Ab dem 21. Januar 2021 sind Atomwaffen völkerrechtlich geächtet

 

Am 24. Oktober 2020 New Yorker Zeit hat Honduras als 50. Staat den UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen ratifiziert: Damit wird das Inkrafttreten des UN-Atomwaffenverbots binnen 90 Tagen augelöst. Mit Javier Solana und Willy Claes haben gleich zwei ehemalige NATO-Generalsekretäre in einem offenen Brief klargestellt, dass der Vertrag und das Verteidigungsbündnis durchaus kompatibel sind. Die USA hingegen drängen jene Länder, die den UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen ratifiziert haben, ihre Unterstützung wieder zurückzuziehen.

(Berlin, 25. Oktober 2020) Am 24. Oktober New Yorker Zeit hat Honduras als 50. Staat den UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen ratifiziert. Kurz zuvor sind Jamaica und die Republik Nauru beigetreten. Damit wird das Inkrafttreten des UN-Atomwaffenverbots binnen 90 Tagen augelöst. Für die Mitwirkung an dem Vertrag wurde ICAN 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

“Ab dem 21. Januar 2021 sind Atomwaffen völkerrechtlich geächtet. Ein historischer Moment für einen Jahrzehnte alten Kampf. Während die Großmächte Verträge aufkündigen, hat die stille Mehrheit der Staaten die letzten Massenvernichtungswaffen verboten, und damit eine Ambition realisiert, die die Menschen weltweit teilen”, kommentiert Leo Hoffmann-Axthelm, Vorstand von ICAN Deutschland. Die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Inkrafttretens auf Deutschland und die NATO hat die deutsche Sektion von ICAN in einem am 25. Oktober 2020 veröffentlichten Briefing Paper zusammengefasst.

Leo Hoffmann Axthelm KLeo Hoffmann-Axthelm ist Mitglied im Vorstand bei ICAN Deutschland.
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Bisher hat auch die Bundesregierung das Verbot von Atomwaffen mit Verweis auf die NATO-Mitgliedschaft abgelehnt. Mit Javier Solana und Willy Claes haben gleich zwei ehemalige NATO-Generalsekretäre in einem Offenen Brief klargestellt, dass der Vertrag und das Verteidigungsbündnis durchaus kompatibel sind. Über 55 ehemalige Außen- und Verteidigungsminister aus 20 NATO-Staaten nennen den Vertrag einen “Hoffnungsschimmer in einer dunklen Zeit”, und rufen alle Staaten der Allianz zu seiner Unterzeichnung auf.

“Der Verbotsvertrag zeigt bereits seine Wirkung. 170 Bundestagsabgeordnete, 16 von 16 Landeshauptstädte und vier Bundesländer haben die Bundesregierung zur Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbots aufgerufen, ebenso wie über 90 Prozent der Bevölkerung. Anstatt sich hinter der NATO zu verstecken, sollte die Bundesregierung mit ihren Bündnispartnern einen Ausstieg von der nukleare Abschreckung aushandeln”, so Hoffmann-Axthelm weiter.

Mit dem Inkrafttreten werden Atomwaffen völkerrechtlich auf den gleichen Status gestellt wie die übrigen Massenvernichtungswaffen, die in der Biowaffen- und Chemiewaffenkonvention 1971 beziehungsweise 1993 geächtet wurden. Damit steigt der Druck auf die neun nuklear bewaffneten Staaten, neue Anstrengungen zur Abrüstung zu unternehmen. Dazu gehören auch Zusagen, die Zahl und Rolle der aktuell über 13.000 Atomwaffen zügig zu reduzieren.

Auch die ärztliche Friedensorganisation IPPNW begrüßt die 50. Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrages und fordert die deutsche Bundesregierung auf, dem UN-Vertrag nun beizutreten. Die Bundesregierung solle die US-Atomwaffen abziehen lassen und sich nicht länger an Atomkriegsübungen beteiligen.

„Dieser Vertrag ist kein Vertrag der großen Staatsmänner und -frauen. Es ist ein Vertrag der kleinen Leute und von unzähligen Friedensbewegten, die sich an so vielen Orten der Welt unter schwierigen Bedingungen gegen die globale Bedrohung eines Atomwaffeneinsatzes engagieren. Sie hatten die Idee zu diesem Vertrag und haben dies in der Internationalen ICAN-Kampagne letztlich „von unten“ durchgesetzt. Die Doktrin der nuklearen Abschreckung ist eine trügerische Ideologie, die unser aller Leben gefährdet. Sie ist nicht nur zutiefst unmoralisch und unethisch, sie ist künftig auch illegal und völkerrechtswidrig“, so Dr. Lars Pohlmeier, IPPNW-Vorstandsmitglied.

Lars PohlmeierDr. Lars Pohlmeier ist Mitglied im Vorstand bei IPPNW Deutschland.
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Derweil drängen die USA diejenigen Länder, die den UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen ratifiziert haben, ihre Unterstützung zurückzuziehen. „Obwohl wir Ihr souveränes Recht anerkennen, den Vertrag über das Verbot von Atomwaffen zu ratifizieren oder ihm beizutreten, glauben wir, dass Sie einen strategischen Fehler gemacht haben und sollten Ihre Ratifizierungs- oder Beitrittsurkunde zurückziehen“, heißt es in dem US-Brief an die Unterzeichnerstaaten. Neun Atomwaffenstaaten, 30 atomar abhängige NATO-Staaten – darunter Deutschland ‑ sowie Australien, Japan und Südkorea weigern sich, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten. Ihre strikte Ablehnung des Atomwaffenverbots und der Druck, den sie auf andere Staaten ausüben, zeigt, dass der Vertrag wirkt. Er stigmatisiert Atomwaffen und stellt die Atomwaffenstaaten auf die falsche Seite der Geschichte. Der größte Vermögensfonds der Welt, große Banken und Pensionsfonds haben sich bereits von Unternehmen getrennt, die Atomwaffen herstellen.

Dies ist umso drängender, da die Gefahr eines Atomkrieges wächst. Die Zeiger der Atomkriegsuhr stehen auf 100 Sekunden vor Mitternacht. Alle neun Atomwaffenstaaten modernisieren ihre Arsenale mit neuen, präziseren und „einsetzbareren“ Waffen, Rüstungsabkommen wie der INF-Vertrag wurden aufgekündigt. Sollte die Regierung Trump das New-START-Abkommen auslaufen lassen, wird es ab dem 5. Februar 2021 erstmalig seit 1972 keine vertraglichen Beschränkungen mehr für russische und amerikanische Atomwaffen geben. In einer Welt, die mit multiplen Krisen konfrontiert ist, nehmen bewaffnete Konflikte zu, die eine nukleare Eskalation auslösen können.

„Das baldige Inkrafttreten des Vertrages ist ein historischer Erfolg, ein wesentlicher Schritt zur Abschaffung der Atomwaffen und ein enormer Gewinn für die Gesundheit unseres Planeten“, so Pohlmeier abschließend.

20 10 23 AVV Inkrafttreten 1Das ICAN Briefing Paper über die Auswirkungen und den Hintergrund des Atomwaffenverbotsvertrags steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.
NATO Aussenminister Brief DE 2 TDer Offene Brief von internationalen führenden Politikern zum Atomwaffenverbot steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.