RWE und EON vor Einstieg in die militärische Uran-Anreicherung?

 

Pentagon zeigt Interesse an Urenco-Uran: US-Bericht sieht Kostenvorteile für US-Militär

Der deutsch-niederländisch-britische Urananreicherer Urenco hatte letztes Jahr angekündigt, in der firmeneigenen Urananreicherungsanlage in New Mexico/USA Kapazitäten für eine Vervierfachung des bisherigen Urananreicherungsgrads von Uran 235 aufzubauen. Das US-Verteidigungsministerium hat aus Kosten- und Zeitgründen Interesse an diesem wesentlich höher angereichertem Uran bekundet, wie das das US-Magazin Physics Today in seiner Januar-Ausgabe meldet. Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände zeigen sich entsetzt; sie fordern von der Bundesregierung sowie von RWE und EON umfassende Aufklärung und den sofortigen Stopp aller Pläne zur Aufweichung der Zivilklausel bei der Urananreicherung.

(Berlin, 22. Januar 2020) Das US-Verteidigungsministerium hat aus Kosten- und Zeitgründen Interesse an wesentlich höher angereichertem Uran des auch in Gronau tätigen Urananreicherers Urenco für neue militärische Modulreaktoren bekundet. Das meldet das US-Magazin Physics Today in seiner Januar-Ausgabe unter Berufung auf einen Bericht des Pentagons von 2018.

Der deutsch-niederländisch-britische Urananreicherer Urenco hatte letztes Jahr angekündigt, in der firmeneigenen Urananreicherungsanlage in New Mexico/USA Kapazitäten für eine Vervierfachung des bisherigen Urananreicherungsgrads von etwa fünf Prozent auf bis zu 19,75 Prozent Uran 235 aufzubauen. Dem US-Verteidigungsministerium habe man laut Physics Today mitgeteilt, das sogenannte HALEU (high assay low-enriched uranium) bereits in fünf bis sieben Jahren bei Investitionskosten von rund 300–500 Millionen Euro liefern zu können. Der US-Konkurrent Centrus Energy müsste wesentlich mehr investieren und hätte eine längere Bauzeit vor sich. Urenco betreibt in Gronau/Westfalen die einzige deutsche Urananreicherungsanlage und gehört zu einem Drittel den Energiekonzernen RWE und EON. Derzeit geht rund die Hälfte des in Gronau angereicherten Urans in die USA.

Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände zeigen sich über diese Gedankenspiele des US-Verteidigungsministeriums und die anscheinende Aufgeschlossenheit des Urananreicherers Urenco entsetzt: „Bislang galt für die Urananreicherung bei Urenco in Gronau und an den Standorten in den Niederlanden, Großbritannien und den USA eine strikte Zivilklausel. Wird diese von den Aufsicht führenden Regierungen in Berlin, Den Haag und London nun aufgeweicht, indem sie behaupten, die Zivilklausel stelle kein Hindernis für die Belieferung von militärisch genutzten Reaktoren dar? Und bedeutet dies, dass RWE und EON als Anteilseigner von Urenco nunmehr auch in die militärische Urananreicherung einsteigen? Wir fordern von der Bundesregierung sowie von RWE und EON umfassende Aufklärung und den sofortigen Stopp aller Pläne zur Aufweichung der Zivilklausel bei der Urananreicherung“, erklärte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.

Atompolitische Sicherheitsbarrieren werden durchbrochen

„Urenco wird in den USA schon seit Jahren mit der Belieferung von Reaktoren in Zusammenhang gebracht, die Tritium für den Einsatz in Atomwaffen herstellen. Eine Erhöhung des Urananreicherungsgrads auf 19,75 Prozent ist ein klares Indiz dafür, dass die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Urananreicherung aufgeweicht werden. Wie kann die Bundesregierung einen derart dramatischen Kursschwenk bei Urenco billigen? Wie kam es überhaupt zu den Gesprächen mit dem Pentagon? Die aktuellen Gefahren der Urananreicherung schätze ich aus friedenspolitischer Sicht als sehr hoch ein – nicht nur im Iran, sondern auch beim Urananreicherer Urenco. Das Ende des Atomzeitalters muss jetzt beginnen. Der Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag und das Ende der zivilen Nutzung der Atomkraft gehören zusammen“, forderte Dr. Angelika Claussen von der Ärzteorganisation und Friedensnobelpreisträgerin IPPNW.

Zentrifugenfirma in Jülich und Urananreicherungsanlage Gronau beteiligt?

Auch die deutschen Standorte zur Urananreicherung und Zentrifugenherstellung werden direkt und indirekt von der Vervierfachung des Urananreicherungsgrads betroffen sein. In Jülich befindet sich bei ETC das technologische Zentrum der Zentrifugenherstellung für Urenco und die französische Partnerfirma Orano. Und von Urenco in Gronau angereichertes Uran kann womöglich in der US-Anreicherungsanlage in New Mexico ebenfalls zu HALEU weiter angereichert werden.

Die Initiativen und Verbände rufen aufgrund der sich dramatisch verschärfenden sicherheitspolitischen Entwicklung rund um die Urananreicherung auch in diesem Jahr zu einem Ostermarsch an der Urananreicherungsanlage Gronau auf. Bereits am 2. Februar findet um 14 Uhr ein Sonntagsspaziergang an der Urananreicherungsanlage Gronau statt.

Hintergrund

Urenco Ltd. gehört zu je einem Drittel dem britischen und dem niederländischen Staat. Das deutsche Drittel gehört zu gleichen Teilen RWE und EON. Die Bundesregierung beaufsichtigt Urenco zusammen mit der britischen und niederländischen Regierung in einem „Gemeinsamen Ausschuss“. Urenco verfügt über ungefähr 30 Prozent Anteil auf dem Weltmarkt für angereichertes Uran. Die deutsche Urananreicherungsanlage in Gronau ist immer noch vom Atomausstieg ausgenommen, beliefert aber zum Beispiel die hochumstrittenen Pannenreaktoren in Belgien.

ETC (Enrichment Technology Company) ist eine gemeinsame Tochter von Urenco und Orano (ex-Areva) zur Entwicklung und zum Bau von Urananreicherungs-Zentrifugen sowie ganzer Urananreicherungsanlagen. Die deutsche Niederlassung in Jülich ist für Forschung, Entwicklung und Teile der Zentrifugen-Fertigung zuständig.

AngelikaClaussenKKDr. Angelika Claußen ist Präsidentin von IPPNW Europa (International Physicians for the Prevention of Nuclear War; deutsche Sektion: IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.)
IPPNW Logo