Divestment und ein klimagerechtes Gesundheitssystem

 

Jeder Euro, der in die fossile Energiewirtschaft investiert wird, befeuert die Klimakrise und ist eine Investition in die Bedrohung der Globalen Gesundheit. Die Ärzteorganisation IPPNW fordert im Bündnis mit der Aktionsgruppe Gesundes Klima des Netzwerkes Kritische Mediziner*innen Deutschland, Geldanlagen der gesundheitsverwandten Bereiche wie den Versorgungswerken oder den gesetzlichen und privaten Krankenkassen aus klimaschädlichen und ethisch bedenklichen Wirtschaftszweigen gezielt und transparent abzuziehen. Insgesamt handele es sich bei den genannten Anlagen um eine Summe von über 400 Milliarden Euro.



 

(Berlin, 7. April 2021) Anlässlich des heutigen Weltgesundheitstages veröffentlicht die Ärzteorganisation IPPNW im Bündnis mit der Aktionsgruppe Gesundes Klima des Netzwerkes Kritische Mediziner*innen Deutschland das Positionspapier „Wohin mit der ganzen Kohle? ‑ Divestment im Gesundheitssystem“. Die Gesundheitsaktivist*innen fordern hierin ein gezieltes und transparentes Abziehen von Geldanlagen der gesundheitsverwandten Bereiche wie den Versorgungswerken sowie den gesetzlichen und privaten Krankenkassen aus klimaschädlichen und ethisch bedenklichen Wirtschaftszweigen. Mit ihren Positionen appellieren sie gezielt an die gesellschaftliche und globale Verantwortung des Gesundheitssektors als Vorbild und Orientierung in Krisen. Carlotta Conrad von der IPPNW (Ärzte in sozialer Verantwortung) stellt sich klar hinter diese Forderungen: „Jeder Euro, der in die fossile Energiewirtschaft investiert wird, befeuert die Klimakrise und ist eine Investition in die Bedrohung der Globalen Gesundheit.“

Auch die medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“ beschreibt die Klimakrise seit Jahren als „die größte Gefahr für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert“. Zudem würden durch sie soziale und globale Ungleichheiten drastisch verstärkt, so die Aktionsgruppe Gesundes Klima. Einen erheblichen Anteil hieran habe die fossile Energiewirtschaft (das heißt Kohle-, Erdöl-, Gasverstromung und so weiter) und alle Investitionen, die diese mit Kapital unterstützen. Schon 2010 seien beim Deutschen Ärzt*innentag (DÄT) ethisch geprüfte Investitionen gefordert worden. Im Hinblick auf den nächsten DÄT in einem Monat sei es nun höchste Zeit, sich geschlossen und klar zusätzlich auch für ökologisch-nachhaltige Investitionen zu positionieren. „Geld des Gesundheitssektors in fossile Energiewirtschaft anzulegen, bedeutet in belegbare Krankheitsursachen zu investieren ‑ das ist absurd und unverantwortlich“, so Health for Future Aachen.

Insgesamt handele es sich bei den genannten Anlagen um eine Summe von über 400 Milliarden Euro. Trotz mehrfacher Forderungen nach Offenlegung der Aktienanlagen und Divestment in den vergangenen Jahren, verwehre ein Großteil der Versorgungswerke die Einsicht in die Anlagekriterien. „Es ist absolut inakzeptabel, dass Ärzt*innen verpflichtet sind in Versorgungswerke einzuzahlen, ohne Auskunft über die Verwendung ihrer Gelder zu erhalten“, meint die Ärztin Marlene Hausmann aus der Gruppe KritMed Dresden und ergänzt: „In einem ökonomisierten Gesundheitssystem werden Gewinne erwirtschaftet, welche durch Investitionen in klima- und gesundheitsschädliche Unternehmen und Industrien fließen. Dies steht deutlich im Widerspruch zur ärztlichen Pflicht, sich in den Dienst der Gesundheit von Menschen zu stellen“.

Entsprechend dieser Verantwortung solle Divestment ein klares Signal an Politik, Unternehmen und Investor*innen senden: ein auf Verbrennung fossiler Energien basierendes Geschäftsmodell kann angesichts der Klimakrise keine Legitimität mehr beanspruchen. Divestment würde somit zu einem wichtigen Zeichen gegen Profitorientierung und für den Schutz von unseren Lebensgrundlagen. Jedoch weisen die Gesundheitsaktivist*innen auch auf die zunehmende Entwicklung des Gesundheitssektors selbst als Wirtschaftszweig hin. So könne niemals eine adäquate bedürfnisorientierte Gesundheitsversorgung aller Menschen geleistet werden. „Unsere Forderung nach einem klimagerechten Gesundheitssystem, muss daher mit der Forderung nach Gesundheitsgerechtigkeit und dem Hinterfragen der bestehenden Strukturen einhergehen“, erklärt hierzu Willy Mitkop der Aktionsgruppe Gesundes Klima und ergänzt: „Der Streit für Divestment, Klimagerechtigkeit und einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung in öffentlicher Hand gehören zusammen! Die Gesundheitsversorgung – als Wirtschaftszweig gedacht – kann niemals klimagerecht sein!“

Herausgeber*innen des Positionspapiers „Wohin mit der ganzen Kohle? – Divestment im Gesundheitssystem“ sind Aktionsgruppe Gesundes Klima der Kritischen Mediziner*innen Deutschland und IPPNW, Health4Future Aachen, KritMed Dresden.

Carlotta Conrad ist Vorstandsmitglied bei IPPNW – Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
Das Positionspapier „Wohin mit der ganzen Kohle? – Divestment im Gesundheitssystem“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.