Geschäftsbanken stecken tief in der Kohlefinanzierung

 

Im Jahr 2023 haben Geschäftsbanken die Kohleindustrie mit fast 136 Milliarden US-Dollar unterstützt, einem Wert nur 20 Prozent unter dem für das Jahr 2016 – dem Jahr, in dem das Klimaabkommen von Paris in Kraft trat. Von 1.433 Kohleunternehmen weltweit, deren Finanzierung die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald untersucht hat, planen 40 Prozent immer noch die Entwicklung neuer Projekte und 95 Prozent weigern sich, einen Termin für die Stilllegung ihrer Kohleanlagen festzulegen.

(Berlin/Frankfurt, 2. Mai 2024) Geschäftsbanken unterstützen acht Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen weltweit die klimaschädliche Kohleindustrie durch erhebliche Kreditvergaben sowie Underwriting-Geschäfte (also Hilfen bei der Platzierung von Wertpapieren) im energetischen Kohlesektor. Das zeigt eine Studie der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald, die sie heute zusammen mit internationalen Partnerorganisationen und zivilgesellschaftlichen Netzwerken herausgegeben hat. Aus den Daten geht hervor, dass globale Banken zwischen Januar 2021 und Dezember 2023 insgesamt 470 Milliarden US-Dollar an Unternehmen der Kohleindustrie vergeben haben.

Zur Erinnerung: Die Internationale Energieagentur (IEA) hat im Jahr 2021 ihr Szenario „Netto-Null bis 2050“ veröffentlicht und damit klargestellt, dass Energieerzeuger rasch aus Kohle aussteigen müssen. Im gleichen Jahr wurde auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow der beschleunigte Ausstieg aus Kohle beschlossen und Geschäftsbanken riefen die Net Zero Banking Alliance ins Leben. Katrin Ganswindt, Leiterin der Finanzrecherche bei urgewald, kommentiert: „Das Jahr 2021 hätte ein Wendepunkt sein müssen. Doch unsere Daten zeigen, dass die Banken seitdem Hunderte Milliarden Dollar in die Kohleindustrie gesteckt haben. Als hätte es Glasgow nie gegeben, nähren sie weiter den größten Feind unseres Klimas.“

Mehrere deutsche Banken tauchen in der Studie als Kohlefinanzierer auf:

  • Die Deutsche Bank hat im Zeitraum von 2021 bis 2023 unter den deutschen Finanzinstituten am meisten Geld für den Kohlesektor vergeben, insgesamt 1,563 Milliarden US- Dollar über Kredite und Underwriting.
  • Es folgen die Commerzbank mit 608 Millionen US-Dollar,
  • die Landesbank LBBW (455 Millionen US-Dollar),
  • die Landesbank Hessen-Thüringen (306 Millionen US-Dollar)
  • und die DZ Bank (264 Millionen US-Dollar). 

Im Gegensatz zu französischen Banken wie beispielsweise Crédit Mutuel oder Credit Agricole ist das dringend erforderliche klare Zurückfahren der Kohlefinanzierung bei den deutschen Banken nicht zu erkennen:

  • Die Deutsche Bank vergab im Jahr 2022 (knapp 400 Millionen US-Dollar) weniger Gelder als 2021 (knapp 500 Millionen US-Dollar), dann allerdings im Jahr 2023 – trotz ihrer nachgebesserten Kohlerichtlinie – wieder mehr Geld (664 Millionen US-Dollar).
  • Alle anderen vier Institute haben im Jahr 2022 mehr Geld für Kohle vergeben als 2021; im Jahr 2023 lag ihre Finanzierung dann wieder teils deutlich niedriger.

Der hohe Anteil der Deutschen Bank im Jahr 2023 liegt an einem großen Kredit für das südafrikanische Energieunternehmen Eskom. Insgesamt flossen von 2021 bis 2023 557,1 Millionen US-Dollar an Eskom. Eskom ist laut den urgewald-Recherchen ein Unternehmen mit 90 Prozent Kohleanteil an der Stromproduktion, es generiert über 80 Prozent seiner Einkünfte aus dem Geschäft mit Kohle und plant, nach wie vor weitere Kohlekraftwerke zu bauen. Laut der erweiterten Kohlerichtlinie der Deutschen Bank liegt Eskom damit weit über allen Schwellenwerten, sodass keine Geschäfte mehr mit dem Unternehmen gemacht werden dürften. Allerdings sieht die Kohlerichtlinie der Deutschen Bank großzügige Ausnahmen für Bestandskunden wie Eskom vor. Diese müssen erst ab 2025 Transformationspläne vorlegen, wobei Unternehmen aus Nicht-OECD-Ländern erst im Jahr 2030 weniger als 30 Prozent des Umsatzes aus Kohle generieren dürfen. 

