Daten zur Expansion fossiler Brennstoffe in Afrika

 

Derzeit überschwemmen 200 Kohle-, Öl- und Gasunternehmen den afrikanischen Kontinent mit Energieprojekten, die den Pariser Klimazielen und dem 1,5-Grad-Limit zuwider laufen. Während die Delegierten auf dem UN-Klimagipfel in Sharm el-Sheikh verhandelten, waren allein in Ägypten 55 Unternehmen damit beschäftigt, nach neuen Öl- und Gasfeldern zu suchen; von den 45 afrikanischen Ländern, in denen die Öl- und Gasindustrie derzeit nach neuen Ressourcen sucht, sind 18 sogenannte „Frontier-Countries“, das heißt Länder wie Namibia, Uganda oder Somalia, in denen es bisher keine oder nur eine geringe Öl- oder Gasproduktion gegeben hat. Mit Stand Juli 2022 hielten mehr als 5.000 internationale institutionelle Investoren Aktien und Anleihen im Gesamtwert von 109 Milliarden US-Dollar an Unternehmen, die neue fossile Projekte in Afrika vorantreiben; auf die 23 größten Investoren entfallen 50 Prozent dieser Summe – 14 von ihnen haben ihren Hauptsitz in den USA und sechs in Europa.

(Berlin/ Sharm El Sheikh, 15. November 2022) Anlässlich des UN-Klimagipfels COP27 vom 6. bis 18. November 2022 haben urgewald, Stop EACOP, Oilwatch Africa, Africa Coal Network und 33 weitere afrikanische NGOs den Bericht „Who is Financing Fossil Fuel Expansion in Africa?“ veröffentlicht. Der Bericht identifiziert 200 Unternehmen, die in Afrika nach neuen fossilen Ressourcen suchen, diese bereits erschließen oder neue fossile Infrastruktur wie Flüssigerdgas (LNG)-Terminals, Pipelines oder Gas- und Kohlekraftwerke entwickeln. „Fossile Brennstoffe sind die Hauptursache für die Klimakrise und Afrika ist hiervon stärker betroffen als jeder andere Kontinent. Dennoch überschwemmen 200 Kohle-, Öl- und Gasunternehmen den Kontinent mit schmutzigen Energieprojekten, die mit den Pariser Klimazielen und dem 1,5-Grad-Limit völlig unvereinbar sind“, sagt Omar Elmawi, Koordinator der Stop EACOP-Kampagne und Geschäftsführer von Muslims for Human Rights. Dem neuen NGO-Bericht zufolge verfolgen diese 200 Unternehmen in 48 von insgesamt 55 afrikanischen Ländern Projekte zum Ausbau fossiler Energien.

Öl- und Gasexpansion beginnt mit der Exploration:

  • Während die Delegierten auf dem UN-Klimagipfel in Sharm el-Sheikh verhandeln, sind allein in Ägypten 55 Unternehmen damit beschäftigt, nach neuen Öl- und Gasfeldern zu suchen, darunter auch die deutsche Wintershall Dea.
  • Seit 2017 wurden in Afrika 886.000 Quadratkilometer für neue Öl- und Gasexplorationen genehmigt – eine Fläche größer als Frankreich und Italien zusammen.
  • Von den 45 afrikanischen Ländern, in denen die Öl- und Gasindustrie derzeit nach neuen Ressourcen sucht, sind 18 sogenannte „Frontier-Countries“, das heißt Länder wie Namibia, Uganda oder Somalia, in denen es bisher keine oder nur eine geringe Öl- oder Gasproduktion gegeben hat.
  • Basierend auf einer Analyse von Daten von Rystad Energy zeigt der neue Bericht, dass die Gesamtausgaben (CAPEX) für Öl- und Gasexploration in Afrika von 3,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 auf 5,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 steigen werden. Auf afrikanische Unternehmen entfällt weniger als ein Drittel dieser Summe für 2022. Der Großteil der Exploration neuer Öl- und Gasvorkommen in Afrika wird von ausländischen Unternehmen durchgeführt und finanziert. „Jeder Dollar, der für die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen ausgegeben wird, steht im Widerspruch zum 1,5°C-Pfad, den die Internationale Energieagentur 2021 vorgestellt hat“, sagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald.

Welche Unternehmen führen die Öl- und Gas-Expansion in Afrika an?

Der neue Bericht nutzt Daten der Global Oil and Gas Exit List (GOGEL) von urgewald, um zu beurteilen, welche Unternehmen vor 2030 die größte Menge an neuen Öl- und Gasressourcen in Produktion bringen wollen.

  • Mit Blick auf den afrikanischen Kontinent ist TotalEnergies hierbei führend. Der französische Ölmulti fördert bereits 25 Prozent seiner Gesamtproduktion in Afrika und plant, sein afrikanisches Produktionsportfolio um 2,27 Milliarden Barrel Öläquivalent (boe) zu erweitern. Die Förderung und Verbrennung dieser neuen Ressourcen entsprächen dem Dreifachen der jährlichen CO2-Emissionen Frankreichs.
  • Die zweit- und drittgrößten Upstream-Entwickler in Afrika sind die staatliche algerische Öl- und Gasgesellschaft Sonatrach (1,75 Milliarden boe) und der italienische Ölkonzern Eni (1,32 Milliarden boe).

Insgesamt planen die fast 200 im Bericht identifizierten Öl- und Gasunternehmen, neue Ressourcen von mindestesn 15,8 Milliarden boe bis 2030 in Produktion zu bringen. Diese Öl- und Gasressourcen zu fördern und zu verbrennen würde 8 Gigatonnen CO2e in die Atmosphäre freisetzen ‑ mehr als das Doppelte der jährlichen CO2-Emissionen der EU.

Afrika wird mit neuer fossiler Infrastruktur überflutet

Fossile Infrastruktur wie Pipelines und LNG-Terminals sind teuer im Bau und ihre geplante Betriebsdauer erstreckt sich über Jahrzehnte.

  • Die East African Crude Oil Pipeline (EACOP) von TotalEnergies und CNOOC wird über 5 Milliarden US-Dollar kosten und soll mindestens 20 Jahre lang betrieben werden.
  • Das Rovuma LNG-Projekt von ExxonMobil und Eni in Mosambik und das LNG-Projekt von Equinor in Tansania werden jeweils auf 30 Milliarden US-Dollar geschätzt und sollen mehr als 30 Jahre lang betrieben werden.

Diese Projekte werden die fossilen Emissionen über Jahrzehnte hinweg festschreiben und den Gastländern die Möglichkeit nehmen, sich auf eine erneuerbare Zukunft zu konzentrieren. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur würde das Erreichen eines vollständigen Zugangs zu moderner Energie in Afrika bis 2030 Investitionen in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr erfordern ‑ eine Summe, die mit den Kosten eines einzigen großen LNG-Projektes vergleichbar ist.

In Afrika entwickeln Öl- und Gasunternehmen neue LNG-Terminals mit einer Gesamtkapazität von über 87 Millionen Tonnen pro Jahr. Diese Projekte werden die bestehende LNG-Terminalkapazität in Afrika um 116 Prozent erhöhen. Zudem: Über 89 Prozent der neuen LNG-Infrastruktur wird für den Export gebaut, hauptsächlich nach Europa und Asien. „Die Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen ist ein wichtiger Treiber für neue LNG-Projekte in Afrika. Der Ansturm auf Afrikas Öl und Gas hat nichts mit der Verbesserung des Energiezugangs für Afrikaner*innen zu tun“, sagt Anabela Lemos, Direktorin von Justiça Ambiental (Friends of the Earth Mozambique).

Kohle: weder „phase-out“ noch „phase-down“

Auch wenn die Anzahl der geplanten Kohlekraftwerke in Afrika in den letzten vier Jahren geschrumpft ist, expandiert die Kohleindustrie weiter auf dem Kontinent:

  • In elf afrikanischen Ländern sind neue Kohlekraftwerke, Kohlebergwerke oder der Bau von Kohletransportinfrastruktur geplant beziehungsweise aktuell in Entwicklung.
  • Insgesamt befinden sich über 10 Gigawatt neuer Kohlekraftwerkskapazität in der Pipeline. Mehr als die Hälfte hiervon ist in Simbabwe geplant, wird aber größtenteils die Bergbauindustrie mit Strom versorgen anstatt die 47 Prozent der Bevölkerung, die noch immer keinen Zugang zu Strom haben.
  • Derzeit werden in neun afrikanischen Ländern 70 neue Kohleminen erschlossen oder bestehende erweitert. Die Länder mit den meisten Kohlebergbauprojekten sind Südafrika (49), Simbabwe (6), Botsuana (5) und Mosambik (4).

Wer finanziert den Ausbau fossiler Brennstoffe in Afrika?

„Afrika verfügt über 39 Prozent des weltweiten Potenzials für erneuerbare Energien. Doch ausländische Investoren unterstützen weiterhin eine fossile Zukunft für unseren Kontinent“, sagt Bobby Peek von der Life After Coal Campaign in Südafrika:

