Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitssorgfaltspflicht von Unternehmen soll gleiche Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt schaffen. Im Sommer 2024 fand der endgültige Kompromiss breite Unterstützung von Großunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften und anderen Interessengruppen in ganz Europa. Die Bundesregierung setzt mit der geplanten Reform des Lieferkettengesetzes von Anfang September 2025 lediglich Regelungen vorübergehend aus, die durch die europäische Lieferkettenrichtlinie ohnehin wiedereingeführt werden müssen – so entlastet sie Unternehmen nicht, sondern verunsichert sie.

(Berlin, 3. September 2025) Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zeigt sich enttäuscht von den im Bundeskabinett getroffenen Beschlüssen zum Lieferkettengesetz und zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD. „Die Bundesregierung spricht von Bürokratieabbau. Was sie schafft, ist Rechtsunsicherheit und Verwirrung für Unternehmen. Zudem bestraft sie nicht nur diejenigen, die als besonders verantwortungsbewusste Unternehmen bei Menschenrechten und Nachhaltigkeit vorangegangen sind, sondern vor allem auch Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten“, kommentiert Cornelia Heydenreich, Bereichsleiterin Unternehmensverantwortung bei Germanwatch.
Lieferkettengesetz massiv geschwächt, aber nicht vom Tisch
Das Kabinett hat zum einen eine Novellierung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) beschlossen. Dieses schafft unter anderem komplett die Berichtspflichten für Unternehmen ab und schränkt Bußgelder ein, die bei Verstößen gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten fällig werden. Bei Verstößen gegen umweltbezogene Sorgfaltspflichten sollen die Bußgelder sogar ganz entfallen. „Die Bundesregierung schwächt das Gesetz in entscheidenden Aspekten und vermindert damit seine präventive Wirkung. Doch trotz aller Unkenrufe und Bemühungen der Union und von Wirtschaftsverbänden bleibt es immerhin bestehen und wird nicht abgeschafft“, so Heydenreich.
Heydenreich betont weiter: „Die Regierung verfehlt mit der geplanten Reform des LkSG ihr Ziel, Rechtssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten. Sie setzt Regelungen vorübergehend aus, die durch die europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD ohnehin wiedereingeführt werden müssen. Diese widersprüchliche Vorgehensweise entlastet Unternehmen nicht, sondern verunsichert sie.“
Auch auf EU-Ebene werde im Rahmen des Omnibusprozesses unter dem Vorwand der Vereinfachung für Unternehmen an der Aushöhlung der CSDDD gearbeitet. Durch ihren Schlingerkurs habe die Bundesregierung zu einer Mehrheit im EU-Rat beigetragen, welche eine massive Abschwächung der EU-Lieferkettenrichtlinie vorsehe. Heydenreich fordert daher: „Deutschland sollte Wettbewerbsfähigkeit nicht gegen Menschenrechte und Umweltschutz ausspielen, sondern sich jetzt zumindest innerhalb der EU für eine wirksame EU-Lieferkettenrichtlinie einsetzen.“
Spekulation und deutscher Sonderweg bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Das Kabinett unterbreitete zum anderen einen Vorschlag zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) in deutsches Recht. Die EU-Kommission hatte deshalb bereits im September 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung initiiert. „Durch ihr spätes Handeln hat sich die Bundesregierung in eine schwierige Lage manövriert: Wegen der unsicheren Rahmenbedingungen der Omnibus-Verhandlungen ist es kaum möglich, eine rechtssichere Umsetzung zu gewährleisten. Mit dem Umsetzungsgesetz zum jetzigen Zeitpunkt versucht die Bundesregierung unredlich noch während der laufenden Omnibus-Verhandlungen Tatsachen zu schaffen“, so Paul Healy, Referent für klimakompatible Finanzflüsse bei Germanwatch.
Die Bundesregierung handelt verantwortungslos und im Widerspruch zu europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben
Sofie Kreusch kommentiert die Beschlüsse der Bundesregierung für die Initiative Lieferkettengesetz:
„Deutschland hatte mit dem LkSG ein rechtliches Instrument geschaffen, welches bereits zwei Jahre nach dessen Einführung zu Erfolgen führte. Statt das Gesetz weiter zu schärfen und dessen Wirksamkeit zu erhöhen, entscheidet sich die neue Bundesregierung für eine Rolle rückwärts.
Mit diesem Beschluss handelt die Bundesregierung nicht nur verantwortungslos gegenüber den Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen weltweit, sondern auch im Widerspruch zu europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben, die Rückschritte beim Schutz der Menschenrechte verbieten. Deutsche Unternehmen, die mit der Umsetzung des LkSG begonnen haben, verlieren wichtige Anreize zur Vorbeugung von Menschenrechtsverstößen und Umweltschäden.
Die Initiative Lieferkettengesetz fordert den Bundestag auf, diesen Fehler zu korrigieren. Wer eine zukunftsfähige Wirtschaft will, die nicht auf Kosten von Menschen und Umwelt geht, darf die dafür mühsam erreichten Fortschritte nicht zurückdrehen. Statt politischem Aktionismus braucht es klare, verlässliche Regeln – für die Rechte von Beschäftigten entlang globaler Lieferketten ebenso wie für faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen. Insbesondere muss der Bundestag die Bundesregierung auffordern, auf EU-Ebene für den Erhalt einer wirksamen LIeferkettenrichtlinie einzustehen.“
Cornelia Heydenreich ist Bereichsleiterin Unternehmensverantwortung bei germanwatch.

Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitssorgfaltspflicht von Unternehmen soll gleiche Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt schaffen. Im Sommer 2024 fand der endgültige Kompromiss breite Unterstützung von Großunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften und anderen Interessengruppen in ganz Europa. Angesichts eines im Februar 2025 von der Europäischen Kommission vorgelegten Omnibus-Vorschlags äußert eine ebenso breite Gruppe von Interessengruppen starke Bedenken hinsichtlich wesentlicher Änderungen der vereinbarten Gesetzgebung und fordert den Schutz der Wirksamkeit der im Sommer 2024 verabschiedeten Nachhaltigkeitssorgfaltspflicht von Unternehmen.