Regine Richter, Finanz-Campaignerin bei urgewald, bewertet die Ergebnisse: „Die Deutsche Bank ist ein gutes Beispiel dafür, warum großzügige Übergangszeiten und Ausnahmen in den Finanzierungsrichtlinien eine Katastrophe für das Klima sind. Solange sie gültig sind, fließt weiter ungebremst Geld an die größten Klimasünder und treibt die Klimakrise voran. Kohle ist kein Geschäft, sie ist eine Bürde für uns alle. Es ist höchste Zeit, die Schlupflöcher zu stopfen und die Kohlefinanzierung zu beenden.“

Hat sich die Kohle-Finanzierung von Geschäftsbanken seit 2016 verändert?

Die Herausgeber der Studie haben die Kohlegeschäfte von 638 Geschäftsbanken weltweit seit 2016 untersucht. Im Jahr 2023 haben Geschäftsbanken die Kohleindustrie mit fast 136 Milliarden US-Dollar unterstützt. Dieser Wert lag nur 20 Prozent unter dem für das Jahr 2016 – das Jahr, in dem das Klimaabkommen von Paris in Kraft trat. Dies entspricht bei weitem nicht dem erforderlichen Reduktionsniveau und wirft die Frage auf: Warum unterstützen die Geschäftsbanken nach wie vor in diesem Umfang den klimaschädlichen Kohlesektor?

Katrin Ganswindt, Kohle- und Divestment-Campaignerin bei urgewald, analysiert: „Von den 638 untersucht Banken haben nur etwa 140 ihre Finanzgeschäfte mit der Kohleindustrie seit 2016 deutlich reduziert. Gleichzeitig liegen 423 der untersuchten Banken immer noch in etwa auf gleichem Niveau, während 75 Banken ihre Unterstützung für den Kohlesektor sogar erhöht haben. Acht Jahre nach Inkrafttreten des Pariser Abkommens ist es höchste Zeit, dass die Öffentlichkeit erfährt, welche Banken weiterhin Wegbereiter dieser klimaschädlichen Industrie sind.“

92 Prozent der 470 Milliarden US-Dollar, welche insgesamt seit 2021 an die Kohleindustrie geflossen sind, stammen von Geschäftsbanken aus lediglich sieben Ländern : China, USA, Japan, Kanada, Indien, das Vereinigte Königreich und Indonesien. Das Gesamtbild in Europa zeigt einen Rückgang der Kohlefinanzierung um 51 Prozent, von 13,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 auf 6,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Der Druck der Öffentlichkeit und der Investoren hat viele europäische Banken dazu veranlasst, ihre Unterstützung für die Kohleindustrie zurückzufahren. Allerdings sind diese Fortschritte uneinheitlich und geschehen noch viel zu langsam. Dementsprechend warnte die Europäische Zentralbank im Januar 2024: „Gegenwärtig sind die Kreditportfolios der Banken in erheblichem Maße nicht mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens abgestimmt, was bei etwa 90 Prozent dieser Banken zu erhöhten  Übergangsrisiken führt.“

Wie wir Kohlefinanzierung beenden

Im vergangenen Jahrzehnt gab es zweimal ein starkes Momentum für den globalen Bankensektor zum Ausstieg aus der Kohle – in den Jahren 2016 (nach dem Kliamaabkommen von Paris) und 2021 (Szenario „Netto-Null bis 2050“). Dennoch ist acht Jahre nach dem Pariser Abkommen kein Trend zum Ausstieg aus der Kohlefinanzierung zu erkennen und die große Mehrheit der Banken setzt auf Business as usual. Gleichzeitig fordert das Net Zero By 2050-Szenario der Internationalen Energieagentur einen Ausstieg aus der Kohle in OECD-Ländern bis 2030 und für den Rest der Welt bis 2040. Die durchschnittliche Laufzeit eines Bankkredits oder einer Unternehmensanleihe erstreckt sich so lange, dass alle Kohlekredite und Kohle-Underwriting-Geschäfte mehrere Jahre vor den Fristen 2030 beziehungsweise 2040 eingestellt werden müssen.

Katrin Ganswindt: „Ohne ein Ende der Kohlefinanzierung ist es schwer vorstellbar, dass wir rechtzeitig aus der Kohle aussteigen können. Von den 1.433 Kohleunternehmen, deren Finanzierung wir untersucht haben, planen 40 Prozent immer noch die Entwicklung neuer Projekte und 95 Prozent weigern sich, einen Termin für die Stilllegung ihrer Kohleanlagen festzulegen.“

Katrin Ganswindt ist Kohle- und Divestment-Campaignerin bei urgewald.

Die Studie „STILL BANKING ON COAL“ ist über diesen Link einzusehen.