Union-Busting privater Gesundheits- und Pflegekonzerne und gewerkschaftliche Gegenwehr

 

Der Einfluss von branchenfremden Finanzinvestoren verschärft den Widerspruch zwischen dem Interesse an einem bedarfsgerechten Gesundheitssystem von Beschäftigten, Patient*innen sowie Pflegebedürftigen und den Zuständen im Pflege- und Gesundheitssektor weiter. Ein neuer Trend besteht in der steigenden Zahl von Übernahmen von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen durch Private-Equity-Gesellschaften, wie eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung deutlich macht. Private Klinikketten und Pflegekonzerne betrachten gewerkschaftliche Mitbestimmung, Tarifverträge, gute Löhne und Arbeitsbedingungen als Wettbewerbsnachteil, was in vielen Fällen Tarifflucht und Lohndumping zur Folge hat.



 

(Berlin, 3. März 2021) Gesundheit wird zunehmend zur Ware und insbesondere ältere, chronisch kranke und einkommensschwache Menschen bleiben, wie die Corona-Krise noch einmal gezeigt hat, auf der Strecke. Diese Prozesse sind bei Weitem nichts Neues, doch die kapitalistische Landnahme im Pflege- und Gesundheitssektor nimmt neue Formen an. Der Einfluss von branchenfremden Finanzinvestoren in diesen Privatkonzernen verschärft den Widerspruch zwischen dem Interesse an einem bedarfsgerechten Gesundheitssystem von Beschäftigten, Patient*innen sowie Pflegebedürftigen und den Zuständen im Pflege- und Gesundheitssektor weiter.

Die Studie „Unsere Gesundheit, ihr Profit? Fallstudien zu Union-Busting privater Gesundheits- und Pflegekonzerne und gewerkschaftlicher Gegenwehr“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung (verfasst von Lucy Redler) macht deutlich, dass multinationale Konzerne unter anderem verstärkt auf Fusionen und Übernahmen (Marktkonzentration), eine Ausweitung des Angebots (Diversifizierung) und internationale Expansion setzen, um Gewinne zu maximieren. Ein neuer Trend besteht in der steigenden Zahl von Übernahmen von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen durch Private-Equity-Gesellschaften, die ein in der Studie zitierter Experte als «Speerspitze des Finanzmarktkapitalismus» bezeichnet.

Private Klinikketten und Pflegekonzerne betrachten gewerkschaftliche Mitbestimmung, Tarifverträge, gute Löhne und Arbeitsbedingungen als Wettbewerbsnachteil, was in vielen Fällen Tarifflucht und Lohndumping zur Folge hat. Die Beschäftigten sind (wie im gesamten Gesundheits- und Pflegebereich) mehrheitlich weiblich, darunter viele Migrant*innen, etliche arbeiten Teilzeit und der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist oftmals niedrig. Wie schon vor der der Corona-Krise sichtbar war, führt der Personalmangel zu Stress unter Beschäftigten sowie gesundheitlichen Problemen und Komplikationen für Patient*innen und Bewohner*innen von Pflegeheimen. Die Fluktuation unter den Beschäftigten ist aufgrund der harten Arbeitsbedingungen und unzureichenden Wertschätzung hoch. Mangelnde Transparenz der Konzernstrukturen und Zuständigkeiten erschwert zusätzlich die Durchsetzung kollektiver Tarifverträge und Standards.

Die von Konzernvertreter*innen und Politiker*innen oftmals als Ziel ausgegebene Aufwertung von Pflegeund Gesundheitsarbeit bleibt weiterhin aus. Wie die Studie belegt, sind Strategien zur Gewerkschaftsvermeidung oder sogar Union-Busting (Gewerkschaftsbekämpfung) in diesen Unternehmen keine Ausnahme, sondern oftmals Teil des Geschäftsmodells. Wie weit die Konzerne dabei gehen können, hängt von der Stärke der Gewerkschaften vor Ort, gesetzlichen Rahmenbedingungen und den Geschäftsstrategien der Konzerne ab. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass es kein Zufall ist, dass von Private-Equity-Gesellschaften dominierte Unternehmen oftmals auf Union-Busting setzen, nicht zuletzt deswegen, weil diese früher oder später das Unternehmen profitträchtig weiterverkaufen wollen. Aber auch internationale börsennotierte Aktiengesellschaften im Gesundheitsund Pflegesektor arbeiten mit Einschüchterungen von Gewerkschaftsaktiven, drohen mit Entlassungen, bestechen oder überwachen in manchen Fällen sogar ihre Beschäftigten. Das Ziel ist, betriebliche Interessenvertretungen und Gewerkschaften in ihren Konzernen zu vermeiden oder die Wirksamkeit tarifvertraglicher Vereinbarungen zu begrenzen.

Dies wirkt sich nicht nur auf die Beschäftigten in den jeweiligen Firmen aus, sondern auch auf die Arbeitsbedingungen und Löhne im öffentlichen Dienst. Aufgrund höherer Tarifbindung haben deutsche, italienische oder belgische Gewerkschaften gegenüber ihren Kolleg*innen in Zentral- und Osteuropa, den USA oder in Ländern im globalen Süden in der Regel eine bessere Ausgangslage. In Ländern wie Polen oder im globalen Süden stellt die Ankunft solcher Unternehmen die oftmals jungen Gewerkschaften, die schon mit der Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten zu kämpfen haben, vor Herausforderungen, die mit eigenen Ressourcen und Mitteln häufig nicht zu bewältigen sind.

Die Studie „Unsere Gesundheit, ihr Profit? Fallstudien zu Union-Busting privater Gesundheits- und Pflegekonzerne und gewerkschaftlicher Gegenwehr“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.