NGOs fordern solidarische Regionalisierung der Milch-Wertschöpfungskette

 

In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Anzahl der Milch produzierenden Betriebe in Deutschland um 50 Prozent zurückgegangen. Trotz steigender Umweltprobleme und sinkender Erzeugerpreise setzt die Agrarbranche weiter auf den Export von Milchprodukten, obwohl die überschüssige Milch immer wieder Preisdruck auslöst; über Handelsabkommen wird zudem eine Ausweitung von Produktion und Verkauf der deutschen und europäischen Milchprodukte befördert. Die NGOs PowerShift, Forum Umwelt und Entwicklung, die Bauernorganisation Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Attac und die Naturfreunde leisten einen Beitrag zur Debatte um alternative Wege aus der Krise und stellen anhand von Milch und Milchprodukten exemplarisch dar, wie eine solidarische Regionalisierung aussehen kann.



 

(Hamm, Frankfurt am Main, Bonn, Berlin, 22. Januar 2021) Zu Beginn des World Economic Forums, das sich in diesem Jahr unter anderem mit der Reintegration der Weltmärkte in Zeiten von COVID-19 beschäftigt, veröffentlichen die NGOs PowerShift, Forum Umwelt und Entwicklung, die Bauernorganisation Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Attac und die Naturfreunde das Factsheet „Global – regional – alles egal?“. Damit wollen sie einen Beitrag zur Debatte um alternative Wege aus der Krise leisten und anhand von Milch und Milchprodukten exemplarisch darstellen, wie eine solidarische Regionalisierung aussehen kann.

Trotz steigender Umweltprobleme und sinkender Erzeugerpreise setzt Deutschland weiter auf den Export seiner Milchprodukte, obwohl die überschüssige Milch immer wieder Preisdruck auslöst. Über Handelsabkommen wird zudem eine Ausweitung der Produktion und des Verkaufs der deutschen und europäischen Milchprodukte befördert – auch zu Ungunsten der Landwirt*innen im globalen Süden. Dabei hat die Covid-19-Pandemie gezeigt, wie anfällig und problembehaftet globale Lieferketten sind und wie wichtig es ist, die Bevölkerung mit Gütern aus der Region versorgen zu können, zumal regionale Wertschöpfungsketten wichtiges Einkommen und Arbeitsplätze generieren.

In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Anzahl der Milch produzierenden Betriebe in Deutschland um 50 Prozent zurückgegangen. „Dem Preisdruck des internationalen Wettbewerbs, der durch Handelsabkommen gefördert wird, halten viele landwirtschaftliche Betriebe nicht stand. Deswegen fordern wir ein Umdenken in der europäischen Agrar- und Handelspolitik und die Umsetzung des qualifizierten Marktzugangs“, sagt Berit Thomsen, Handelspolitische Sprecherin der AbL.

Mit Handelsabkommen wie dem EU-Mercosur-Abkommen oder dem EU-Mexiko-Abkommen wird versucht, die führende Exportstellung der EU auch im Agrarbereich weiter auszubauen. So soll in den nächsten zehn Jahren der EU-Exportanteil bei Käse auf 44 Prozent steigen. „Damit trägt die EU dazu bei, dass regionale Produktion geschwächt wird. Eine (klima-) gerechte Handelspolitik im Sinne zukünftiger Generationen sieht anders aus“, sagt Alessa Hartmann, Handelsexpertin von PowerShift.

Kritisch beleuchtet das Factsheet die aktuelle Situation der Milchproduktion in Europa, vor allem in Deutschland. Es setzt sich mit den Nebenwirkungen in anderen Ländern auseinander, beispielsweise der Abholzung des Regenwaldes in Brasilien zur Tierfutterproduktion für europäische Kühe. Abschließend werden konkrete Vorschläge für eine solidarische Regionalisierung der Wertschöpfungskette Milch gemacht, die sich ähnlich auch auf andere Produkte übertragen lassen.

„In Zeiten von Klimakrise, Pandemie und wachsender globaler Ungleichheit erwarten wir einen Kurswechsel in der EU-Handelspolitik. Statt Handelsabkommen, die die Globalisierung von Agrarprodukten vorantreiben, müssen kleinbäuerliche Strukturen gefördert und effektive Instrumente geschaffen werden, um Überschussproduktion zu verhindern“, sagt Nelly Grotefendt vom Forum Umwelt und Entwicklung.

Berit Thomsen ist Handelspolitische Sprecherin der Bauernorganisation Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).
Das Factsheet „Global – regional – alles egal?“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.