HANS-JOCHEN LUHMANNS KOLUMNE

Energie





Davon-Schleichen aus der Energiecharta

Am 20. Dezember 2023 wird der Austritt Deutschlands aus dem Energiecharta-Vertrag rechtskräftig. Für Investitionsschutzverfahren allerdings gilt eine 20 jährige sogenannte „sunset“-Klausel: Solange hat Deutschland noch mit unliebsamen Klage-Überraschungen zu rechnen. Deutschland hat in der Vergangenheit zwei der 150 Schiedsverfahren „abbekommen“; beide Male haben die Verfahren nicht nur viel Geld gekostet, sie haben auch beide Male erwiesen, wie wenig die Staatsorgane in Deutschland sich darauf eingerichtet haben, dass der Beitritt zum Energiecharta-Vertrag auch institutionelle Folgen hätte haben müssen, um mit drohenden Verfahren angemessen umgehen zu können. (Dezember 2023)

Technologieoffenheit hat Grenzen – Kommentar zu einer ökonomistisch-populistischen Debatte des „Heizungsgesetzes“

Die energiepolitischen Debatten in Deutschland werden geführt, als ob dieses Land wirtschaftspolitisch weiterhin ein souveräner Nationalstaat sei. Der Grund ist die mediale Verfasstheit der Öffentlichkeit als einer nationalen Öffentlichkeit, die eigentlichen Akteure, Politik und Umwelt-NGO spielen dieses Spiel der Ausblendung wider besseres Wissen mit. (Oktober 2023)

Erdgas gibt nicht auf: Der Konflikt um die Heizungsanlagen-Verordnung 2023

Um den Text der Gebäudeenergiegesetz-Novelle wird in bizarrer Weise öffentlich debattiert. Die erste regierungsinterne Vorlage eines frühen Referentenentwurfs wurde an Zeitungen des Springer-Verlags gegeben, die daraufhin das Narrativ eines Grundsatzkonflikts in die Welt setzten. (Mai 2023)

Mit dem nächsten Winter ist die Gasmengenkrise mitnichten vorbei. Ein Vorblick auf den Winter 2023/24

Mike Fulwood vom Oxford Institute for Energy Studies hat im September 2022 ein Paper veröffentlicht, in dem er sich analytisch mit der drohenden Gasmangel-Lage befasst. (Oktober 2022)



Die Debatte um die Gasumlage: politisch desorientiert, rechtsstaatlich fragwürdig

Ich sehe in der Debatte um die Gasumlage Anzeichen, dass in unserer Öffentlichkeit das Rechtsstaats-Prinzip nicht wirklich ernst genommen wird. Dafür spricht auch die Art und Weise, wie Minister Habeck der Pression der öffentlichen Debatte gegenüber schließlich nachgegeben hat. Der Verweis auf eine erforderliche “gerichtsfeste” Lösung zitiert das Rechtsstaatsprinzip immerhin, aber gleichsam nur noch in seiner taktischen Abmeierung, dass man später vor Gericht nicht verlieren will. (September 2022)



Der ungewöhnliche Gaspreisanstieg in Europa im Jahr 2021 – Geschehnisse und Konsequenzen Teil 1

Bisher wurde das Sicherheitsniveau der Gasbevorratung durch die Gashändler und ihre Spekulation implizit festgelegt. Nun wird es eine Vorgabe des Mindestfüllniveaus durch staatliche Institutionen Regulierer geben. Kompliziert wird es, wenn die Händler sich nicht unabhängig verhalten, wenn sie vielmehr Marktchancen darin erkennen, dass sie sich gegen den Regulierer verhalten und daraus Gewinne realisieren können. (April 2022)

Nochmals: Das Texas-Strom-Desaster – seine “Mechanik” beim Spiel am Abgrund

Der Kapitalismus hat den Texanern bei den Störungen in der Energieversorgung im Februar 2021 seine Fratze gezeigt: Wegen völlig dysfunktionalen Geizes, als “Effizienz” verbrämt, haben Kapitalgesellschaften, denen man ein natürliches Monopol zur Bewirtschaftung in einer Art Wettbewerb eingeräumt hatte, massive Werte real zerstört – ohne dafür haften zu müssen. Zugleich haben diese Gesellschaften es geschafft, dass Tausende von Texanern in die Finanzknechtschaft gehen, weil sie unvorsichtig Verträge geschlossen hatten, welche den Finanzhaien nun, vermutlich zu ihrer eigenen Überraschung, ein leistungsloses Einkommen von 50 Milliarden US-Dollar in die Bücher spült. (Oktober 2021)

Das Texas-Strom-Desaster, 2. Teil: die Rolle von Erdgas im Stromsystem

Der Anlass für den schweren Stromausfall in Texas im Februar 2021, die völlig neuartige drastisch-winterliche Situation in dem Südstaat, war ein klimawandelbedingtes Extremereignis. Die Situation war in ihrem Ausmaß erstmalig und dennoch präzise vorhersagbar – sogar sehr präzise terminlich vorhersagbar, auch in ihrer Dauer. Leugnet man die Existenz des menschgemachten Klimawandels, muss es auch beim nächsten Mal zwangsläufig schief gehen. In diesem zweiten Teil der Analyse erfolgt ein Blick auf die Situation in Deutschland, den dort anstehenden Umbau des Stromsystems (“Energiewende”). (April 2021)

Das Versagen des Gas- und Stromsystems in Texas im Februar 2021 – Ein Lehrstück für die Kosten der Leugnung des Klimawandels

In Texas gibt es eine herrschende Klasse: weiß, konservativ, aus fossilen Energien finanziert, deren Mitglieder den menschgemachten Klimawandel für eine bösartige Erfindung linker Kreise halten, um das wirtschaftsliberale Modell in den USA zu torpedieren. Ab dem 15. Februar 2021 war es aufgrund von Klimaveränderungen in Texas zeitweise kälter als in der Arktis; die Energienachfrage, auf die man sich seitens des Stromversorger-Verbunds in Notfallplänen eingerichtet hatte, wurde überschritten, sodass man zur Maßnahme einer “rollierenden Abschaltung” griff. “Nur” gut 50 Todesopfer waren die Folge, der Schaden bei Stromkunden geht in einen zweistelligen Milliarden-Betrag. (März 2021)

Fehlende Photovoltaik-Anlagen auf Dach- und Parkplatz-Flächen von Einkaufsmärkten

Warum werden bestens gelegene Dachflächen von Einkaufszentren nicht zur Ernte von Solarenergie und zur Selbstversorgung genutzt? Eine Antwort ergab eine Anhörung von Sachverständigen im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages Ende 2020: Die ökonomischen Hemmnisse gegen eine entsprechende Bestückung von Einkaufsmärkten und ihrer Groß-Parkplätze würden zu einem Gutteil beseitigt, wenn die Anlagen ohne Ausschreibung gebaut werden dürften und wenn das Entgelt aus der EEG-Umlage nicht länger als Umlage auf den Stromverbrauch finanziert würde. (Januar 2021)

Aus Anlass des EEG 2021: Entwicklungen in Deutschlands Stromsystem nach Fukushima

EEG steht offiziell für “Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien” und gibt den stetigen Aufwuchs von Anlagen vor, die Strom aus Sonne, Wind und Biomasse erzeugen; Kohle und Erdgas schauen in den wirtschaftlichen Abgrund, der für sie bereitet ist. Allen Beteiligten ist klar, dass auch das Strommarktmodell fit gemacht werden muss für die unaufhaltsame Expansion von Anlagen, die Sonne und Wind ernten, damit bei Annäherung an den vollständigen Aufwuchs-Erfolg uns das Stromsystem nicht um die Ohren fliegt. Das ist die eine Konfliktlinie bei der EEG-Novelle 2021, zwischen Bundesregierung und den Ländern, die zweite zentrale Konfliktlinie betrifft die Quantität des “Ausbaus”, auf die man sich mit dem EEG 2021 verpflichtet. (Dezember 2020)

Der Kohleausstieg, das Stromsystem und das Symbol “Nachfolge-Kraftwerk in Jänschwalde”

Mit einer Entschließung vom 3. Juli 2020 sagt der Deutsche Bundestag erstmals: Gas ist nicht gleich Erdgas. Angesichts der Herausforderung, bis zum Jahr 2050 hundertprozentig klimaneutral zu sein, was auch für den Endenergieträger Gas gilt, sollen Gasinfrastrukturen und gasnutzende Anlagen heute so eingerichtet werden, dass ihre spätere Nutzung für andere Gasqualitäten, zuvörderst Wasserstoff, ohne großen Zusatzaufwand möglich wird. Die Politik baut vor gegen “stranded investments” der (Erd-)Gas-Wirtschaft beziehungsweise das darin liegende Erpressungspotential der Erdgaswirtschaft gegenüber der Politik.

Endkampf um Nord Stream 2: Überraschungsangriff der USA landet Volltreffer

Am 15. Juli 2020 startete US-Außenminister Pompeo einen Angriff, den die Europäer erst für den Herbst des Jahres erwartet hatten: Quasi über Nacht und ohne Vorwarnung wurde eine Bestimmung gekippt, sodass alle Geschäftsaktivitäten nach dem 15. Juli 2020 in Zusammenhang mit Nord Stream 2 und dem zweiten Strang von TurkStream nunmehr sanktioniert werden können. Wenige Stunden nach der Ankündigung Pompeos veröffentlichte ie für Sanktionen zuständige Behörde in den USA entsprechende Richtlinien; die Bundesregierung ist von diesem Überraschungsangriff überrumpelt.

Die Europäische Investment Bank wird zur “Klima-Bank” – in der EU geht das Ölzeitalter zu Ende

Die European Investment Bank (EIB) hat mit mehr als 60 Milliarden Euro pro Jahr ein größeres Finanzierungsvolumen als die Weltbank. Sie verfügt über eine Energy Lending Policy, die der Aufsichtsrat in der Konsequenz des Abkommens von Paris und im Rahmen des klimapolitischen Neuaufbruchs der von-der-Leyen-Kommission geänder hat. Das Mandat der neugefassten Energy Lending Policy der EIB läuft auf ein Endenergieträger-Dual hinaus: Strom und Gas – Das Ölzeitalter geht in der EU zu Ende. (Dezember 2019)



Sauberes” Gas und seine Quellen in Europa

Im Jahre 2050 soll mindestens die Energieversorgung in der EU “klimaneutral” geworden sein. Das dann produzierte und in Leitungssystemen verteilte Gas muss dann vollständig entweder aus anderen als fossilen Quellen stammen beziehungsweise, sofern doch, dann vollständig decarbonisiert sein. Die Zukunft des Endenergieträgers “Gas” liegt also im Wandel seiner Herkunft; das steht in den nächsten zwei Jahren zur Entscheidung an. (Juli 2019



Kohle- und Kernkraftnutzung in den USA

Klimapolitik wird in den USA nur noch auf Ebene von Bundesstaaten gemacht, die Bundesebene fällt klimapolitisch aus: Sie versucht vielmehr, ihr Narrativ durchzuzuiehen, dass die “Sicherheit der Stromversorgung” gefährdet sei, ohne Brennstoffe bei thermischen Kraftwerken sei keine Sicherheit zu erreichen, und die wetterabhängigen Erneuerbaren seien bedrohlich. Die Rechten bedienen das Sicherheitsmotiv; im Nebeneffekt ist das lediglich pro Kohle und anti-klimapolitisch. (Juni 2019)

Die inhärente Sicherheit in Block 1 in Fukushima wurde nie getestet und im Ernstfall “vorsichtshalber” abgeschaltet

In den vielen verfügbaren Post-Fukushima-Analysen gibt es einige Lücken. Sinn und Zweck solcher Analysen ist, Lehren-ziehen zu können, sodass man aus schlechten Erfahrugen (anderswo) klüger wird. Hier scheint allerdings ein noch ungehobener Schatz zu liegen. (März 2019)

Die Zukunft des Gases im klimaneutralen Europa

Für die Gaswirtschaft spricht ihr europäischer Verband Eurogas. Der hat bei dem EU-weit führenden Think Tank in der Nutzung des EU-Energiemodells PRIMES eine Untersuchung in Auftrag gegeben: Wieviel Renewabilisierung der Quellen von Gas ist europaweit bis wann möglich? Das Ergebnis sagt faktisch, 100 Prozent klimaneutrales Gas in Europas Konsum seien problemlos möglich; somit macht die Gaswirtschaft eine äußerst erfreuliche Ansage – bedauerlich, dass sie es bislang nicht explizit so formuliert. (Februar 2019)

