CETA entspricht weiterhin nicht den Ansprüchen an ein progressives Handelsabkommen

 

Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2022 sein Urteil zu mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das europäisch-kanadische Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) verkündet und sichergestellt, dass Entscheidungen der CETA-Ausschüsse demokratisch an die Bundesregierung und den Bundestag rückgebunden sein müssen. Der DGB erinnert daran dass die frühere Bundesregierung und die Europäische Kommission bei Vertragsabschluss versprochen hatten, etwa das Nachhaltigkeitskapitel deutlich nachzubessern, um alle Beschäftigten vor negativen Auswirkungen des Abkommens zu schützen. Das in CETA bisher enthaltene Nachhaltigkeitskapitel ist schwach, es enthält keine durchsetzbaren Rechtsmittel, um Verstöße gegen Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, gegen Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern oder bei Verstößen gegen Umweltschutzvorschriften effektiv zu ahnden.



(Berlin, 15. März 2022) Das Bundesverfassungsgericht hat heute sein Urteil zu mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das europäisch-kanadische Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) verkündet, darunter auch die von Mehr Demokratie, foodwatch und Campact initiierte Bürgerklage “Nein zu CETA”. Die Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen die vorläufige Anwendung des Freihandelsabkommens CETA waren erfolglos. Dennoch: „Das Gericht stellt sicher, dass Entscheidungen der CETA-Ausschüsse demokratisch an die Bundesregierung und den Bundestag rückgebunden sein müssen”, erklärt Roman Huber, Beschwerdeführer und Bundesvorstand von Mehr Demokratie, stellvertretend für das Bündnis. “Diese Klarstellung hätte es ohne unsere Verfassungsbeschwerde nicht gegeben.”

Das Gericht betont auch: Der deutsche Vertreter im Ministerrat hat ein Vetorecht. Eine erneute Verfassungsbeschwerde gegen die Zustimmung und vollständige Anwendung von CETA ist laut Gericht frühestens möglich, wenn das deutsche Zustimmungsgesetz bereits vorliegt, aber noch nicht in Kraft getreten ist.

Ob CETA verfassungskonform ist, sei nach der heutigen Entscheidung weiterhin offen. “Die Entscheidungist kein verfassungsrechtlicher Freibrief. Zudem sind die Schiedsgerichte, gegen die sich unser Bündnis ebenfalls gewandt hat, noch gar nicht in Kraft. Wir behalten uns vor, erneut nach Karlsruhe zu ziehen, wenn das Zustimmungsgesetz auf dem Tisch liegt”, sagt Huber.

Das Bündnis von foodwatch, Campact und Mehr Demokratie will vor allem verhindern, dass durch CETA eine neue und demokratisch unzureichend legitimierte Entscheidungsebene entsteht, die den Alltag der Bürgerinnen und Bürger in Europa beeinflusst.

Position des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): „CETA dringend nachbessern!“

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte am Dienstag in Berlin: „CETA entspricht weiterhin nicht den gewerkschaftlichen Ansprüchen an ein progressives Handelsabkommen. Das in CETA enthaltene Nachhaltigkeitskapitel ist schwach, es enthält keine durchsetzbaren Rechtsmittel, um Verstöße gegen Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, gegen Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern oder bei Verstößen gegen Umweltschutzvorschriften effektiv zu ahnden.

Die damalige Bundesregierung und die Europäische Kommission hatten uns bei Vertragsabschluss versprochen, das Nachhaltigkeitskapitel deutlich nachzubessern. Hier wurde in den letzten Jahren massiv gebremst. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, endlich Druck auf die EU-Kommission auszuüben, um den Reformprozess des Abkommens einzuleiten. Denn es gilt, alle Beschäftigten vor negativen Auswirkungen des Abkommens zu schützen.“

Am 15. Februar 2017 hat das Europäische Parlament CETA zugestimmt. Am 21. September 2017 ist CETA vorläufig in Kraft getreten. Stefan Körzell erinnert daran: „Vor sieben Jahren sind allein in Berlin 250.000 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Abkommen dieser Art zu protestieren. Denn sie verstärken das ungleiche Machtverhältnis zwischen Unternehmen und Beschäftigten. Wir brauchen Handelsabkommen, die zu einer gerechten Verteilung der Gewinne in der Gesellschaft beitragen und dabei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Umwelt schützen.“

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 15. März 2022 wurden die Klagen gegen die vorläufige Anwendung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) für erfolglos erklärt. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, nach diesem Urteil darüber zu entscheiden, ob die Ratifizierung des Abkommens eingeleitet werden soll. Sollte die Bundesregierung das CETA-Abkommen ratifizieren, würde es vollumfänglich Anwendung finden. Dazu gehörte dann auch der umstrittene Investitionsschutz, der ausländischen Investoren weitgehende Rechte einräumt. So könnten „legitime Gewinnerwartungen“ von ausländischen Unternehmen eingeklagt werden, wenn gesetzliche Regelungen, wie Schutzrechte für Beschäftigte, negative Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne haben.

Hintergrund der Verfassungsbeschwerde

Im Sommer 2016 hatten Foodwatch, Mehr Demokratie und Campact gemeinsam mit 125.000 Bürgerinnen und Bürgern eine unterstützte Verfassungsbeschwerde angestoßen, vertreten von Prof. Dr. Bernhard Kempen und Prof. Dr. Wolfgang Weiß. Ansatzpunkt waren die in CETA vorgesehenen Ausschüsse. Diese würden aus Sicht der Beschwerdeführenden den Einfluss der Parlamente schwächen, wodurch auch die Stimmen der Wählerinnen und Wähler weniger wert wären.

Die in CETA vorgesehenen, bisher aber nicht aktiven Schiedsgerichte sieht das Bündnis als Paralleljustiz, die staatliche Handlungsfreiheit einschränkt und Konzerne begünstigt. Zudem sei das bewährte Vorsorgeprinzip gefährdet, das zum Beispiel für den Gesundheits- und Verbraucherschutz eine Rolle spielt.

Im Oktober 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht drei Auflagen für die vorläufige Anwendung von CETA gemacht:

  1. Angewendet werden dürfen nur die Teile, die in die alleinige Zuständigkeit der EU fallen. Die vorläufige Anwendung des Schiedsgerichtssystems ist damit ausgeschlossen.
  2. Die CETA-Ausschüsse müssen demokratisch an die Parlamente der Mitgliedstaaten rückgebunden werden.
  3. Deutschland und andere Mitgliedstaaten müssen die vorläufige Anwendung von CETA einseitig kündigen können.

Roman Huber ist Geschäftsführender Bundesvorstand bei Mehr Demokratie e.V.

Stefan Körzell ist Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes.