, so foodwatch.
Matthias Wolfschmidt ist Strategiedirektor von foodwatch International.
Der foodwatch-Report „Locked-in Pesticides“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.
Eine Kurzfassung des foodwatch-Reports „Locked-in Pesticides“ in deutscher Sprache steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.