Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine

 

(Berlin, 25. Februar 2022) Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) hat sich seit ihrer Gründung stets zu Frieden und Sicherheit bekannt und immer wieder Vorschläge für eine tragfähige Friedens- und Sicherheitsordnung erarbeitet, diskutiert und veröffentlicht. Mitglieder der VDW-Studiengruppe zu Sicherheit und Frieden haben sich in den vergangenen Monaten erneut für militärische Zurückhaltung, eine Wiederaufnahme der Rüstungskontrollgespräche und eine diplomatische Lösung vor dem Hintergrund der akuten Gefährdung von Sicherheit und Frieden in Europa eingesetzt.

Am 24. Februar 2022 hat Russland unprovoziert und unlegitimiert, auch vom Territorium Weißrusslands und von der annektierten Krim aus, die Ukraine militärisch angegriffen. Dies ist ein völkerrechtswidriger Angriff auf einen souveränen Staat, der in brutaler Weise das Gewaltverbot der UN-Charta (Art. 2 Abs.4) verletzt und sogar während einer laufenden Sitzung des UN-Sicherheitsrats in den frühen Morgenstunden am 24. Februar 2022 erfolgte. Wir verurteilen die russische Aggression auf das Schärfste. Der Angriff unterminiert das notwendige Vertrauen, die europäische Sicherheitsordnung neu ausrichten zu können. Er verdeutlicht eine schwere Missachtung der internationalen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg und verletzt damit verbundene, von Russland eingegangene Verpflichtungen zum Gewaltverzicht und zur Respektierung bestehender Grenzen. Dies gefährdet den Frieden und die Stabilität in Europa und in der Welt auf dramatische Weise. Die Versuche zur Rechtfertigung des russischen Handelns durch Präsident Putin entbehren jeder glaubwürdigen Grundlage. Noch besteht die Möglichkeit, diese umfassende Militäraktion abzubrechen und die russischen Truppen zurückzuziehen. Die weitere militärische Eskalation im gesamten Umfeld der Ukraine muss sofort gestoppt werden und es dürfen keine weiteren Verluste an unschuldigem Menschenleben in Kauf genommen werden.

Zutiefst beunruhigend ist, dass Präsident Putin den Akteuren, die sich Russland bei seinem jetzigen Vorgehen in den Weg stellen, auch mit Konsequenzen droht, die „sie vorher noch nie in ihrer gesamten Geschichte gesehen haben“, ein klarer Hinweis auf den Einsatz von Nuklearwaffen. Diese Rhetorik riskiert eine weitere Eskalation mit katastrophalem Ausgang, verletzt Prinzipien des nuklearen Nichtverbreitungsregimes und kann unabsehbare Konsequenzen haben.

Die zu erwartenden menschlichen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Folgen des gewaltsamen Vormarsches Russlands und die „Unterwerfung der Ukraine“ machen alle Beteiligten zu Verlierern, am meisten die Menschen in der Ukraine, aber auch in Russland, durch Sanktionen und weitere Aufrüstung der NATO. Dies darf aber nicht dazu führen, alle Gesprächsfäden mit Russland über Rüstungskontrolle und Abrüstung abzuschneiden. Solange die nukleare Abschreckung fortgeführt wird, muss diese mit der Bereitschaft für Dialog auch in schwierigen Zeiten verbunden bleiben, wie schon während des Kalten Krieges.

Darüber hinaus appellieren wir an die internationale Gemeinschaft alles zu tun, um in diesem Konflikt auf den Weg der Diplomatie zurückzukehren – so schwer das gegenwärtig auch vorstellbar ist. Es kommt gerade angesichts der gegenwärtigen Eskalation des Konflikts durch Russland darauf an, den politischen Raum für einen Dialog zur gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Friedensordnung, zur Erneuerung von Rüstungskontrolle und Abrüstung und zur Schaffung von robusten Konfliktlösungsmechanismen mit Hilfe der OSZE und der Vereinten Nationen offen zu halten. Die Studiengruppe der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler ist bereit, mit ihrer Expertise daran mitzuwirken.

gremien neuneck K

Prof. Dr. Götz Neuneck ist Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheits­politik (IFSH) und Mitglied des Council der „Pugwash Conferences on Science and World Affairs“ sowie Pugwash-Beauftragter der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).

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