Steuerliche Ungleichheit kultivieren: Der Socfin-Bericht

 

Der Luxemburger Agrarkonzern Socfin schöpft Gewinne aus der Rohstoffproduktion in den Herstellungsländern ab und verschiebt sie in den Schweizer Tiefsteuerkanton Freiburg. Diese Steuervermeidung geht Hand in Hand mit Profitmaximierung zu Lasten der Bevölkerung in den betroffenen Regionen in Afrika und Asien. Ein Bericht von Brot für alle und Alliance Sud aus der Schweiz sowie dem deutschen Netzwerk Steuergerechtigkeit, in dem sich auch Attac engagiert, zeigt erstmals auf, wie diese Praxis genau funktioniert.



 

(Frankfurt am Main, 22. Oktober 2021) Ein neuer Bericht von Brot für alle und der Alliance Sud aus der Schweiz sowie dem deutschen Netzwerk für Steuergerechtigkeit über die Steuerstrategie des Agrarkonzerns Socfin deckt auf, wie multinationale Unternehmen Gewinne aus Ländern in Afrika und Asien, in denen sie Rohstoffe produzieren, in Steuerparadiese wie die Schweiz verschieben können. Die Strategien mögen den OECD-Regeln entsprechen. Doch eine solche Steuervermeidung ist gleichbedeutend mit der Abschöpfung von Gewinnen auf Kosten der Menschen in den Produktionsländern.

Die Socfin-Gruppe ist ein agroindustrielles Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, das auf fast 400.000 Hektar Konzessionsfläche in Afrika und Asien Kautschuk und Palmöl produziert und damit handelt. Im Zeitraum 2014 bis 2020 erwirtschaftete die Socfin-Gruppe jährlich durchschnittlich 41 Millionen Euro Gewinn. Im Jahr 2010 siedelte Socfin die Leitung der Konzerngruppe und mehrere Tochtergesellschaften in der Schweiz an. Diese Tochtergesellschaften in der Steueroase Schweiz erwirtschaften Millionengewinne.

Der neue Bericht deckt mögliche Wege der Gewinnverschiebung auf, indem er die Finanzberichte von Socfin analysiert. Die Gewinne sind dort am höchsten, wo die Steuern am niedrigsten sind. In den afrikanischen Ländern, in denen Socfin tätig ist, schwanken die Körperschaftssteuern zwischen 25 und 33 Prozent, und die Gewinne von Socfin pro Mitarbeiter*in liegen bei nur 1.642 Euro. In der Schweiz, wo der Steuersatz weniger als 14 Prozent beträgt, liegen die Gewinne pro Mitarbeiter*in bei 116.000 Euro.

Weltweit werden jährlich etwa 80 Milliarden Euro an Gewinnen aus Entwicklungsländern in Niedrigsteuerländer wie die Schweiz verschoben. Gewinnverschiebung und Steuervermeidung sind zwar nicht unbedingt illegal, wirken aber den Bemühungen um globale Gerechtigkeit entgegen und schränken den steuerlichen Spielraum von Staaten zur Erfüllung ihrer Menschenrechtsverpflichtungen ein. Laut Paul Larry George, dem Vorsitzenden der Alliance for Rural Democracy in Liberia, wo Socfin tätig ist, „ist es wichtig zu wissen, dass Liberia nicht den maximalen Nutzen aus der Förderung seiner natürlichen Ressourcen zieht. Steuervermeidung ist Teil des Problems und trägt dazu bei, dass das Land arm bleibt, vor allem dort, wo die Unternehmensstrukturen hauptsächlich darauf ausgerichtet sind, von günstigen Steuerregelungen in anderen Ländern zu profitieren.“

In den drei Ländern, in denen Socfin tätig ist und die in dem Bericht untersucht werden – Liberia, Sierra Leone und Kambodscha – senken die Plantagenmanager*innen offensichtlich die Kosten, wo immer es möglich ist: Sie zahlen nur sehr wenig für das Land, das sie pachten, für die Bäume, die sie fällen, für die Arbeiter*innen, die sie einstellen, für die Maßnahmen zur sozialen Verantwortung der Unternehmen, die sie versprechen. Ein großer Teil der auf diese Weise erwirtschafteten Gewinne landet in der Schweiz, wie die Studie zeigt. Umso dringlicher ist es, dass Socfin auf die Forderungen der lokalen Gemeinschaften eingeht, etwa umstrittenes Land zurückzugeben, die Umwelt zu respektieren, sicherzustellen, dass allen Arbeiter*innen auf den Plantagen existenzsichernde Löhne gezahlt werden, und alle Rechtsverletzungen zu beenden.

Steuergesetze auf der ganzen Welt ermöglichen es Unternehmen, Gewinne dorthin zu verlagern, wo die Steuern am niedrigsten sind. Die Schweiz muss ihre besonderen Steuervorschriften ändern, die für multinationale Unternehmen wie Socfin einen Anreiz zur Gewinnverlagerung darstellen. Außerdem sollten alle Regierungen zu einem System übergehen, bei dem die Gewinne in den Ländern besteuert werden, in denen die Arbeitnehmer*innen sie erwirtschaften.

In einer internationalen Erklärung fordern mehr als 25 Organisationen aus Afrika, Asien und Europa, darunter Attac, ihre Regierungen auf, dieser Steuervermeidung einen Riegel vorzuschieben und Gewinne in den Ländern zu besteuern, in denen die Arbeitnehmer*innen sie erwirtschaften. Die Unterzeichner*innen sind:

  • Alliance for Rural Democracy, Liberia
  • Alliance Sud, Schweiz
  • Association Française d’Amitié et de Solidarité avec les Peuples d’Afrique (AFASPA), Frankreich
  • Attac Deutschland, Deutschland
  • Brot für alle, Schweiz
  • Community Forest Watch, Nigeria
  • Creatives for Justice, Schweiz
  • FIAN Belgium, Belgien
  • GRAIN
  • Green Advocates International, Liberia
  • Green Scenery, Sierra Leone
  • Jeunes Volontaires pour l’Environnement (JVE), Elfenbeinküste
  • JUSTICITIZ, Liberia
  • Malen Land Owners and Users Association (Maloa), Sierra Leone
  • Milieudefensie, Niederlande
  • Natural Resource Women’s Plattform, Liberia
  • Netzwerk Steuergerechtigkeit, Deutschland
  • Rainforest Rescue, Deutschland
  • ReAct Transnational, Frankreich
  • Réseau des Acteurs du Développement Durable (RADD), Kamerun
  • Sierra Leone Network on the Right to Food (Silnorf), Sierra Leone
  • SOS Faim, Luxemburg
  • Synergie Nationale des Paysans et Riverains du Cameroun (Synaparcam), Kamerun
  • The Bunong Indigenous People Association (Bipa), Kambodscha
  • Union des Villages Déguerpir (UVD), Elfenbeinküste
  • Youth Volunteers for Environment, Ghana.
Karl-Martin Hentschel vertritt im Netzwerk Steuergerechtigkeit Attac.
Eine Zusammenfassung des Berichts „Steueroptimierung auf Kosten der Ärmsten“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.