Internationale Studierende aus der Ukraine brauchen Perspektive auf Fortsetzung ihres Studiums in Deutschland und der EU

 

Etwa 60.000 internationale Studierende waren nach UNESCO-Angaben unmittelbar vor Beginn des Krieges an ukrainischen Hochschulen eingeschrieben. Der Krieg Putins gegen die Ukraine hat auch sie erschüttert und ihre Lebensplanung zerstört. Aus humanitären Gründen, und mit Blick auf den bereits zunehmenden Mangel an Fachkräften sowie unter Berücksichtigung entwicklungspolitischer Erwägungen, müsse allen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchteten internationalen Studierenden jetzt ausreichend Zeit zur Orientierung gegeben und die Gelegenheit eingeräumt werden, sich ohne Ausreisedruck um die Fortsetzung ihres Studiums an einer deutschen oder einer Hochschule in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu bemühen, fordern mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen.



(Berlin, Frankfurt am Main, Hannover, Mainz, Ulm, Wiesbaden, 21. März 2022) Bundes- und landesweite Studierenden- und Menschenrechtsorganisationen setzen sich dafür ein, dass alle aus der Ukraine geflohenen internationalen Studierenden ihr dort begonnenes Studium in Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union fortsetzen und beenden können. Bei Bund und Ländern mahnen sie die Herstellung von Aufenthaltssicherheit, die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten zu den Hochschulen und weitere unterstützende Maßnahmen für internationale Studierende aus der Ukraine an.

Etwa 60.000 internationale Studierende waren nach UNESCO-Angaben unmittelbar vor Beginn des Krieges an ukrainischen Hochschulen eingeschrieben. Hauptherkunftsländer waren Indien, Marokko, Aserbaidschan, Turkmenistan, Ägypten und Nigeria. Sie haben in der Ukraine studiert, weil ihnen das in ihrem Herkunftsland aufgrund der politischen Situation unmöglich war oder weil die Studiengebühren für sie unbezahlbar waren. Der Krieg Putins gegen die Ukraine hat auch sie erschüttert und ihre Lebensplanung zerstört, schreiben die Organisationen:

  • Amnesty International Deutschland,
  • Brot für die Welt,
  • Bundesverband ausländischer Studierender (BAS),
  • Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL,
  • Evangelische Studierendengemeinden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau,
  • Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz,
  • Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt,
  • Verband der Evangelischen Studierendengemeinden in Deutschland und
  • World University Service (WUS) – Deutsches Komitee e.V.

An die internationalen Studierenden wurde nicht gedacht

Ein Teil dieser internationalen Studierenden wurde zeitnah von den Herkunftsländern aus dem Kriegsgebiet evakuiert, ein Teil muss dort wegen fehlender sicherer Fluchtkorridore weiter ausharren. Andere konnten sich – obwohl vielen die Einreise massiv erschwert wurde – in die Europäische Union retten. Viele von ihnen sind schon oder werden in naher Zukunft aus dem Grenzgebiet in andere Mitgliedstaaten – auch nach Deutschland – weiterreisen, wo sie soziale Anknüpfungspunkte haben oder sich eine Perspektive zur Fortsetzung ihres Studiums erhoffen.

Die Organisationen beklagen, dass diese Personengruppe in dem EU-Ratsbeschluss vom 4. März 2022 zur vorübergehenden Schutzgewährung von aus der Ukraine vertriebenen Personen in der Europäischen Union nicht mitbedacht wurde.

  • Demgegenüber begrüßen sie, dass der Aufenthalt internationaler Studierender aus der Ukraine – wie der aller aus der Ukraine geflüchteter Personen – aufgrund der Ukraine-Aufenthalts-Übergangs-Verordnung unabhängig von der möglichen Zuerkennung des vorübergehenden Schutzes zumindest bis zum 23. Mai 2022 erlaubt ist.
  • Zudem begrüßen sie, dass diejenigen internationalen Studierenden aus der Ukraine vorübergehenden Schutz in Deutschland erhalten können, die „nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren“ können.

Aufenthalt bis zum 23. Mai ist zu kurz

Aus humanitären Gründen, und mit Blick auf den bereits zunehmenden Mangel an Fachkräften sowie unter Berücksichtigung entwicklungspolitischer Erwägungen, müsse allen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchteten internationalen Studierenden jetzt ausreichend Zeit zur Orientierung gegeben und die Gelegenheit eingeräumt werden, sich ohne Ausreisedruck um die Fortsetzung ihres Studiums an einer deutschen oder einer Hochschule in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu bemühen.

Ein – wie bisher vorgesehen – lediglich bis zum 23. Mai 2022 erlaubter Aufenthalt sei hierzu nicht ausreichend. Denn die aktuell aufwachsenden universitären Studienangebote und Programme zur Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine konzentrierten sich derzeit fast ausschließlich auf Studierende mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Hier bestehe dringender Handlungs- und Korrekturbedarf.

Bund und Länder müssen handeln

Es fehlt derzeit zudem noch am Aus- und Aufbau sowie an der Finanzierung von Beratungs- und Unterstützungsstrukturen, an die Betroffene sich in der Phase der Neuorientierung wenden und die sie kompetent begleiten können.

Vor dem Hintergrund der schwierigen Situation, in der sich die internationalen Studierenden aus der Ukraine derzeit befinden, halten die Organisationen ein zeitnahes politisches Bekenntnis der Bundesregierung zur Möglichkeit der Fortsetzung ihres in der Ukraine begonnenen Studiums in Deutschland für ebenso dringend geboten wie Maßnahmen von Bund und Ländern.

Dr. Dagmar Pruin leitet die evangelischen Hilfswerke Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe.