Aufruf von Kairos Europa zu breiter zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit

 

Auch die Kirchen müssen endlich mit einer fundamentalen Kapitalismuskritik und einer breiten zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit gegen die wachstums- und profitorientierte Konsumgesellschaft und weitgehend wirtschaftsabhängige Politik ein wirksames Zeichen setzen. Ein Versuch, “Die Zeichen der Zeit nicht [zu] verkennen” und nachhaltig aktiv zu werden, stellt aktuell und konkret ein Offener Brief an die weltweite Ökumene von Kairos Europa dar. Auch Organisationen können sich solidarisieren.



 

(Stuttgart, Mai 2020) Seit dem „Bericht des Club of Rome“ 1972 ist der wissenschaftliche Konsens bekannt, dass unsere Lebens- und Wirtschaftsweise den Planeten zerstört. Die Jugendbewegung „Fridays for Future“ ist ein Zeichen dafür, dass die Zeit der Absichtserklärungen vorbei ist. Entschlossenes und wirksames Handeln ist überfällig, im Angesicht derzeitiger Corona-Lektion mehr denn je.

Dabei stehen in der Kritik nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Kirchen. Auch die Kirchen müssen endlich mit einer fundamentalen Kapitalismuskritik und einer breiten zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit gegen die wachstums- und profitorientierte Konsumgesellschaft und weitgehend wirtschaftsabhängige Politik ein wirksames Zeichen setzen.

Ein Versuch, „Die Zeichen der Zeit nicht [zu] verkennen“ und nachhaltig aktiv zu werden, stellt aktuell und konkret ein Offener Brief an die weltweite Ökumene von Kairos Europa, www.kairoseuropa.de, dar. Auch Organisationen können sich solidarisieren.

Offener Brief an die Mitbürgerinnen und Mitbürger weltweit, an alle Menschen, „die guten Willens sind“

Der erfreulich zunehmende Einsatz gegen die globale Klimakrise, derzeit zum Beispiel durch die weltweite Klimabewegung „Fridays for Future“, muss die sich ungeheuerlich ausweitenden „multiplen Krisen der herrschenden (Un-)Ordnung“ unserer Zeit im Auge behalten. Es ist an der Zeit, die Ursache der weltweiten Fehlentwicklung klar zu benennen und wirksam zu bekämpfen: Es ist der „systemische Charakter der Krisen unserer kapitalistischen Zivilisation“, des aktuellen realen Kapitalismus. „Es geht um die Überwindung der ‚imperialen Lebensweisen‘ und ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem.“ Das ökologische Problem kann „nicht mehr von der Frage nach wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit“ getrennt werden.

Ein wesentlicher Teil der Zivilgesellschaft und insbesondere auch die weltweite Christenheit hat seit Jahrzehnten vielfach angemahnt, daß die „vorherrschende ökonomische Ordnung samt“ ihrer „bestimmenden Ideologie einem ‚Götzendienst‘ gleichkommt, da ‚der auf Privateigentum, ungezügelte Wettbewerb und der [angeblich alternativlos auf Verträge] aufgebaute Markt das absolute Gesetz ist, das das menschliche Leben, die Gesellschaft und die Umwelt beherrscht“. Diese „massive Bedrohung des Lebens“ soll zunehmend sogar „mit politischer und militärischer Machtverteidigt und geschützt“ werden.

Zuletzt hat der Ökumenische Rat der Kirchen 2012 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass „Habgier und Ungerechtigkeit, das Streben nach schnellem Profit, ungerechte Privilegien und kurzfristige Vorteile auf Kosten langfristiger und nachhaltiger Ziele […] die Grundursachen“ der lebenszerstörenden Krisen sind. Auf diesem Hintergrund lautete für die weltweite Christenheit und beispielhaft für die gesamte Zivilgesellschaft nahezu unisono: „dass die Frage der globalen wirtschaftlichen Gerechtigkeit eine für den Gottesglauben und die Nachfolgegemeinschaft als Christ*innen grundlegende Frage darstellt und, daß das herrschende Wirtschaftssystem aus Glaubensgründen mit dem Christ- und Kirchesein unvereinbar ist.“

„Deshalb sollten jetzt deutlicher denn je die vorherrschenden sozio-ökonomischen und geo-strategischen Machtstrukturen in Frage gestellt und die Überwindung der (neo-)kapitalistischen Wirtschafts- und Lebensweise mit dem Ziel der Entwicklung zukunftsfähiger Alternativen eingefordert werden.“ Allzu oft bleibt das „Agieren aufgrund einer zur Vermeidung von Konflikten mit politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger*innen für geboten erachteten ‚Zurückhaltung‘ auf Forderungen nach bloß kosmetischen Reformen des strukturell zerstörerischen globalen ökonomischen Systems beschränkt“.

„Soziale ebenso wie Klimagerechtigkeit für alle Menschen“ lässt sich „nur durch eine fundamentale sozial-ökologische Transformation erreichen“. „Dies erfordert letztlich eine radikale Abkehr von den unser Wirtschaften bislang dominierenden kapitalistischen Triebfedern Wachstum und Profit und die Hinwendung zu einer das Gemeinwohl und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt stellenden Ökonomie.“

Wir bitten um weitere Verbreitung, Diskussion und die Unterzeichnung dieses Offenen Briefes (info@kairoseuropa.de ), damit schon im Vorfeld aller Großereignisse der kommenden Jahre unser gemeinsames Anliegen debattiert werden kann. Dies gilt auch für Organisationen. Darüber hinaus ist es nun an der Zeit, dass wir uns dezentral organisieren und bundesweit zusammentun, um auf allen möglichen Ebenen ein aktives gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Wir unterstützen jede demokratische, gewaltfreie und sofort erkennbare Transformations-Strategie.

PD Dr. med. Ulrich Börngen, Stuttgart.