„Wir tragen Verantwortung für die Art, wie wir wirtschaften“

 

EKD-Text zu globalen Lieferketten erschienen

Ein internationaler Ordnungsrahmen für das Wirtschaften in Liefer- und Wertschöpfungsketten muss soziale, menschenrechtliche und auch ökologische Mindeststandards absichern und durchsetzen. Nur dadurch ist langfristig mit breiterer gesellschaftlicher Unterstützung für eine multilaterale Ordnung zu rechnen und populistischen Angriffen auf multilaterale Regeln des Wirtschaftens etwas Glaubwürdiges entgegenzusetzen. Auf diesen Zusammenhang geht der im Februar 2021 erschienene EKD-Text 135 ein.



 

(Hannover, 15. Februar 2021) In der vergangenen Woche hat sich die große Koalition auf einen Entwurf für ein Lieferkettengesetz geeinigt. Das geplante Gesetz soll große deutsche Firmen dazu verpflichten, auch bei ihren ausländischen Zulieferern auf die Einhaltung von Menschenrechten und auf Umweltschutz zu achten. Auf genau diese Verantwortung geht der heute erschienene EKD-Text 135 mit dem Titel „Verantwortung in globalen Lieferketten ‑ Ihre menschenrechtliche und sozialökologische Gestaltung aus evangelischer Perspektive“ ein.

„Wir tragen Verantwortung für die Art, wie wir wirtschaften. Das ergibt sich aus den biblischen Grundorientierungen und den daraus erwachsenden ethischen Überlegungen. Die Verantwortung liegt sowohl bei den Unternehmen und bei der Politik als auch bei den Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. In einer globalisierten Welt könne sozial-ökologische und menschenrechtliche Verantwortung jedoch nicht an den Grenzen eines Landes enden. „Diese Verantwortung muss sich entlang der gesamten Wirtschaftsbeziehungen und Lieferketten eines Produktes zeigen, von Entwurf und Design über Rohstoffgewinnung und -verarbeitung bis hin zu Produktion, Handel und Entsorgung.“

Langfristig sei es problematisch, so der EKD-Text, „dass durch die bisherige politische Gestaltung der Globalisierung ein Ordnungsrahmen der Weltwirtschaft geschaffen wurde, der eine massive räumliche Ausweitung der Liefer- und Wertschöpfungsketten vorangetrieben hat, während gleichzeitig eine soziale, ökologische und vor allen Dingen menschenrechtliche Regulierung der Globalisierung fehlt“. Die derzeitige Krise des Multilateralismus sei zu nicht unerheblichen Teilen auch durch ein solches Ungleichgewicht zu erklären. Daher: „Nötig ist deshalb ein internationaler Ordnungsrahmen für das Wirtschaften in Liefer- und Wertschöpfungsketten, der es erlaubt, soziale, menschenrechtliche und auch ökologische Mindeststandards abzusichern und durchzusetzen. Nur durch einen solchen umfassenderen Rahmen für nachhaltiges Wirtschaften ist langfristig auch mit breiterer gesellschaftlicher Unterstützung für eine multilaterale Ordnung zu rechnen und populistischen Angriffen auf multilaterale Regeln des Wirtschaftens etwas Glaubwürdiges entgegenzusetzen.“

Das von der EKD-Kammer für nachhaltige Entwicklung herausgegebene Impulspapier wagt zudem einen Ausblick auf das globale Handeln nach der Corona-Pandemie und erläutert aus evangelischer Perspektive, wie nachhaltiges Wirtschaften gelingen kann. So formuliert das Papier etwa zum Thema Finanzmärkte:

„Neben der ergänzenden handelspolitischen Ausgestaltung nachhaltiger Wirtschaftsbeziehungen ist es wichtig, die nachhaltige Gestaltung der Finanzmärkte in den Blick zu nehmen. Themen wie die Gemeinwohlorientierung des Eigentums und die demokratische Kontrolle der Finanzinstitutionen, aber auch die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerkriminalität sind wichtige wirtschaftsethische Herausforderungen. Wenn Nachhaltigkeit gelingen soll, wird es zentral sein, dass Finanzinvestor*innen Anlageentscheidungen treffen, die die langfristigen ökologischen Auswirkungen ebenso berücksichtigen wie die Achtung menschenrechtlicher Sorgfalt.

[…] Im März 2020 hatte die „Technische Expertengruppe für nachhaltige Finanzen“ der EU zwei neue Berichte vorgestellt, in denen sie Vorschläge unterbreitet für ein EU-weites Bewertungssystem für nachhaltige und klimafreundliche Investitionen – die sogenannte „Taxonomie“. […]Es wäre wünschenswert und dringend erforderlich, dass die Taxonomie die Berücksichtigung menschenrechtlicher Sorgfalt und die Menschenrechte als Referenzrahmen aufnimmt und parallel berücksichtigt. Dadurch könnte eine wegweisende Leitwirkung für die ökologische wie die soziale und menschenrechtliche Ausgestaltung von Investitionsentscheidungen erreicht werden.“

Heinrich Bedford-Strohm ist Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD
Der EKD-Text 135: „Verantwortung in globalen Lieferketten“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.