Asyl ist ein Menschenrecht: Appell von 53 Organisationen an die Bundesregierung zur Reform des europäischen Asylsystems

 

Im Vorfeld des Treffens der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 appellieren Menschenrechtsorganisationen an Innenministerin Nancy Faeser und die Bundesregierung, ihrer völkerrechtlichen und humanitären Verantwortung gerecht zu werden und ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen. Sie zeigen sich irritiert über die Position der Bundesregierung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS): „“Anstatt sich dem Trend der Entwertung europäischer Grund- und Menschenrechte und der Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze entschieden entgegenzustellen, signalisiert die Regierung mit ihrer Position die Bereitschaft, diesen Weg, um jeden Preis mitzugehen.“

(Berlin, 17. Mai 2023) In einem gemeinsamen Appell kritisieren mehr als 50 Organisationen die Bundesregierung für ihre Position zur Reform des europäischen Asylsystems. Im Vorfeld des Treffens der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 appellieren die Organisationen an Innenministerin Nancy Faeser und die Bundesregierung, ihrer völkerrechtlichen und humanitären Verantwortung gerecht zu werden und ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen. In diesem kündigt die Ampel-Koalition einen „Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik“ mit besseren Standards für Asylverfahren an. Am Bündnis beteiligt sind unter anderem die Organisationen terre des hommes, MSF, AWO, Caritas, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Brot für die Welt, Amnesty International, PRO ASYL sowie die ärztliche Friedensorganisationen IPPNW.

Die unterzeichnenden Organisationen zeigten sich irritiert über die Position der Bundesregierung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). „Anstatt sich dem Trend der Entwertung europäischer Grund- und Menschenrechte und der Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze entschieden entgegenzustellen, signalisiert die Regierung mit ihrer Position die Bereitschaft, diesen Weg, um jeden Preis mitzugehen“, heißt es in dem Appell.

Durch die beabsichtigte Zustimmung der Regierung zu verpflichtenden Grenzverfahren sei zu erwarten, dass Standards bei der Prüfung von Schutzgesuchen in der EU stark abgesenkt würden und keine fairen Verfahren mehr möglich wären. Das IPPNW-Vorstandsmitglied Carlotta Conrad kritisiert das scharf: „Die geplanten, verpflichtenden Grenzverfahren sind Schnellverfahren, die mit rechtstaatlichen Prinzipien unvereinbar sind. Sie verfolgen das Ziel, möglichst viele Schutzsuchende abzuweisen. Sie brechen zudem mit grundlegenden Versprechen aus dem Koalitionsvertrag. Darin hieß es, es sollten bessere Standards im Asylverfahren eingeführt und eine inhaltliche Prüfung von Asylanträgen gewährleistet werden. Das Leid an den Außengrenzen zu beenden galt als wichtiges Ziel. Die humanitäre Lage wird sich mit dem neuen Verfahren, vor allem durch die Festsetzung der Schutzsuchenden in geschlossenen Haftzentren an den Grenzen, absehbar weiter verschlechtern.“

Zudem fordert der Appell die Bundesregierung dazu auf, die Absenkung der Anforderungen an sogenannte „sichere Drittstaaten“ nicht zu unterstützen. Damit breche sie ihr Versprechen, jedes Asylgesuch inhaltlich zu prüfen. „Asylanträge könnten so pauschal als unzulässig abgelehnt und Schutzsuchende ohne inhaltliche Prüfung ihres Schutzbegehrens in einen Drittstaat abgeschoben werden“, heißt es in dem Appell.

Die an dem Appell beteiligten Organisationen befürchten, dass die aktuellen Reformvorschläge der Bundesregierung die bereits existierenden Probleme des europäischen Asylsystems weiter verschärfen. Angesichts dessen fordern sie die Bundesregierung dazu auf, sich gegen eine Weiterführung des gescheiterten Dublin-Systems auszusprechen. Im bestehenden System bliebe die Durchführung von Asylverfahren „weitgehend  bei den Außengrenzstaaten, was schon jetzt zu ihrer Überlastung, der Nichtanwendung von bestehenden Regelungen und zu starken Verzögerungen  beim Zugang zum Schutz, sowie gravierenden Menschenrechtsverletzungen  führt.“

Der Umgang mit den ukrainischen Geflüchteten seit dem letzten Jahr zeige, dass eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik möglich sei, erklärt das IPPNW-Vorstandsmitglied Carlotta Conrad. „Die positive Erfahrung mit der vereinfachten Aufnahme ukrainischen Geflüchteter könnte ein Wegweiser für einen modernen Flüchtlingsschutz sein – etwa bezüglich Unterbringung, Arbeitserlaubnis und dem Zugang zur Gesundheitsfürsorge.“

Der Appell in voller Länge steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.

Über Pro Asyl können Bürger*innen E-Mails an die Parteivorstände von SPD, Grünen und FDP senden mit dem Appell: „Treten Sie für die von Ihrer Partei im Koalitionsvertrag festgehaltenen Positionen ein und stoppen Sie diese Pläne auf EU-Ebene! Die Bundesregierung darf der faktischen Abschaffung des Zugangs zu einem fairen Asylverfahren in der EU unter Prüfung individueller Schutzgründe nicht zustimmen!“