Mit der Abstimmung über das Omnibus-I-Paket am 16. Dezember 2025 hat das EU-Parlament eine massive Abschwächung der EU-Lieferkettenrichtlinie beschlossen. Damit wird der Richtlinie ein Kernelement zum Klimaschutz genommen: die Klimatransitionspläne. Für die massiven Abschwächungen hat die Europäische Volkspartei (EVP) auf die Stimmen der Rechtsextremen im EU-Parlament gesetzt.

(Brüssel/Berlin, 16. Dezember 2025) Mit der heutigen Abstimmung über den Kompromisstext der Trilogverhandlungen hat das EU-Parlament das Omnibus-I-Paket angenommen – und damit eine massive Abschwächung der EU-Lieferkettenrichtlinie beschlossen. Menschenrechtsorganisationen und andere NGOs kritisieren diesen Beschluss aufs Schärfste. Mit dem heute im Parlament angenommen Gesetzespaket werde das EU-Lieferkettengesetz, ein Meilenstein zum Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima, in wesentlichen Elementen entkernt, bevor es überhaupt in einem einzigen EU-Mitgliedsland umgesetzt werden konnte.
Mit einem Anwendungsbereich von 5.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro würde das Gesetz in Deutschland nur noch für einen Bruchteil der Großunternehmen gelten. Sofie Kreusch, Koordinatorin der Initiative Lieferkettengesetz: „Das deutsche Lieferkettengesetz hilft Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen bereits heute. Würde in Deutschland der Anwendungsbereich der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, d. Red.) gelten, könnten sehr viele Menschen entlang der Lieferketten deutscher Unternehmen den Schutz verlieren, den ihnen das deutsche Lieferkettengesetz momentan bietet. Das darf nicht passieren. Wir appellieren an die Bundesregierung, sich an das im Völkerrecht verankerte Rückschrittsverbot zu halten: Der Anwendungsbereich des LkSG muss weiter gelten.“
Mit dem Omnibus-I-Paket wird der EU-Lieferkettenrichtlinie ein Kernelement zum Klimaschutz genommen: die Klimatransitionspläne. Ceren Yildiz, zuständig für Rechtsfragen beim BUND: „Die Streichung der Klimatransitionspläne ist ein voller Erfolg einer konzertierten Kampagne der Öl- und Gaslobby. Seit Verabschiedung der EU-Lieferkettenrichtlinie bemühte sich Big Oil, die lästigen Klimapflichten wieder abzuschaffen. Mit dem Omnibus-I-Paket wurde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen: Unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung lässt sich in Brüssel mittlerweile jeder noch so große Angriff auf den Klima-, Natur- und Verbraucher*innenschutz rechtfertigen.“
Ebenso der Deregulierung zum Opfer gefallen ist die EU-weit harmonisierte zivilrechtliche Haftungsklausel. Franziska Humbert, Expertin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Oxfam Deutschland: „Gemeinsam mit den Stimmen von Rechtsextremen wurde die viel beschworene Kettensäge an den Schutz von Umwelt und Menschenrechten angelegt. Kommt es zu Schäden, sind Unternehmen nach nationalem Recht haftbar ‑ statt nach einer EU-weit einheitlichen Haftungsregel. Die Folge: Ein rechtlicher Flickenteppich. Leidtragende sind die Arbeiter*innen auf Plantagen und in Textilfabriken, die den Preis für unseren Wohlstand bezahlen, während sich die Unternehmen aus der Verantwortung stehlen.“
Für die massiven Abschwächungen hat die Europäische Volkspartei (EVP) auf die Stimmen der Rechtsextremen gesetzt. Robert Diendorfer, Referent für Unternehmensverantwortung beim Forum Fairer Handel: „Mit den nun abgeschlossenen Trilogverhandlungen wird eines deutlich: Die Brandmauer im Europäischen Parlament ist Geschichte. Sie wurde willentlich und ohne Not durch die Europäische Volkspartei eingerissen. In zentralen Aspekten zur Entkernung der CSDDD kam es zu einer gemeinsamen Abstimmung mit rechten und rechtsextremen Fraktionen. Das Verhalten der EVP war verantwortungslos und untergräbt die Kompromissfindung in der demokratischen Mitte.“
