Wie Finanzinvestor*innen Profit mit Arztpraxen machen

 

Eine Studie von Finanzwende Recherche zeigt auf, mit welchen Mitteln Finanzfirmen aufgekaufte Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren auf Profit trimmen: Häufig verschieben sie Schulden auf die übernommenen Einheiten, nehmen weitere Kredite für Zukäufe auf, verlagern Gewinne in Schattenfinanzzentren und kassieren für Kredite an die Praxen hohe Zinsen, mitunter im zweistelligen Bereich. Damit entziehe Private Equity dem Gesundheitssystem viele Gelder und drohe die Qualität sowie Versorgungssicherheit zu gefährden, warnt Finanzwende. Die Anzahl der Käufe von Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren durch Private-Equity-Firmen stieg zwischen 2011 und 2021 von acht pro Jahr auf 140 pro Jahr.

(Berlin, 16. Mai 2023) Die Anzahl der Käufe von Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren durch Private-Equity-Firmen wächst rasant. Sie stieg zwischen 2011 und 2021 von acht pro Jahr auf 140 pro Jahr. Dabei kann es sich bei einem Kauf bereits um die Übernahme eines Konzerns handeln, der mehrere Praxen hält. Eine Fallstudie von Finanzwende Recherche zeigt nun, mit welchen Mitteln die Finanzfirmen anschließend alles auf Profit trimmen: Häufig verschieben sie etwa Schulden auf die übernommenen Einheiten, nehmen weitere Kredite für Zukäufe auf, verlagern Gewinne in Schattenfinanzzentren und kassieren für Kredite an die Praxen hohe Zinsen, mitunter im zweistelligen Bereich. In der Region Kiel bilden sich durch die Bündelung von Praxen in einem Konzern bereits monopolartige Strukturen. Damit entziehe Private Equity dem Gesundheitssystem viele Gelder und drohe die Qualität sowie Versorgungssicherheit zu gefährden, warnt Finanzwende.

„Mit dem Versprechen auf zweistellige Renditen maximieren Private-Equity-Firmen die Gewinne. Das Wohlergehen der Menschen droht hinter das Streben nach Gewinnen zu rücken“, kommentiert Gerhard Schick, Geschäftsführer von Finanzwende Recherche, die Ergebnisse der Studie. In den untersuchten Beispielen hatten Arztpraxen-Konzerne in drei von fünf Fällen sowohl Eigenkapitalquoten von unter fünf Prozent der Bilanzsumme als auch Zinsaufwendungen von mehr als zehn Prozent des Umsatzes. „Dies stellt angesichts der steigenden Zinsen ein Risiko für die Tragfähigkeit der Unternehmen dar. Die Strategien von Private-Equity-Firmen drohen, die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu gefährden“, erklärt Gerhard Schick. Oft gehe es bei den Investitionen nicht darum, nachhaltige Unternehmensstrukturen zu schaffen. An einem langfristigen Engagement seien die Finanzinvestor*innen in der Regel nicht interessiert, was sich an der kurzen durchschnittlichen Haltedauer zeige.

Wie groß der Gewinn mit Arztpraxen sein kann, zeigt ein Beispiel: Das Unternehmen Palamon Capital Partners gibt an, mit dem Auf- und Verkauf des Augenarztpraxen-Unternehmens Ober Scharrer eine jährliche Rendite von 21 Prozent eingefahren zu haben. Angesichts solcher Geschäftsmodelle sei es kein Wunder, so Finanzwende, wenn Operationen dann vor allem als Werttreiber und Steuerungsgröße gesehen werden – mit entsprechenden Folgen für die Patient*innen.

Das Thema ist mittlerweile auch in der Politik angekommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant, mit einem Gesetzentwurf gegen Finanzinvestor*innen in der medizinischen Versorgung vorzugehen. Einige Bundesländer drängten jüngst im Bundesrat auf Fortschritte in der Sache. Und auch beim Deutschen Ärztetag, der am heutigen 16. Mai in Essen beginnt, wird das Thema wohl heiß diskutiert.

  • In der Studie macht Finanzwende Recherche Lösungsvorschläge, wie die Politik der zunehmenden Macht von Private Equity entgegenwirken könnte:
  • Schärfere Auflagen für Praxis-Zukäufe: Dies könnte zum Beispiel eine Beschränkung der Anzahl der Arztsitze sein, die von einem einzelnen Konzern betrieben werden dürfen.
  • Transparenz über Eigentumsstrukturen: Einführung eines verpflichtenden Registers, das die Eigentumsstruktur der einzelnen Praxen inklusive der umliegenden Strukturen offenlegt.
  • Strengere Regeln für Private-Equity-Übernahmen, um langfristige Schäden zu vermeiden: Dazu gehört eine längere Haftungsübernahme durch die Unternehmen sowie eine Begrenzung der Kreditaufnahme der Praxen-Konzerne, damit sich diese nicht übermäßig verschulden.

Es wird sich in den kommenden Wochen zeigen, inwiefern diese Vorschläge bei der Bundesregierung Gehör finden.

Gerhard Schick ist Geschäftsführer von Finanzwende Recherche.

Die Studie „Profite vor Patientenwohl – Private-Equity-Beteiligungen an Arztpraxen in Deutschland“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.