  • Mit Stand Juli 2022 hielten mehr als 5.000 institutionelle Investoren Aktien und Anleihen im Gesamtwert von 109 Milliarden US-Dollar an Unternehmen, die neue fossile Projekte in Afrika vorantreiben.
  • Auf die 23 größten Investoren entfallen 50 Prozent dieser Summe – 14 von ihnen haben ihren Hauptsitz in den USA und sechs in Europa. Darunter sind auch die Deutsche Bank mit der DWS und die Allianz mit den Töchtern AGI und Pimco.
  • Der größte institutionelle Investor im Bereich der fossilen Expansion in Afrika ist der US-amerikanische Investmentgigant BlackRock mit einem investierten Vermögen von über 12 Milliarden US-Dollar. Es folgen Vanguard (8,4 Milliarden USD) und der Norwegische Pensionsfonds (3,7 Milliarden USD).
  • Die Deutsche Bank mit ihrer Tochter DWS ist mit 1,2 Milliarden US-Dollar auf Platz 17 im internationalen Vergleich der Investoren und auf Platz 4 im europäischen. Hierbei sticht das Volumen der Investitionen in TotalEnergies hervor, dem größten Treiber fossiler Expansion auf dem afrikanischen Kontinent. Deutsche Bank ist international der achtgrößte und im europäischen Vergleich sogar der drittgrößte Investor in TotalEnergies in der Untersuchung.
  • Die Allianz (mit AGI und Pimco) ist mit 938 Millionen US-Dollar auf Platz 21 im internationalen und Platz 6 im europäischen Vergleich. Die Allianz-Gruppe ist zudem europaweit der zweitgrößte Investor in Kohleexpansion in Afrika.
  • Geschäftsbanken haben zwischen Januar 2019 und Juli 2022 über 98 Milliarden US-Dollar in Form von Konsortialkrediten und Underwriting an Unternehmen zur Verfügung gestellt, die neue fossile Projekte in Afrika entwickeln. Davon wurden 44 Milliarden US-Dollar in Form von Krediten und 54 Milliarden US-Dollar im Rahmen von Underwriting bereitgestellt. Die Nummer eins unter den Banken, die fossile Expansion in Afrika unterstützen, ist die Citigroup (5,6 Milliarden USD), gefolgt von JPMorgan Chase (5,1 Milliarden USD) und BNP Paribas (4,6 Milliarden USD).

Im internationalen Vergleich liegt die Deutsche Bank auf Platz 18 mit insgesamt 1,7 Milliarden US-Dollar an Krediten und Underwriting (europäischer Vergleich: Platz 9). Die Commerzbank kommt auf Platz 35 (europäischer Vergleich: Platz 15).

Beide deutschen Institute sind im europäischen Vergleich unter den Top 10 der Finanzierer von Kohleexpansion in Afrika: Deutsche Bank belegt Platz 3 und Commerzbank Platz 10. Die Deutsche Bank ist die größte Finanziererin weltweit von Glencore in der Untersuchung.

Auch bei den Ölmultis sind Deutsche Bank und Commerzbank gern gesehene Adressen: Bei ExxonMobil liegt die Deutsche Bank auf Rang 8 international, bei TotalEnergies auf Rang 9, bei BP auf Rang 10 und bei Shell auf Rang 12. Überraschend zeigt sich aber auch die Commerzbank als Finanzierer von BP in der Untersuchung: Platz 9 im internationalen Vergleich, also noch vor Deutsche Bank. Dabei ist BP unter anderem der Hauptinvestor und Projektbetreiber des umstrittenen Gasfeldes Grand Tortue Ahmedija vor der Küste Senegals und Mauretaniens, von dem 2023 Gas exportiert werden soll, unter anderem nach Wunsch von Bundeskanzler Olaf Scholz, nach Deutschland.

Mitglieder der „Net Zero Banking Alliance“

Dem neuen Bericht zufolge sind 72 Prozent der Geschäftsbanken, die fossile Expansion in Afrika unterstützen, Mitglieder der „Net Zero Banking Alliance“. „Netto-Null-Versprechen für morgen sind bedeutungslos, wenn man heute Milliarden von Dollar für den Ausbau fossiler Brennstoffe ausgibt. Finanzinstitute, die behaupten, sich für 1,5 Grad Celsius einzusetzen, müssen aufhören, Kunden zu unterstützen, die uns in Richtung 2,8 Grad Celsius treiben. Die Richtlinien von Banken und Investoren zu fossilen Energien müssen dringend verschärft werden. Das gilt auch für deutsche Institute, allen voran die Deutsche Bank mit ihrer Tochter DWS. Sie tragen einen Nachhaltigkeitsanspruch vor sich her, dem sie in keiner Weise gerecht werden, wenn sie weiterhin Unternehmen wie Total & Co. unterstützen“, sagt Heffa Schücking.

Omar Elmawi sagt im Bericht im Namen der 36 afrikanischen Mitherausgeber: „Es ist an der Zeit, dass sich Finanzinstitute von den Unternehmen zurückziehen, die das verbleibende weltweite CO2-Budget verpulvern und Afrika an die schmutzigen Energiequellen der Vergangenheit ketten. Zivilgesellschaftliche Organisationen in ganz Afrika fordern eine grüne, erneuerbare Energiezukunft, die allen Menschen Zugang zu Energie verschafft.“

Heffa Schücking ist Geschäftsführerin von urgewald.

Der Bericht „Who is Financing Fossil Fuel Expansion in Africa?“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.