Behinderte Beschäftigte geraten zunehmend unter Druck

Dass Menschen mit Behinderung im Beruf immer schlechtere Perspektiven haben, kann die IG-Metall mit einer Umfrage unter Schwerbehindertenvertretungen belegen. Die aktuelle wirtschaftliche Lage trifft Menschen mit Behinderungen und Langzeiterkrankte besonders hart; sie werden nicht nur vielfach aus Betrieben gedrängt, sondern haben es auch besonders schwer, wieder in Arbeit zu kommen. Behinderte brauchen gerade jetzt Solidarität und Sicherheit in der Arbeitswelt.

(Berlin, Frankfurt/Main, 2. Dezember 2025) Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied: „Die aktuelle wirtschaftliche Lage trifft Menschen mit Behinderungen und Langzeiterkrankte leider besonders hart; sie werden nicht nur vielfach aus Betrieben gedrängt, sondern haben es auch besonders schwer, wieder in Arbeit zu kommen. Viele Menschen mit Behinderungen sind trotz ihrer guten Qualifikationen nachweislich länger arbeitslos als Menschen ohne Behinderung.

Dieses arbeitsmarktpolitische Armutszeugnis muss die Bundesregierung antreiben, Schutzlücken zu schließen. Solange Betriebe versuchen, Beschäftigte mit Behinderungen über Aufhebungsverträge loszuwerden, umgehen Arbeitgeber vorsätzlich den besonderen Kündigungsschutz oder die vorgeschriebene Wiedereingliederung nach längeren Erkrankungen.

Der DGB fordert deshalb: Die Schwerbehindertenvertretung muss einfach bei allen personellen Entscheidungen zwingend beteiligt werden, sonst dürfen sie nicht gelten. Was für eine Kündigung ohne Information und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung gilt, muss endlich auch für Aufhebungsverträge gelten – alles darf erst mit der Begleitung wirksam werden.

Darüber hinaus braucht es für Langzeiterkrankte einen Rechtsanspruch auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement. Wer nach einer langen, schweren Erkrankung wieder arbeiten möchte, darf nicht länger mit einem Aufhebungsvertrag vom Hof geschickt werden.

Das alles fordern wir als Gewerkschaften, weil Gleichberechtigte Teilhabe an Arbeit ein Menschenrecht ist – so steht es in der UN-Behindertenrechtskonvention.

Wir streiten solange dafür, bis dieses Recht in den Betrieben endlich konsequent durchgesetzt wird.“

Erfahrungen aus den Betrieben

Dass Menschen mit Behinderung im Beruf immer schlechtere Perspektiven haben, kann die IG-Metall mit einer Umfrage belegen. In 83 Prozent der Betriebe wächst ihre Unsicherheit, in jedem vierten sogar deutlich. Das zeigt eine IG Metall-Umfrage unter rund 1000 Schwerbehindertenvertretungen (SBV) zum Welttag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember 2025. Nur 5 Prozent berichten von mehr Sicherheit.

  • Hauptursachen für geringere Perspektiven sind Stellenabbau und Umstrukturierungen in den Unternehmen (84 Prozent).
  • 44 Prozent der SBV melden, dass gezielt Arbeitsplätze behinderter Beschäftigter wegfallen.
  • Fast ein Viertel (23 Prozent) kritisiert mangelnde Integration in den Betrieb.
  • Die größten Belastungen für behinderte Beschäftigte sind körperliche Anforderungen (68 Prozent),
  • gefolgt von schlechter Arbeitsorganisation (40 Prozent) – etwa Zeitdruck, unklare Aufgaben oder monotone Tätigkeiten.

„Beschäftigte mit Behinderung gehören zu den ersten Opfern der sich zuspitzenden Krise in den Betrieben“, sagt IG Metall-Sozialvorstand Hans-Jürgen Urban. „Schwerbehinderte brauchen gerade jetzt Solidarität und Sicherheit in der Arbeitswelt.“

Beschäftigung Behinderter: Jeder zweite Betrieb drückt sich vor gesetzlicher Quote

Urban fordert einen „barrierefreien Arbeitsmarkt für alle“ und spürbare Sanktionen für Betriebe, die nicht genügend Schwerbehinderte beschäftigen. „Es reicht offensichtlich nicht, wenn sich hier Betriebe billig mit einer Ausgleichsabgabe freikaufen können. Wer gesetzliche Teilhaberechte missachtet, muss Konsequenzen spüren.“

  • Laut der IG Metall-Umfrage erfüllt nur jeder zweite Betrieb (47 Prozent) in ihrem Organisationsbereich die gesetzliche Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen.
  • Mittelgroße Unternehmen mit 100 bis 1000 Beschäftigten halten die vorgeschriebene Quote von mindestens 5 Prozent nur zu 44 Prozent ein.
  • Kleine Betriebe (bis 100 Beschäftigte) und große Unternehmen (über 1000 Beschäftigte) liegen bei 56 Prozent.

Die Online-Befragung erfolgte unter 994 Betrieben mit einer Schwerbehindertenvertretung. Befragungszeitraum war der 10. bis 23. November 2025.

Anja Piel ist Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes.