Das Geld liegt für den Staat auf der Straße – so auch nach dem Urteil der Initiative für einen handlungsfähigen Staat

Von Hans-Jochen Luhmann

Die aktuelle Politik, die herrschenden Eliten haben anscheinend nicht begriffen, dass es um die Gleichbehandlung von Arm und Superreich geht. Es geht nicht lediglich um das viele Geld, das dem Staat entgeht und durch Abgaben von Ehrlichen ausgeglichen werden muss; es geht vielmehr auch darum, dass die Bevölkerung der herrschenden Schicht zu trauen vermag. Dazu muss diese liefern, auch wenn es gegen ihre vordergründigen Interessen geht.

Auch im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 hat sich eine parteiübergreifende Initiative gefunden, die die Bedingungen für gelingende Politik auf den Prüfstand gestellt und Vorschläge zur Besserung ausgearbeitet hat. Vor früheren Wahlen hatten Ähnliches die katholische Bischofskonferenz (vgl. „Reform der Reformfähigkeit“), ein Verbund der führenden privaten Stiftungen und, besonders erfolgreich, eine Bund-Länder-Kommission zur Föderalismus-Reform gemacht. Das zielte jeweils auf anstehende Koalitionsverhandlungen, die bekanntlich in einem bemerkenswert dürftigen Setting und ohne große Vorbereitung der beteiligten Personen stattfindet. Bekannt ist, dass in Ministerien und Verbänden jeweils Papiere auf dieses Ereignis hin ausgearbeitet werden. Doch sowohl die als auch das Format der Verhandlungen beziehen sich auf den Ressortzuschnitt und sind häufig interessengetrieben.

Die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“, geleitet von zwei erfahrenen ehemaligen Politikern sowie einem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts sowie einer Unternehmerin aus der Medienwelt, besetzt somit eine Lücke und vertritt ein wichtiges Anliegen mit Alleinstellungsmerkmal. Aus ähnlichen Gründen dürfte der Bundespräsident entschieden haben, die Schirmherrschaft zu übernehmen.

Im Kontext des Dauerbrenner-Themas „Der Staat braucht mehr Geld“ wird in der politischen Diskussion in Deutschland reflexartig immer nur von „Steuererhöhungen“ gesprochen – und dann gibt es auch noch Politiker, die sich dazu hinreißen lassen zu versprechen, dass es unter ihrer Mitregentschaft „keine Steuererhöhungen“ geben werde. Dem fachlich Versierten wie auch dem Stammtisch ist das Getue ein Rätsel, welches Verdacht nährt. Die politischen Protagonisten gehen offenbar von Zweierlei aus:

  • dass es neben „Steuern“ keine weiteren Formen von Abgaben gäbe, mit denen der Staat Geld einzieht;
  • dass es nur die Welt des Legalen gibt. Von Schwarzarbeit ist noch manchmal die Rede. Bei weiterem Schwarzen hingegen, wo die Bessergestellten eher in Verdacht oder Verführung geraten können, bei Steuerhinterziehung und illegalem Vermögenserwerb durch Geldwäsche, gibt es für die journalistische Berichterstattung nur Vorkommnisse im Ausland. Die werden als exotisch dargestellt.

Die regelmäßigen Berichte des Europarats lehren, dass Deutschland ein Paradies für dieserart illegale Erwerbstätigkeiten sind. Für beide Themen aber engagiert sich offenkundig kein aktiver Politiker. Warum nur ist das in Deutschland so üblich? Weshalb die Selbstzensur der Medien? Warum bückt sich keine Bundesregierung, das Geld aufzuheben beziehungsweise eintreiben zu lassen und auf Abgabenerhöhungen – oder aktuell astronomische Verschuldung – insoweit zu verzichten? Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat hat sich zu diesem Themenbereich in der Rahmung so geäußert:

… Reformen <müssen sich> mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger auseinandersetzen. …, < wir> empfehlen beispielhaft einige Maßnahmen, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Rechtsstaatlichkeit unseres Gemeinwesens stärken und die Fähigkeit des Staates belegen, seine Regeln auch durchzusetzen. ….

