Die katastrophalen Folgen der Atomtests

 

Der radioaktive Fallout der Atwomaffentests verteilte sich über den gesamten Planeten, doch ethnische Minderheiten tragen durch Trinkwasser- und Lebensmittelverseuchung mit äußerlicher und innerer Strahlenbelastung die Hauptlast der Testfolgen. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) fordert, Deutschland solle den UN-Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren: Er regelt außer dem konsequenten Atomwaffenverbot auch die Unterstützung von Atomwaffenüberlebenden sowie Hilfe für andere Staaten bei der Umweltsanierung der durch Atomtests zerstörten Gebiete; schon vor der Vertragsunterzeichnung könne die Bundesregierung aktiv Hilfe leisten, zum Beispiel für Betroffene aus dem Uranbergbau in Thüringen und Sachsen.

(Berlin, 28. August 2023) Die deutsche Sektion der International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW), Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V., gibt einen aktuellen Report zu den katastrophalen Folgen von Atomwaffentests heraus. Der Bericht sammelt Texte über die Auswirkungen von Atomtests in den wichtigsten Testgebieten und geben einen Überblick über das Ausmaß für Mensch und Umwelt. Die IPPNW fordert die Bundesregierung auf, sich für die Unterstützung und Entschädigung der Überlebenden der weltweit über 2.000 Atomtests einzusetzen, wie es in dem seit dem 22. Januar 2021 völkerrechtlich in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag vereinbart ist.

„Die verheerenden Folgen der Atomwaffentests für Mensch und Umwelt zeigen, dass das Atomzeitalter keineswegs ein Zeitalter des Friedens ist. Das radioaktive Erbe der Tests wird für viele tausend Jahre eine ständige Bedrohung für das Leben und die Gesundheit unserer und künftiger Generationen bleiben“, so die IPPNW-Ärztinnen Inga Blum und Angelika Claußen.

Ethnische Minderheiten tragen durch Trinkwasser- und Lebensmittelverseuchung mit äußerlicher und innerer Strahlenbelastung die Hauptlast der Testfolgen

Der radioaktive Fallout der Atwomaffentests verteilte sich über den gesamten Planeten, doch die Auswirkungen in den Einsatz- und Testgebieten der Atomwaffen sind besonders gravierend:

  • Auf den Atollen Bikini und Eniwetok im Pazifik führten die USA zwischen 1946 und 1962 106 Atombombenversuche durch. Der verheerendste Test war 1954 „Castle Bravo“. Mit 15 Megatonnen hatte diese Wasserstoffbombe die höchste Sprengkraft, die das US-Atomwaffenprogramm jemals erreichte, 1.000-mal stärker als die Hiroshimabombe. Erst im Jahr 1963 untersagte der „Vertrag über das Verbot von Atomwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser“ überirdische Atomtests.
  • Nicht nur auf den Marshallinseln, auch in anderen Regionen der Welt wurde getestet, meist in Kolonien, ehemaligen Kolonien oder in den Gebieten ethnischer Minderheiten. Oberirdische Tests wurden in Semipalatinsk (Kasachstan), auf traditionellem Land der Westlichen Shoshone in Nevada (USA), auf dem Land der Aborigines im australischen Outback, auf dem Land der indigenen Nenetz in der russischen Arktis, auf dem Gebiet von Nomaden in der algerischen Sahara oder in der Region der Uiguren in China durchgeführt. Die Bewohner*innen wurden oft verspätet oder gar nicht evakuiert und nicht über die Auswirkungen der Tests informiert.

Radioaktiver Niederschlag fiel als Staub und Regen herab und verseuchte das Trinkwasser und lokal erzeugte Lebensmittel. Dadurch kam es zu äußerlicher und zu innerer Strahlenbelastung. Viele erkrankten und starben an Krebs und anderen strahlenbedingten Krankheiten, auch an akuter Strahlenkrankheit. Nach Angaben der Internationalen Agentur für Krebsforschung wiesen Frauen in Französisch-Polynesien im Zeitraum 1998 bis 2002 die weltweit höchsten Raten an Schilddrüsenkrebs und myeloischer Leukämie auf, Krebsarten, die eng mit Strahlenbelastung zusammenhängen. Es kam zu Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und zu Geburten von Kindern mit angeborenen, oft schweren körperlichen Missbildungen und geistigen Behinderungen. Langfristig ist durch die in die Atmosphäre freigesetzte Radioaktivität nach Schätzungen von Makhijani und Ruff mit 2,4 Millionen zusätzlichen Krebstoten zu rechnen.

Unterirdische Atomtests führten zur Ablagerung großer Mengen Radioaktivität unter der Erde, die zum Teil erst nach Tausenden oder sogar Millionen von Jahren abgebaut sein wird. Die massiven Explosionen haben die Stabilität der umliegenden Strukturen erschüttert und die Wahrscheinlichkeit einer Freisetzung ins Grundwasser, ins Meer oder in die Atmosphäre erhöht. Der Anstieg des Meeresspiegels aufgrund der Klimakrise und die Zunahme extremer Wetterereignisse wie Wirbelstürme verschärfen das Problem.

Über Jahrzehnte war Deutschland der wichtigste Uranlieferant für das Atomwaffenprogramm der Sowjetunion und hatte zeitweise viele tausend Atombomben von NATO-Staaten und Sowjetunion auf seinem Territorium stationiert

Unter dem Leitspruch „Nuclear Survivors ‑ Gemeinsam für nukleare Gerechtigkeit“ setzt sich auch ICAN Deutschland (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) in einer neuen Kampagne gemeinsam mit Betroffenen für ein stärkeres Bewusstsein für die Auswirkungen von Atomwaffentests, Atombombenabwürfen und der Produktion von Atomwaffen ein. ICAN Deutschland betont wie die IPPNW, dass diese Tests vor allem in Teilen der Welt durchgeführt wurden, in denen marginalisierte Gemeinschaften leben, sowie in ehemaligen Kolonien. Die verheerenden Auswirkungen dieser Tests werden daher in überproportionalem Maße von Gemeinschaften oder Staaten, die selbst keine Atomwaffen besitzen, getragen. ICAN Deutschland setzt sich dafür ein, diese unverhältnismäßige Last ins Bewusstsein zu rücken und die Stimmen der Betroffenen zu stärken.

ICAN erinnert auch daran, dass Deutschland eine Mitverantwortung für die Produktion und Tests dieser Waffen trägt. „Über Jahrzehnte war Deutschland der wichtigste Uranlieferant für das Atomwaffenprogramm der Sowjetunion und hatte zeitweise viele tausend Atombomben von NATO-Staaten und Sowjetunion auf seinem Territorium stationiert. Bis heute übt die Luftwaffe im Rahmen der sogenannten ‚nuklearen Teilhabe‘ den Einsatz von US-Atombomben in Büchel“, so Johannes Oehler, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland. Er fordert von der Bundesregierung: „Deutschland soll diese Verantwortung wahrnehmen und den UN-Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren. Er regelt außer dem konsequenten Atomwaffenverbot auch die Unterstützung von Atomwaffenüberlebenden sowie Hilfe für andere Staaten bei der Umweltsanierung der durch Atomtests zerstörten Gebiete. Schon vor der Vertragsunterzeichnung kann die Bundesregierung aktiv Hilfe leisten, zum Beispiel für Betroffene aus dem Uranbergbau in Thüringen und Sachsen, aber auch in der ehemaligen deutschen Kolonie der Marshall Inseln, die von den USA für Atomwaffentests missbraucht wurde.“

Haltung der Bundesregierung

Die deutsche Bundesregierung hat sich bei der ersten Staatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages im Sommer 2022 bereit erklärt, sich für Hilfsmaßnahmen für Überlebende von Atomwaffentests und für die Sanierung kontaminierter Gebiete einsetzen zu wollen. Außenministerin Annalena Baerbock bestätigte diese Vorhaben in einer Rede am 1. August 2022 vor den UN. Die nächste Staatenkonferenz findet vom 27. November bis 1. Dezember 2023 in New York statt.

Johannes Oehler K ICAN

Johannes Oehler ist Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland.

ICAN Logo
Ippnw Report Atomwaffentests T

Der IPPNW-Report „Die katastrophalen Folgen der Atomtests – Auswirkungen auf Mensch und Umwelt“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.

Umfassende Informationen zu den Folgen der Atomwaffentests weltweit stehen auf der Webseite www.icanw.org/storytelling bereit. Weitere Informationen stehen auf der Kampagnen-Webseite www.nuclearban.de/survivors zur Verfügung.