Studie legt Geldgeber der fossilen Flut in Lateinamerika und der Karibik offen

Vom 10. November bis zum 21. November 2025 findet im brasilianischen Belém der UN-Klimagipfel 2025 (COP30) statt. Zwischen 2022 und 2024 haben 297 Banken insgesamt 138,5 Milliarden US-Dollar an Unternehmen vergeben, die neue fossile Projekte in der Region entwickeln: 190 Unternehmen aus 42 Ländern erkunden beziehungsweise erschließen in der Region neue Öl- und Gasfelder oder entwickeln neue Infrastruktur für fossile Brennstoffe. Die Projekte sind für eine Betriebsdauer von 30 bis 50 Jahren ausgelegt, einmal in Betrieb genommen, werden sie über Jahrzehnte gewaltige CO2-Emissionen in die Atmosphäre pumpen.

(Berlin, Brasília, Buenos Aires, Mexiko-Stadt / 1. Oktober 2025) Fünf Wochen vor dem UN-Klimagipfel vom 10. November bis zum 21. November 2025 im brasilianischen Belém (COP30) legt eine heute veröffentlichte Studie offen, welche Konzerne für die massive Expansion fossiler Aktivitäten in Lateinamerika und der Karibik verantwortlich sind – und welche Banken und Investoren diese Aktivitäten unterstützen. Herausgeber der Studie sind die NGOs

  • urgewald (Deutschland),
  • Arayara International Institute (Brasilien),
  • FARN (Argentinien),
  • Conexiones Climáticas (Mexiko) und
  • Amazon Watch (USA/Peru/Ecuador).

Parallel dazu wurden zwei interaktive Online-Dashboards veröffentlicht, die zeigen, wo die aktuellen Expansionsprojekte geplant sind und welche Konzerne jeweils verantwortlich sind, sowie, welche Banken und Investoren dahinterstehen:

190 Unternehmen aus 42 Ländern erkunden beziehungsweise erschließen in der Region neue Öl- und Gasfelder oder entwickeln neue Infrastruktur für fossile Brennstoffe. „Lateinamerika und die Karibik sind ein globaler Hotspot der fossilen Expansion. Mächtige Konzerne wie Petrobras, ExxonMobil, YPF und Chevron sind fest entschlossen, so viel Öl und Gas wie möglich zu fördern, bevor ihre Geschäfte durch politische Netto-Null-Vorgaben unterbunden werden“, sagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald und Hauptautorin des Berichts.

47 Prozent aller neuen Öl- und Gasvorkommen, die derzeit in Lateinamerika und der Karibik erschlossen werden, befinden sich in Brasilien, dem Gastgeberland der COP 30. Die brasilianische Erdölaufsichtsbehörde ANP gibt viele der ökologisch empfindlichsten Regionen des Landes für die Öl- und Gasausbeutung frei – darunter das Große Amazonas-Riffsystem und vormalige Schutzgebiete in der Amazonasregion.

Expansion der Öl- und Gasinfrastruktur

Die neuen Öl- und Gasinfrastruktur-Projekte in Lateinamerika und der Karibik sind für eine Betriebsdauer von 30 bis 50 Jahren ausgelegt. Einmal in Betrieb genommen, werden sie über Jahrzehnte gewaltige CO2-Emissionen in die Atmosphäre pumpen. So sind mehr als 8.800 Kilometer neue Öl- und Gaspipelines in der Region geplant. Zu den umstrittensten gehört das argentinische Projekt Vaca Muerta Oleoducto Sur (VMOS), das die zweitgrößte Schieferöl- und Gas-lagerstätte der Welt in Vaca Muerta mit dem Golf von San Matías verbinden würde – einem atemberaubenden Meeresökosystem mit einer florierenden Tourismusindustrie. Das Projekt würde den Golf zu einem Exportzentrum für fossile Brennstoffe machen, in dem ständig gewaltige Rohöltanker ein- und auslaufen.

Im Juli 2025 genehmigte ein Konsortium aus 16 Banken und Investoren unter der Führung von JPMorgan, Citi, Deutsche Bank, Itaú und Santander einen Kredit in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar für das Projekt: der größte private Infrastrukturkredit in der Geschichte Argentiniens. „Diese Ölpipeline zerstört die unersetzliche Artenvielfalt des Golfs von San Matías und führt uns in die dystopische Zukunft, die in den IPCC-Berichten beschrieben wird. Davon mögen Ölkonzerne und einige Banken profitieren. Doch es bleibt ein Umweltverbrechen, das der regionalen Wirtschaft und der Mehrheit der Bevölkerung schadet“, sagt Ariel Slipak, Recherchekoordinator bei FARN Argentina.

Die Geldgeber hinter der fossilen Flut in der Region

Zwischen 2022 und 2024 haben 297 Banken insgesamt 138,5 Milliarden US-Dollar an Unternehmen vergeben, die neue fossile Projekte in der Region entwickeln. Der größte Geldgeber darunter ist die spanische Bank Santander (9,9 Milliarden US-Dollar), gefolgt von JPMorgan Chase (8,1 Milliarden US-Dollar), Citigroup (7,9 Milliarden US-Dollar) und Scotiabank (7,2 Milliarden US-Dollar).

92 Prozent der Bankenfinanzierungen für fossile Expansion in der Region kommen aus Ländern außerhalb der Region – vor allem aus Europa, den USA, Kanada, China und Japan. Im Banken-Ranking des Berichts taucht die erste lateinamerikanische Bank, Itaú Unibanco, erst auf Platz 15 auf.

Gleichzeitig halten nach letzten Recherchestand mehr als 6.400 institutionelle Investoren Aktien und Anleihen im Wert von 425 Milliarden US-Dollar von Unternehmen, die neue fossile Projekte in Lateinamerika und der Karibik vorantreiben. 96 Prozent der institutionellen Investitionen in solche Unternehmen werden außerhalb der Region gehalten. Die drei größten Investoren sind Vanguard (40,9 Milliarden US-Dollar), BlackRock (35,3 Milliarden US-Dollar) und Capital Group (16,8 Milliarden US-Dollar), alle aus den USA.

Rolle von Banken und Investoren aus Deutschland

Die Deutsche Bank ist mit einem Finanzvolumen von 3,4 Milliarden US-Dollar zwischen 2022 und 2024 viertgrößte europäische Geldgeberin von fossiler Expansion in Lateinamerika und der Karibik.

Philipp Noack, Finanz-Campaigner bei urgewald, kommentiert: „Die Deutsche Bank hat im ersten Halbjahr 3,3 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Diesen Gewinn erwirtschaftet sie auch durch Geschäfte mit fossilen Brennstoffen und auf Kosten von Lebensräumen im Amazonas. Sie ermöglicht Geschäfte im Zusammenhang mit Fracking, Ultra-TiefseeBohrungen und der Abholzung des Regenwalds. Keine Geschäftsstrategie kann dies rechtfertigen. Wer eine zukunftsfähige Bank sucht, sollte sich schnellstmöglich von der Deutschen Bank verabschieden.“

Die Finanzierung des Ausbaus fossiler Brennstoffe in Lateinamerika und der Karibik findet also weitgehend im Ausland statt. Selbst die staatlichen Öl- und Gasunternehmen der Region sind stark auf Geld aus dem Ausland angewiesen. So sind die wichtigsten Banken des brasilianischen Staatskonzerns Petrobras die MUFG aus Japan und Scotiabank aus Kanada. Die mexikanische Pemex erhielt die größten Finanzsummen von Citi und die kolumbianische Ecopetrol von Scotiabank. Der argentinische Konzern YPF hat Santander als wichtigsten Geldgeber.

Schuldenfinanzierte Expansion fossiler Brennstoffe

Groß angelegte Infrastrukturprojekte führen oft zu einer massiven Verschuldung. In einigen Ländern Lateinamerikas und der Karibik ist die Notwendigkeit, internationale Banken und Anleihegläubiger zu bedienen, ein Treiber weiterer fossiler Expansion. Peru ist ein typisches Beispiel dafür. Block 64 nahe der Grenze zu Ecuador ist eines der umstrittensten Ölfelder Perus. Mehr als 7.600 Quadratkilometer Regenwald liegen im Bereich des Feldes, ebenso das Land von mindestens 22 indigenen Gemeinschaften, darunter die Achuar, Wampís und Chapra. In den vergangenen 30 Jahren hat ihr unerschütterlicher Widerstand sechs Ölkonzerne zum Rückzug gezwungen und die Förderung zum Erliegen gebracht.

Um die Kredite von Deutsche Bank, Santander, Bank of America und HSBC für ein überdimensioniertes Raffinerieprojekt zurückzuzahlen, versucht die nationale Ölgesellschaft Petroperú nun, den Betrieb in Block 64 wieder aufzunehmen. „Banken, die fossile Infrastruktur in Peru finanzieren, kümmern sich wenig darum, woher das Rohöl kommt und haben es auch versäumten, die betroffenen Menschen zu befragen, deren Heimat geopfert wird. Als Reaktion darauf haben indigene Völker klargestellt, dass in ihrem Gebiet kein Öl gefördert werden darf. Die Banken können nicht länger so tun, als wüssten sie nichts“, sagt Mary Mijares, Kampagnenmanagerin bei Amazon Watch.

Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen ist es der Welt immer noch nicht gelungen, die Emissionskurve herumzudrehen. „Wer nach den Gründen für dieses Scheitern sucht, findet eine Geldspur. Sie führt direkt in die Vorstandsetagen der Finanzinstitute, die in den vergangenen zehn Jahren gesunden Menschenverstand und Klimawissenschaft ignoriert haben, um weiterhin die Expansion fossiler Brennstoffe zu finanzieren“, kritisiert Schücking.

„Der Amazonas ist bereits gefährdet, und jetzt wird seine Zukunft verkauft, um für ein paar Jahrzehnte Öl dort zu fördern“, sagt Nicole Figueiredo de Oliveira, Geschäftsführerin von Arayara. Der brasilianische Staatskonzern Petrobras ist mit 29 Prozent der Gesamtmenge größter einzelner Entwickler neuer Öl- und Gasfelder in Lateinamerika und der Karibik. „Die brasilianische Regierung behauptet, die Energiewende voranzutreiben, doch sie hat nicht einmal einen Plan für die Transformation ihres eigenen Ölkonzerns“, kritisiert Oliveira.

Heffa Schücking ist Geschäftsführerin von urgewald.