Um dann konkrete Vorschläge zu machen:

„Konkret schlagen wir vor:

— Die intensivere Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Sozialbetrug und Schwarzarbeit. Derzeit ist Deutschland ein für Schwerkriminelle beliebtes Ziel- und Rückzugsgebiet. Erfolge der Ermittlungsbehörden auf diesem Gebiet sind unter Gerechtigkeitsaspekten dringend nötig und bieten zudem hohe zusätzliche Beiträge in Milliardenhöhe für die Staatskasse.

— Bei Wirtschaftskriminalität und Steuerbetrug muss das Entdeckungsrisiko erhöht werden. Die zuständigen Behörden müssen im operativen Bereich durch mehr Personal, bessere Ausstattung, bessere Abstimmung und Koordination zwischen den Behörden gestärkt werden. Die Arbeit der Staatsanwaltschaften muss durch binnenorganisatorische Maßnahmen, wie zum Beispiel Spezialisierung, effektiver und schlagkräftiger werden. Nötig sind zum Beispiel:

  • eine bundeseinheitliche IT-Struktur zum Austausch aller relevanten Informationen der Ermittlungsbehörden (→ Empfehlung 15);
  • die Schaffung einer zentralen Stelle auf Bundesebene zur Bekämpfung der international organisierten Steuerhinterziehung;
  • die Verpflichtung von Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in Deutschland, ihre Geschäftsunterlagen mindestens in digitaler Form auch in Deutschland aufbewahren zu müssen und nicht auf ausländischen Servern zu speichern, sodass zukünftig Strafverfolgungsbehörden an diese Daten herankommen; Abbau von Doppelstrukturen wie zum Beispiel zwischen Zoll und Bundeskriminalamt.

Da diese Empfehlungen der Initiative wegen der vorgezogenen Neuwahl zum Deutschen Bundestag nicht wie geplant vor der Wahl beziehungsweise vor dem Start der Koalitionsverhandlungen fertiggestellt waren, haben die Autoren die Gunst der Situation genutzt, ihre Vorschläge mit dem abzugleichen, was im aktuellen Koalitionsvertrag bereits aufgenommen worden ist. Zu den hier herausgegriffenen Themen liest sich der Abgleich wie folgt:

Der Koalitionsvertrag greift das von uns aufgeworfene Problem der Steuerhinterziehung und -vermeidung auf (Z. 1506 ff.). So sollen gegen Steueroasen vorgegangen, die Telefonüberwachung in schweren Fällen der bandenmäßigen Steuerhinterziehung erweitert und weitere Maßnahmen gegen Cum-Cum-Geschäfte geprüft werden.

Zur Bekämpfung der Geldwäsche sollen die Kompetenzen des Bundes im Bereich der Finanzkriminalität gebündelt und der Austausch mit den Ländern sowie internationalen Organisationen und der EU verbessert werden (Z. 1544 ff.). Ebenso wird geplant, bestehende Instrumente der Vermögenseinziehung weiterzuentwickeln (Z. 1556 f.).“

Ja, das sind dürftige Aussagen, die im ersten Absatz zeigen die Planlosigkeit, das Unsystematische. Sie wird es auch diesmal nichts werden. Die aktuelle Politik, die herrschenden Eliten haben anscheinend, wenn das der Grund denn ist, nicht begriffen, dass es um die Gleichbehandlung von Arm und Superreich geht. Es geht nicht lediglich um das viele Geld, welches dem Staat entgeht und durch die legalen Abgaben der Ehrlichen ausgeglichen werden müssen; es geht vielmehr auch darum, dass die Bevölkerung der herrschenden Schicht zu trauen vermag. Dazu muss diese liefern, auch wenn es gegen ihre vordergründigen Interessen geht.

Die abschließende Würdigung der Ankündigungen im Koalitionsvertrag seitens der Initiative lautet:

„Angesichts der Dimension der Wirtschaftskriminalität und der Milliardenverluste für den Fiskus wäre allerdings die Ankündigung konkreterer Maßnahmen im Koalitionsvertrag nötig gewesen.“ Der Verdacht, der im Raume steht, lautet: Es geht um Finanzströme, von denen die Politik selbst etwas hat. So, mit diesen Ankündigungen im Koalitionsvertrag, bestätigt man den Verdacht eher als dass man ihm widerspricht. Dementis durch Worte zählen da nicht mehr.

Dr. Hans-Jochen Luhmann ist Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.