Die Entwicklungsbank DEG wird 60: FIAN und Urgewald kritisieren Fehlentwicklungen

 

Das Investitionsvolumen der staatlichen Entwicklungsbank Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) ist allein in den vergangenen 20 Jahren um 536 Prozent gewachsen. Dieses Wachstum speist sich nicht aus öffentlichen Geldern, sondern hauptsächlich aus eigenem, „organischen“ Wachstum: Die Expansion der DEG wird mit Gewinnen aus den Zielregionen finanziert, und gewinnbringend sind besonders Finanzinvestitionen in Steuer- und Finanzparadiese, privatisierte Gesundheitssysteme oder große Bergbauvorhaben. Es stellt sich die Frage, ob dieser hohe Finanzabfluss aus ärmeren Ländern nach Deutschland entwicklungspolitisch zielführend ist – oder die Probleme in den Ländern des Südens nicht oftmals noch verschärft, so die Menschenrechts- und Umweltorganisationen FIAN und Urgewald.



(Köln, 13. September 2022) Am 14. September 2022 feiert die staatliche Entwicklungsbank Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) ihren 60. Geburtstag. Die Menschenrechts- und Umweltorganisationen FIAN und Urgewald haben in den letzten Jahren eine Reihe von DEG-Investitionen untersucht und Betroffene, die im Kontext der Finanzierungen Menschenrechtsverletzungen erfahren haben, bei Beschwerden begleitet. FIAN und Urgewald weisen seit Jahren auf Probleme der DEG-Finanzierungen hin, vor allem aus menschenrechtlicher Sicht. Dennoch fehlt es weiterhin an der nötigen Transparenz, aktuelle menschenrechtliche Standards werden ignoriert und es gibt zahlreiche Investitionen in Steueroasen. Zudem ist eine auf Wachstum getrimmte Entwicklungsbank entwicklungspolitisch fragwürdig.

Bei Finanzierungen wie etwa der Kredit der DEG in das Palmölunternehmen Feronia-PHC in der Demokratischen Republik Kongo, dessen Landerwerb in die Zeit der belgischen Kolonialherrschaft im Kongo zurückreicht, zeigte sich, dass gültige Menschenrechtsnormen auch formal bei der DEG oft keine Rolle spielen. So verweist die DEG bis heute auf die zehn Jahre alten erarbeiteten Standards der Weltbank statt auf gültige Menschenrechts-Abkommen. Die Standards der DEG ignorieren aktuelle menschenrechtliche Standards, wie die UN-Landleitlinien oder die Erklärung zu den Rechten von Kleinbäuer*innen.

2013 hatten FIAN und Urgewald zusammen mit 25 weiteren Nichtregierungsorganisationen eine Petition zur Transparenz bei der DEG an den Bundestag gerichtet. Kernanliegen war, dass man sich ein „Bild der menschenrechtlichen Praxis der DEG in ihren Projekten“ machen kann. Dies ist jedoch bis heute nicht möglich. Daher hat FIAN aktuell eine Klage zur Veröffentlichung von Umwelt- und Sozialplänen einer DEG-Investition in Paraguay bei den Verwaltungsgerichten Frankfurt und Köln eingereicht; die Klage am VG Frankfurt wird am 23. November verhandelt. „Die DEG ist trotz ihres öffentlichen Auftrags extrem intransparent. Wir sind daher gezwungen, auf dem Klageweg menschenrechtlich relevante Informationen zu erhalten“, sagt Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland.

Ein weiteres Problem sind die zahlreichen Investitionen in Steuer- und Finanzoasen. Ende 2021 hielt die DEG beispielsweise Anteile an 46 auf den Kaimaninseln registrierten Firmen, weitere 44 Firmen hatten ihren Sitz in Mauritius und 23 Firmen in Singapur. Wo und wie genau diese Finanzierungen in armen Ländern wirken, ist selbst der Bundesregierung und oftmals sogar der DEG nicht bekannt. Nur durch investigativen Journalismus wie über die Pandora Papers werden punktuell hoch problematische Finanzierungen der DEG aufgedeckt. Solche Finanzierungen staatlicher Durchführungsorganisationen konterkarieren zudem Bestrebungen der Bundesregierung, Steueroasen trockenzulegen.

Damit in Zusammenhang steht auch das rasante Wachstum der DEG: In den vergangenen 20 Jahren ist das Investitionsvolumen der DEG um gewaltige 536 Prozent gewachsen. Dieses Wachstum speist sich – anders als bei der KfW – nicht aus öffentlichen Geldern, sondern hauptsächlich aus eigenem, „organischen“ Wachstum. „Die starke Expansion der DEG wird mit Gewinnen aus den Zielregionen finanziert. Es stellt sich die Frage, ob dieser hohe Finanzabfluss aus ärmeren Ländern nach Deutschland entwicklungspolitisch zielführend ist – oder die Probleme in den Ländern des Südens nicht oftmals noch verschärft. Denn gewinnbringend sind besonders Finanzinvestitionen in Steuer- und Finanzparadiese, privatisierte Gesundheitssysteme oder große Bergbauvorhaben“, so Roman Herre, Agrarreferent der Menschenrechtsorganisation FIAN.

Die DEG wurde 1962 als „Deutsche Gesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit mbH“ in Köln gegründet. Das Kapital der DEG geht auf staatliche Einlagen und Risikoabsicherung zurück, aus dem die DEG bis Anfang der 1980er Jahre den Großteil ihrer Investitionen bestritt. Zu Beginn der 80er Jahre wurde dieser Kapitalstock in privates Vermögen der Bank transferiert und die DEG zu einem Finanzinstitut umstrukturiert. 2001 wurde die DEG in eine hundertprozentige Tochter der staatlichen KfW-Bank überführt. Heute finanziert die DEG die Privatwirtschaft mit dem Mandat, „im Rahmen der entwicklungspolitischen Grundsätze und Maßnahmen der Bundesregierung“ die Entwicklungszusammenarbeit zu fördern. Laut Satzung „verfolgt [die DEG] ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke“, weswegen sie steuerbegünstigt ist. Auch in diesem Kontext werfen der Umfang von DEG-Investitionen in Firmen, die in Steueroasen registriert sind, sowie das enorme Wachstum viele Fragen auf.

Philipp Mimkes ist Geschäftsführer von FIAN Deutschland.