Für konsequent friedenslogisches Handeln im Ukraine-Konflikt

 

Die AG Friedenslogik der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung sieht Möglichkeiten zur Lösung des Ukraine-Konflikts in einem konsequenten Abrücken aller Beteiligten weg von sicherheitslogischen Strategien hin zur friedenslogischen Konflikttransformation. Das würde von der NATO unter anderem verlangen, ihre Ordnungspolitik in Gesamteuropa nach 1990, die die Sowjetunion beziehungsweise Russland nicht als gleichberechtigten Akteur anerkennen wollte, als Teil der Problemlage zu begreifen. Analog müsste Russland insbesondere seine seit dem Georgienkrieg 2008 über die eigenen Grenzen ausgreifende militärische Ordnungspolitik als Beitrag zur gegenwärtigen Lage anerkennen.


NU 220221 friedenslogik

(Berlin, 17. Februar 2022) Die AG Friedenslogik der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung hat heute eine Stellungnahme zum Ukraine-Konflikt vorgelegt. Das Risiko eines militärischen Zusammenstoßes zwischen der NATO und ihrem Konkurrenten war in Europa seit der zweiten Berlin-Krise (1961) nie so groß wie zurzeit, ruft die AG in Erinnerung: „Erklärtermaßen wollen beide Seiten keinen Krieg um die Ukraine. Derzeit finden zwar pausenlos Gespräche zwischen westlichen Politikern und dem russischen wie auch dem ukrainischen Präsidenten statt. Trotz erster Entspannungssignale ist die Kriegsgefahr aber noch nicht gebannt. Eine gewaltsame Eskalation bleibt weiterhin möglich – sei es aus strategischem Kalkül oder aus Versehen. Notwendig ist ein konsequentes Abrücken aller Beteiligten weg von sicherheitslogischen Strategien hin zur friedenslogischen Konflikttransformation.“

Die friedenslogische Antwort etwa auf die Frage nach der Ursache des Problems verlange von den involvierten Akteuren, die Komplexität des zugrundeliegenden Konflikts anzunehmen und auch anzugehen. Das schließe die Anerkennung des eigenen Anteils an der Problemgenese mit ein – zumindest die Bereitschaft, die Perzeption des eigenen Handelns durch den jeweils anderen Akteur ernst zu nehmen.

  • Das würde von der NATO verlangen, ihre Ordnungspolitik in Gesamteuropa nach 1990, die die Sowjetunion beziehungsweise Russland nicht als gleichberechtigten Akteur anerkennen wollte, als Teil der Problemlage zu begreifen.
  • Analog müsste Russland insbesondere seine seit dem Georgienkrieg 2008 über die eigenen Grenzen ausgreifende militärische Ordnungspolitik als Beitrag zur gegenwärtigen Lage anerkennen.

Zur Komplexität des Geschehens gehöre auch, der Verwobenheit der Sicherheitsbedürfnisse aller anderen europäischen Staaten Rechnung zu tragen und diese in die Problembearbeitung einzubeziehen. Das gelte nicht zuletzt für die sich bedroht fühlenden Nachbarn Russlands.

Eingedenk der festgefahrenen Situation falle der erste Schritt in diesem chicken game extrem schwer, weil er den Eindruck nahelege, dem Druck des Gegenübers nachgegeben, mithin das Kräftemessen verloren zu haben. Dennoch sieht die AG Friedenslogik dazu keine vernünftige Alternative. Zur Wahrheit gehöre es auch festzustellen, dass diese Konstellation bereits das Versagen beim Aufbau einer belastbaren Friedensordnung seit 1990 widerspiegelt. Und hieran trage der Westen, der als Gewinner aus dem Kalten Krieg hervorgegangen sei, zwar nicht die Allein-, aber die Hauptverantwortung, indem er Russland die gleichberechtigte Mitwirkung an einer gesamteuropäischen Neuordnung vorenthalten habe.

Und Moskau könne den Druck aus der Situation nehmen, indem es die militärische Schlinge um die Ukraine deutlich lockere. Darauf zu warten, wäre jedoch fatal. Dazu sei die Lage viel zu explosiv.

Schließlich stellt die AG Friedenslogik fest:

„Deutschland trägt in dieser Gemengelage eine besondere Verantwortung. Es ist in seiner Verfassung auf den Frieden der Welt, die Menschenrechte und das Völkerrecht verpflichtet. Es tut daher gut daran, gegen den Druck der NATO-Partner an seiner Weigerung zur Lieferung letaler Waffen an die Ukraine festzuhalten und auch an anderen Stellschrauben der Eskalationsspirale nicht mitzudrehen. Das allein reicht aber nicht aus, um eine Umkehr zur friedenslogischen Konflikttransformation einzuläuten. Deshalb ist es richtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz mittlerweile die OSZE ins Spiel bringt.

Nun gilt es für die Bundesregierung, die OSZE auch zum entscheidenden Ort zu machen, an dem ohne Vorbedingung über die Grundarchitektur einer zur konstruktiven Konflikttransformation fähigen gesamteuropäischen Friedensordnung verhandelt wird, die Fehler der Vergangenheit korrigiert. Denn nur dann, wenn Deutschland in diesem Sinne seiner Verantwortung für den Frieden in Europa nachkommt, kann es seiner aus dem Zweiten Weltkrieg resultierenden Verpflichtungen sowohl gegenüber Russland als auch der Ukraine entsprechen. Frieden – und eine aus ihm erwachsende Sicherheit – kann es niemals gegen, sondern nur mit den jeweils anderen geben!“

Stellungnahme Für konsequent friedenslogisches Handeln Ukraine T

Die komplette Stellungnahme aus der AG Friedenslogik der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung „Für konsequent friedenslogisches Handeln im Ukraine-Konflikt“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit. Darin werden werden Sicherheitslogik und Friedenslogik in idealtypischer Weise gegenübergestellt.