„Das ist ein trauriger Tag für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt in der EU“, sagt Cornelia Heydenreich, Leiterin des Bereichs Unternehmensverantwortung bei Germanwatch. „Anstatt globalen Herausforderungen mit mehr Verantwortung zu begegnen, beugt sich die Mehrheit im Parlament den kurzfristigen Interessen der fossilen Lobby und dem Druck aus Washington. Damit werden die Rechte von Menschen entlang globaler Lieferketten und die notwendige Klima- und Umwelttransformation geschwächt.“
Die EU-Kommission, der Rat und das EU-Parlament sind weit über die angekündigte Vereinfachung hinaus gegangen und haben verbindliche menschenrechtliche und ökologische Sorgfalts- und Berichtspflichten gestrichen oder verwässert. „Diese Entwicklung markiert keinen Bürokratieabbau, sondern den Abbau grundlegender Schutz- und Transparenzstandards“, betont Heydenreich. „Besonders bitter ist, dass die EVP-Fraktion für diesen Rückschritt wiederholt mit rechtsextremen Kräften zusammengearbeitet hat.“
Transparenz wahren heißt Wettbewerbsfähigkeit fördern
Statt aus den ersten Berichtsjahren zu lernen und die Umsetzung der Richtlinien zu vereinfachen, setzt die EU auf harte Einschnitte: Sie verkleinert den Anwendungsbereich drastisch und schafft die verpflichtende Umsetzung von Klimaplänen sowie die EU-weit harmonisierte zivilrechtliche Haftung ab. Damit drängt sie einen Großteil der Unternehmen zurück in ein überholtes System freiwilliger Selbstverpflichtung und fragmentierter Regeln, das längst als Sackgasse erkannt wurde. „Im globalen Wettlauf um Zukunftsmärkte kann sich Europa solche kurzsichtigen Manöver nicht leisten. Damit untergräbt die EU ihr eigenes Ziel, ihre Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Denn wenn Unternehmen und Investoren im Nebel fehlender Daten und fehlender klarer politischer Ziele navigieren, verlieren sie die nötige Orientierung und Geschwindigkeit beim Übergang zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft”, so Eva Kleemann, Referentin für klimakompatible Finanzflüsse bei Germanwatch.
Regierung sollte Richtlinien ambitioniert in deutsches Recht umsetzen
Germanwatch fordert die Bundesregierung auf, das menschenrechtliche Schutzniveau des weiterhin bestehenden deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht zu erhalten. Dazu müsse der Anwendungsbereich des deutschen LkSG weiter gelten, also weiterhin für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten.
Auch die EU-Vorschrift, die Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen standardisiert (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), sollte laut Germanwatch zügig in nationales Recht umgesetzt werden, um großen Unternehmen Rechtssicherheit zu geben. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich freiwillige, standardisierte Berichterstattung für kleinere Unternehmen in der Breite etabliert und ihre Daten verfügbar macht.
„Globale Krisen wie Klimawandel und Menschenrechtsverletzungen lassen sich nicht mit Rückschritten bekämpfen“, so Heydenreich. „Europa braucht Mut zu fairer und zukunftsfähiger Wirtschaftspolitik, die europäische Lieferketten resilienter macht – anstatt weiter auf Kosten von Menschen und Umwelt den Interessen der fossilen Lobby nachzugeben.“
Cornelia Heydenreich ist Leiterin des Bereichs Unternehmensverantwortung bei Germanwatch.

Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitssorgfaltspflicht von Unternehmen soll gleiche Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt schaffen. Im Sommer 2024 fand der endgültige Kompromiss breite Unterstützung von Großunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften und anderen Interessengruppen in ganz Europa. Angesichts eines im Februar 2025 von der Europäischen Kommission vorgelegten Omnibus-Vorschlags äußert eine ebenso breite Gruppe von Interessengruppen starke Bedenken hinsichtlich wesentlicher Änderungen der vereinbarten Gesetzgebung und fordert den Schutz der Wirksamkeit der im Sommer 2024 verabschiedeten Nachhaltigkeitssorgfaltspflicht von Unternehmen.

