NGOs, DGB und Dax 40-Betriebsräte stellen sich hinter Lieferkettengesetz

 

Das deutsche Lieferkettengesetz ist kein nice-to-have und keine unnütze Bürokratie, es schützt die schwächsten Glieder in den internationalen Lieferketten vor Ausbeutung. Auf dem Arbeitgebertag am 22. Oktober 2024 sprach Bundeskanzler Olaf Scholz davon, dass das Lieferkettengesetz „weg kommt“. Direkt äußerten sich anschließend die Initiative Lieferkettengesetz dazu, die von 90 Menschenrechtsorganisationen, Umweltverbänden, Gewerkschaften, kirchlichen und entwicklungspolitischen Organisationen unterstützt wird, sowie sie internationale NGO oxfam, die sich weltweit gegen Armut, Unterdrückung und soziale Ungleichheit einsetzt und dabei mit fast 2.250 lokalen Partnerorganisationen in 79 Ländern zusammenarbeitet; eine Woche später zogen der DGB und Betriebsräte der DAX-40 Konzerne nach.

(Berlin, 28. Oktober 2024) Für eine wirksame Weiterentwicklung des deutschen Lieferkettengesetzes haben sich die Betriebsräte der Dax40-Unternehmen und die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi ausgesprochen. Anlässlich der laufenden Debatte um das Gesetz forderten sie, dessen Stärken zu erhalten und es zugleich praktikabler zu gestalten. Keinesfalls dürfe das Gesetz ausgesetzt werden.

Yasmin Fahimi sagte bei einem Treffen von Betriebsräten der DAX-40 Konzerne im Bundesministerium für Entwicklungshilfe: „Wir brauchen ein wirksames Lieferkettengesetz, das nach wie vor für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten gilt. Das Gesetz ist ein Meilenstein für den Schutz von Arbeitnehmerrechten – nicht nur in globalen Lieferketten, sondern auch direkt vor unserer Haustür. Ständige Diskussionen zur Aussetzung stiften Verwirrung und Planungsunsicherheit bei Unternehmen, die das Gesetz bereits umsetzen.“

Gleichzeitig sprach sich die DGB-Vorsitzende dafür aus, das deutsche Umsetzungsgesetz zur europäischen Lieferkettenrichtlinie bürokratiearm zu gestalten, um den administrativen Aufwand für Unternehmen zu reduzieren. Etwa sollten doppelte Berichtspflichten vermieden werden. „Wir begrüßen Maßnahmen, die zu einer praxisverträglichen Umsetzung des Lieferkettengesetzes beitragen, ohne dabei die Sorgfaltspflichten der Unternehmen zu verwässern. Ziel muss sein, verantwortungsbewusstes Handeln zu fördern und den bürokratischen Aufwand für Unternehmen auf ein sinnvolles Maß zu beschränken.“

Der DGB bleibe ein starker Befürworter von unternehmerischen Sorgfaltspflichten und setze sich für eine europarechtskonforme Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie ein.

Das deutsche Lieferkettengesetz, das seit 2023 in Kraft ist, verpflichtet Unternehmen dazu, Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren globalen Lieferketten zu übernehmen. Es fordert von Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern, Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden bei ihren Zulieferern zu analysieren, Maßnahmen zu ergreifen und zu dokumentieren. Ziel ist es, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und nachhaltige Produktionsweisen weltweit zu fördern. Bei Verstößen drohen Sanktionen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überwacht die Einhaltung der Vorschriften.

Zur Zeit wird an der Umsetzung eines europäischen Lieferkettengesetzes, der sogenannten Corporate Sustainability Due Diligence Directive, gearbeitet. Die Richtlinie wurde im Sommer 2024 verabschiedet und verpflichtet große europäische und ausländische Unternehmen EU-weit, sich für die Einhaltung definierter Umwelt- und Menschenrechtsstandards in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten einzusetzen.

Die aktuelle Debatte zum Lieferkettengesetz

Auf dem Arbeitgebertag am 22. Oktober 2024 sprach Bundeskanzler Olaf Scholz davon, dass das Lieferkettengesetz „weg kommt“. Direkt äußerten sich anschließend die Initiative Lieferkettengesetz dazu, die von 90 Menschenrechtsorganisationen, Umweltverbänden, Gewerkschaften, kirchlichen und entwicklungspolitischen Organisationen unterstützt wird, sowie sie internationale NGO oxfam, die sich weltweit gegen Armut, Unterdrückung und soziale Ungleichheit einsetzt und dabei mit fast 2.250 lokalen Partnerorganisationen in 79 Ländern zusammenarbeitet. Heike Drillisch erklärte für den Steuerungskreis der Initiative Lieferkettengesetz:

„Wir begrüßen, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr festlegen will, wie sie das Lieferkettengesetz an die neue europäische Richtlinie anpassen will. Eine Abschaffung des Gesetzes kann dies jedoch nicht bedeuten – das weiß auch der Bundeskanzler. Nach jahrelangen Verhandlungen in der EU geht es nun darum, die nötigen Änderungen für Einheitlichkeit in Europa vorzunehmen.

Mit seinen missverständlichen Aussagen stößt Kanzler Scholz nicht nur verantwortungsvolle Unternehmen vor den Kopf, sondern auch seine eigene Partei. Das BMAS unter SPD-Minister Hubertus Heil erarbeitet schließlich gerade den Gesetzentwurf für das EU-Lieferkettengesetz auf deutscher Ebene. Daher sollte der Bundeskanzler seine Äußerungen schnellstmöglich klarstellen.

Dass der Bundeskanzler mit seinen Äußerungen der Wahrnehmung Vorschub leistet, die EU sei schuld an angeblich überbordender Bürokratie, ist sehr enttäuschend. Denn richtig ist: Mit dem EU-Lieferkettengesetz droht keine weitere Bürokratie – es werden sogar die bestehenden Pflichten vereinfacht. Neue Berichtspflichten sind nicht vorgesehen.

Berichtspflichten sind durch eine andere EU-Richtlinie geregelt, die bereits in deutsches Recht hätte umgesetzt werden müssen. Sie spielen für die Nachhaltigkeit von Lieferketten eine wichtige Rolle, denn sie helfen Unternehmen, Risiken wie Kinder- und Zwangsarbeit in den Lieferketten zu erkennen und verhindern. Und die Praxis zeigt: Bei so manchem Unternehmen führt erst der Zwang zum Berichten dazu, sich ernsthaft mit den Risiken in der Lieferkette zu befassen.“

Steffen Vogel, Referent für Gerechte Lieferketten bei Oxfam, kommentierte nach der Aussgae von Olaf Scholz:

„Das Lieferkettengesetz ist kein nice-to-have und keine unnütze Bürokratie. Es schützt die schwächsten Glieder in den internationalen Lieferketten vor Ausbeutung, also zum Beispiel die Menschen, die das Essen anbauen das wir im Supermarkt kaufen. Das zeigt Oxfams Arbeit mit Bananenarbeiter*innen aus Ecuador und Costa Rica. Eine Verwässerung würde diese Fortschritte gefährden.

Wenn ein Gesetz die Möglichkeit schafft, dass Arbeiter*innen endlich gerecht bezahlt statt mit Hungerlöhnen abgespeist werden, sollte ein Bundeskanzler und SPD-Politiker dieses Gesetz verteidigen ‑ und nicht dem Störfeuer der Wirtschaftsverbände nachgeben.“

Yasmin Fahimi ist Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftbundes, DGB.