Staatsfonds zur Finanzierung der deutschen Atommülllagerung investiert in fossile Unternehmen

 

Der „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ des Bundes, verwaltet von der größten öffentlich-rechtlichen Stiftung Deutschlands, besteht seit 2017 und rühmt sich seiner grünen Anlagestrategie und ist sogar Mitglied in der von den Vereinten Nationen gegründeten Net Zero Asset Owner Alliance. Bestehende Investitionen in Öl- und Gasunternehmen rechtfertigt die Stiftung vor allem damit, man wolle „die Wirtschaft, und damit die Portfoliounternehmen, bei der Umstellung ihrer Geschäftsmodelle zur Klimaneutralität konstruktiv“ begleiten.

(Berlin, 16. Februar 2024) Ein heute von urgewald und Fossil Free Berlin veröffentlichtes Briefing offenbart, wie stark der Staatsfonds zur Finanzierung der deutschen Atommülllagerung nach letztem Stand (Stichtag 31. Dezember 2022) in fossile Unternehmen investiert hat. Der „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ des Bundes wird von der Stiftung KENFO verwaltet. Die vier deutschen Atomkraftwerksbetreiber hatten im Jahr 2017 insgesamt 24,1 Milliarden Euro bei der Stiftung eingezahlt – womit KENFO die größte öffentlich-rechtliche Stiftung Deutschlands ist.

Für die Analyse hat urgewald seine kürzlich aktualisierten Unternehmensdatenbanken für die Kohleindustrie (GCEL) sowie für die Öl- und Gasindustrie (GOGEL) mit dem KENFO-Portfolio abgeglichen. GCEL und GOGEL sind die umfangreichsten öffentlichen Datenbanken für diese Sektoren.

Zentrale Ergebnisse der Auswertung:

  • KENFO hat zum Stichtag 31.12.2022 rund 771 Millionen Euro in Aktien und Anleihen von 107 fossilen Unternehmen investiert, die in GCEL und GOGEL gelistet sind.
  • Den weitaus größten Anteil machen mit rund 723 Millionen Euro Investitionen in 98 Öl- und Gasunternehmen aus, darunter Total Energies, Shell oder BP. Mit 60 Millionen Euro hat KENFO zudem in 13 Kohleunternehmen investiert.
  • Alle gefundenen Öl- und Gasunternehmen wollen ihre fossilen Geschäfte ausbauen und gefährden damit die Pariser Klimaziele – durch die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder sowie den Bau von Pipelines, LNG-Terminals oder  Gaskraftwerken.

Der KENFO rühmt sich seiner grünen Anlagestrategie und ist Mitglied in der von den Vereinten Nationen gegründeten Net Zero Asset Owner Alliance (NZAOA). Die im „Bundesanzeiger“ am Freitag, 30. Juni 2017 veröffentlichten Anlagerichtlinien des KENFO schreiben unter anderem vor, ESG-Kriterien (ESG steht für Environmental, Social and Governance) bei der Anlagestrategie einzubeziehen. Bestehende Investitionen in Öl- und Gasunternehmen rechtfertigt der KENFO vor allem damit, dass man „die Wirtschaft, und damit die Portfoliounternehmen, bei der Umstellung ihrer Geschäftsmodelle zur Klimaneutralität konstruktiv“ begleiten wolle. Diese Strategie wird als „Engagement“ bezeichnet, im Gegensatz zum „Divestment“, was den gezielten Verkauf fossiler Geldanlagen meint.

Anna Lena Samborski, Finanz-Campaignerin bei urgewald, kommentiert: „Öl- und Gasunternehmen wie TotalEnergies, Shell oder BP haben offenkundig kein Interesse daran, ihr Geschäftsmodell an eine klimagerechte Zukunft anzupassen. Die angebliche ‚Begleitung‘ solcher Unternehmen in Richtung eines klimaneutralen Geschäftsmodells funktioniert nicht. Wenn der KENFO seine grünen Ansprüche ernstnimmt, muss er sich von seinen fossilen Geldanlagen trennen. Als staatlich kontrollierte Stiftung hat KENFO Vorbildcharakter und sollte beim Klima keine Kompromisse machen.“

Wie ein konsequenter Ausschluss fossiler Geldanlagen funktionieren kann, zeigt aktuell der niederländische Pensionsfonds „Zorg & Welzjin“ (PFZW), der die Pensionsgelder für mehr als 3 Millionen Menschen aus Pflege- und Sozialberufen verwaltet. Das Fondsmanagement hat vor einer Woche verkündet, 310 Öl- und Gasunternehmen divestiert zu haben, da sie ihr Geschäft nicht an den Pariser Klimazielen ausrichteten. Unter anderen von TotalEnergies, Shell und BP hat sich der Fonds getrennt. Die Vorstandsvorsitzende Joanne Kellermann sagte: “The intensive shareholder dialogue over the past two years with the oil and gas sector on climate has made it clear to us that most fossil fuel companies are not prepared to adapt their business models to ‘Paris’.”

Mathias von Gemmingen, Campaigner bei Fossil Free Berlin, sagt: „Wenn staatliche Stellen die Klimaschäden der Fossilindustrie ignorieren und durch Finanzgeschäfte auch noch anfeuern, ist das ein politisches Versagen. Mit diesem Fehlverhalten ist die KENFO-Stiftung leider nicht alleine. Auch das Bundesinnenministerium musste zugeben, Aktien von Gas- und Ölkonzernen für eine halbe Milliarde Euro gekauft zu haben. Und die VBL (Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, d. Red.), die Betriebsrenten des öffentlichen Dienstes verwaltet, verweigert die Auskunft über ihre Kapitalanlagen sogar ganz. Vom KENFO-Management erwarten wir, dass es seine besonderen Nachhaltigkeitsversprechen auch einlöst und mit einem fossilfreien Portfolio zum Vorbild für alle staatlichen Investitionen wird.“

Anna Lena Samborski ist Finanz-Campaignerin bei urgewald.

Das urgewald-Papier „KENFO: Wie der staatliche Atomfonds den Klimawandel anheizt“ steht über diesen Link zum Download als PDF-Datei bereit.