Fachkräftegewinnung – kein schicksalhaftes Ergebnis glücklicher Fügung

 

Der Deutsche Gewerkschaftsbund stellt fest, dass es Arbeitgeber und Bundesregierung in der Hand haben, wie Fachkräftgewinnung gelingt, und fordert, die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt beherzt anzupacken. Es dürfe nicht sein, dass Menschen in Drittstaaten als Ersatzkräfte angeworben würden und dann zu schlechten Löhnen hier arbeiteten. Zuwanderung sei in einer älter werdenden Gesellschaft ein wesentlicher Baustein für eine erfolgversprechende Fachkräftestrategie; wo Zuwanderung stattfinde, verlangen die Gewerkschaften Fairness gegen Migrant*innen und Menschen mit Migrationshintergrund.

(Berlin, 12. Oktober 2022) Mit Blick auf den heutigen Beschluss der Fachkräftestrategie im Bundeskabinett sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied: „Mehr Fachkräfte zu gewinnen und zu halten ist mitnichten schicksalhaftes Ergebnis glücklicher Fügung, vorherbestimmt von höheren Mächten. Ganz im Gegenteil: Arbeitgeber und Bundesregierung haben es in der Hand. Den Vorschlag für eine Strategie hat die Bundesregierung heute vorgelegt.

Jetzt muss sie die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt aber auch beherzt anpacken: Mehr Tarifbindung, Verbesserungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen, mehr Aus- und Weiterbildung sind das Gebot der Stunde. Zusätzlich braucht es endlich ein verlässliches System für die Betreuung von Kindern und die Pflege von Angehörigen: Viele Frauen wollen raus aus der Teilzeit, sind aber zu stark in Anspruch genommen von unbezahlter Sorge- und Familienarbeit. Dieses Potential müssen wir endlich nutzen.

Denn obwohl in bestimmten Branchen Fachkräfte fehlen, besteht vielfach kein grundsätzlicher Mangel an Arbeitskräften. Oft sind hausgemachte Probleme die Ursache: Fachkräfteengpässe entstehen immer da, wo Bedingungen und Bezahlung schlecht sind. Bestes Beispiel ist die Pflege, wo Beschäftigte seit vielen Jahren mit den Füßen abstimmen und den gelernten Beruf verlassen.

Was nicht sein darf, ist, Menschen in Drittstaaten als Ersatzkräfte anzuwerben und dann zu schlechten Löhnen hier arbeiten zu lassen – oder unter lautem Wehklagen Verantwortung abzuschieben, wie es manche Arbeitgeber tun. Zuwanderung ist in einer älter werdenden Gesellschaft ohne Frage ein weiterer Baustein für eine erfolgversprechende Fachkräftestrategie. Wo Zuwanderung stattfindet, verlangen wir Gewerkschaften Fairness gegen Migrant*innen und Menschen mit Migrationshintergrund. Sie sind bei Teilhabe an Wohnen, Arbeit und Bildung und insbesondere auch bei Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland oft immer noch benachteiligt. Stattdessen brauchen sie gute Bedingungen mit echten Bleibeperspektiven für sich und ihre Familien. Die großen bürokratischen Hürden bei Einreise und Berufsanerkennung sind schnellstens abzubauen und Menschen in tarifgebundene und sozialversicherte Beschäftigung zu vermitteln statt in Minijobs, Leih- oder Saisonarbeit.“

Nachhaltiger Zuzug von Fachkräften nach Deutschland

Mit ihrer heute, am 12. Oktober 2022, im Kabinett beschlossen Fachkräftestrategie will die Bundesregierung nach eigenen Angaben die Anstrengungen der Unternehmen und Betriebe unterstützen, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Die Bundesregierung sagt zur Gewinnung von Fachkräften durch Einwanderung:

„Qualifizierte Einwanderung kann nur dann nachhaltig zur Fachkräftesicherung beitragen, wenn die eingewanderten Personen dauerhaft in Deutschland bleiben. Zurzeit verlässt etwa jede zweite eingewanderte Arbeitskraft Deutschland wieder. Es müssen die Bedingungen daher so gestaltet werden, dass möglichst viele einmal eingewanderte Personen in Deutschland bleiben und nicht aufgrund der als fehlend wahrgenommenen Perspektiven oder Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen wieder fortziehen wollen oder gar fortziehen. Nur so können das in Ausbildung erworbene Wissen und die Arbeitskraft erhalten bleiben und langfristig dazu beitragen, die sozialen Sicherungssysteme zu stärken. Dazu gehört der unkomplizierte Mit- und Nachzug sowie die zielgerichtete Integration der Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sowie der heranwachsenden Kinder in Gesellschaft, Ausbildung und Arbeitsmarkt, die zunächst aus familiären Gründen aus Drittstaaten und der EU mitgewandert sind. Nur etwa die Hälfte dieser regelmäßig erwerbsfähigen Lebenspartnerinnen und Lebenspartner steht in einem Beschäftigungsverhältnis, unter anderem aufgrund von Hürden bei der Kinderbetreuung. Angesichts des Bildungsstandes und Lebensalters der Eingewanderten strebt die Bundesregierung daher an, dieses Fachkräftepotenzial in Zukunft noch besser zu heben.

Um Fachkräften und ihren Familien die Einreise und das Ankommen in Deutschland zu erleichtern und ihre Bleibewahrscheinlichkeit zu fördern, sind begleitende Angebote erforderlich, vor allem aber ein reibungsloses Ineinandergreifen behördlicher Prozesse im Einreise- und Aufenthaltsverfahren und deren Verknüpfung mit privaten und öffentlichen Unterstützungsangeboten im Bereich der Sprachförderung, der Erwerbsperspektiven auch der Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, der Kinderbetreuung, der Wohnungssuche und der Gesundheitsversorgung.“

Anja Piel ist Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Das Papier „Fachkräftestrategie der Bundesregierung“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.