Das WTO-Urteil zum Dritten Gas-Liberalisierungspaket der EU

Die World Trade Organisation (WTO) hat die Nutzungseinschränkung der von Gazprom gebauten OPAL-Pipeline von Greifswald nach Tschechien für unrechtmäßig erklärt. Angela Merkel hat angedeutet, die Bundesregierung werde eine im Bau befindliche Parallel-Leitung mit deutlich höherer Kapazität erneut mit einer Nutzungseinschränkung belegen. Man werde “mit voller Kraft für die Ukraine als Gastransporteur eintreten” und steuernd eingreifen, “wenn es darum geht, wieviel Gas überhaupt ankommt”. (Januar 2019)

„Heizen ist der Ausgleich von Baumängeln“

Gegenwärtig beanspruchen die Gebäude in Deutschland etwa 40 Prozent des nationalen Energiebedarfs. Dessen Deckung mit Hilfe von zugeführten kommerziellen Energieträgern ist ein Riesengeschäft und entspricht Kosten für Endverbraucher in Höhe von rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. Im Fortschreiten der Energiewende geht es also um viel Geld. (März 2017)

Die Sicherheit der europäischen Gasversorgung

Das aktuelle russisch-ukrainische Verhältnis ist mit “zerrüttet” noch übertrieben warmherzig bezeichnet. Und der Vertrag zur “Durchleitung” russischen Erdgases via Ukraine nach Europa läuft Ende 2019 aus, also in gut drei Jahren. Wann es zu einem neuen Vertrag kommen kann, steht in den Sternen. Die Sicherheit der Gasversorgung Europas von Russland aus steht somit auf der Kippe – und das recht präzise “auf Termin”. (April 2016)

Die Fußangeln der vertraglichen Ausgangslage bei der Lieferung russischen Gases nach Europa

>Der Großteil des Erdgases, welches Russland via Gazprom nach Europa exportiert, wird geliefert gemäß bestehenden langfristigen Versorgungsverträgen (LTSC). Die Auslaufdaten der LTSC erstrecken sich bis zum Jahre 2035. Auf Basis solcher Verträge wurden vor Jahrzehnten die erheblichen und langfristigen Investitionen in Gastransport-Infrastrukturen gestemmt. (April 2016)

Sigmar Gabriels „Hosenträger zum Gürtel“

Schalten RWE und Vattenfall Braunkohlekraftwerke ab, so werden sie weniger zu verkaufen haben. Produzieren sie jedoch lediglich keinen Strom damit, halten diese Kraftwerke allerdings ständig in Bereitschaft, um mit ihnen Lieferengpässe auf dem Strommarkt zu überbrücken, sind sie dafür zu „entschädigen“ – ob ein ausgleichswürdiger „Schaden“ vorliegt, wurde gar nicht erst geprüft. (September 2015)

Ursache des dreifachen Reaktoren-Unglücks in Fukushima

Die Produktion von Nachzerfallswärme eines Kernreaktors geht nach der Schnellabschaltung über die Zeit exponentiell zurück. In den Fukushima-Kraftwerken hat die Zeitspanne zwischen dem Erdbeben und dem später auflaufenden Tsunami auf die Menge der noch abzuführenden Wärme daher einen wesentlichen Einfluss. (August 2015)

Die Nukleare Sicherheitskonvention und ihre Durchsetzbarkeit

Im Jahr 2011 geschah die geballte Katastrophe: An der Nordostküste Honshus gingen am Standort Fukushima II gleich drei Reaktoren durch. Danach stand die Frage im Raum: “Was können wir aus diesem opferreichen Geschehen, das Japan bedauerlicherweise getroffen hat, dem Offenbarwerden von Sicherheitsmängeln, Gutes für den Rest der Welt gewinnen?” War das ernst gemeint? Oder verbalisierte sich hier eine Haltung, die Hillary Clinton einmal in den schönen Wahlspruch gefasst hat: “Never waste a good crisis!”? (Juli 2015)