Urananreicherer Urenco baut Kapazitäten für eine Vervierfachung des bisherigen Urananreicherungsgrads für Brennelemente auf

 

Der Urananreicherer Urenco, seine deutschen Miteigentümer RWE und EON sowie die Bundesregierung durchbrechen bei der Urananreicherung eine sicherheitspolitische Barriere. Zukünftig soll bei Urenco in New Mexico Uran 235 statt bislang maximal auf fünf Prozent auf bis zu 19,75 Prozent angereichert werden; für die Entwicklung der entsprechenden Zentrifugen würde eine zentrale Urenco-Techniktochter in Deutschland neben dem Forschungszentrum in Jülich eingesetzt werden. Bislang galt die Fünf-Prozent-Grenze bei der Urananreicherung als Beleg für die rein zivile Nutzung.


NU Urenco
 

(Berlin, 5. März 2019) Der deutsch-niederländisch-britische Urananreicherer Urenco hat angekündigt, in der firmeneigenen Urananreicherungsanlage in New Mexico/USA Kapazitäten für eine Vervierfachung des bisherigen Urananreicherungsgrads für Brennelemente aufzubauen. Zukünftig soll Uran 235 statt bislang maximal auf fünf Prozent auf bis zu 19,75 Prozent angereichert werden. Für die Entwicklung der entsprechenden Zentrifugen würde die zentrale Urenco-Techniktochter ETC neben dem Forschungszentrum in Jülich eingesetzt werden. Als mögliche Kunden führt Urenco „fortgeschrittene Reaktortypen“ sowie Forschungsreaktoren an, aber auch die von Urenco geplanten eigenen U-Batterie-Atomreaktoren. Konkretes Interesse an dem deutlich höher angereicherten Uran hat in den USA vor wenigen Wochen ausgerechnet das US-Verteidigungsministerium geäußert, das kleine mobile Reaktoren für „rapid response scenarios“ bauen möchte.

Mit der Ankündigung von Urenco setzen sich die deutschen Miteigentümer RWE und EON sowie die Aufsicht führende Bundesregierung klar für einen gefährlichen Ausbau des Atomsektors ein. Das neue Produkt „HALEU“ (high assay low-enriched uranium) kommt extrem nahe an die 20 Prozent-Grenze bei der Urananreicherung. Darüber gilt Uran als hochangereichert und prinzipiell waffenfähig.

Atompolitische Sicherheitsbarrieren werden durchbrochen

„Der Urananreicherer Urenco, seine deutschen Miteigentümer RWE und EON sowie die Bundesregierung durchbrechen bei der Urananreicherung eine sicherheitspolitische Barriere – just zu einer Zeit, wo in den USA und in Europa eine neue atomare Aufrüstung droht. Öffentlich verkünden die Bundesregierung, aber auch RWE und EON, aus der Atomenergie aussteigen zu wollen, doch nun offenbart sich der Einstieg in eine völlig neue zivil-militärische Dimension der Urananreicherung. In den USA gibt es bereits jetzt einen Wettlauf auf dem HALEU-Sektor zwischen Urenco und dem US-Konkurrenten Centrus Energy um neue Kunden,“ so Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.

„Urenco wird in den USA schon seit Jahren mit der Belieferung von Reaktoren in Zusammenhang gebracht, die Tritium für den Einsatz in Atomwaffen herstellen. Bislang galt die Fünf-Prozent-Grenze bei der Urananreicherung als Beleg für die rein zivile Nutzung – warum soll dies jetzt nicht mehr gelten? Wie kann die Bundesregierung einen derart dramatischen Kursschwenk bei Urenco billigen? Und welche Garantien gibt es, dass die neue 19,75 Prozent-Grenze in ein paar Jahren nicht auch gekippt wird, weil die Begehrlichkeiten zu groß werden? Die Gefahr der Proliferation schätze ich aus friedenspolitischer Sicht als sehr hoch ein,“ so Dr. Angelika Claußen von der Ärzteorganisation und Friedensnobelpreisträgerin Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges ‑ Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW).

Zentrifugenfirma in Jülich und Urananreicherungsanlage Gronau beteiligt?

„Auch die deutschen Standorte zur Urananreicherung und Zentrifugenherstellung werden direkt und indirekt von der Vervierfachung des Urananreicherungsgrads betroffen sein. In Jülich befindet sich bei ETC das technologische Zentrum der Zentrifugenherstellung für Urenco und die französische Partnerfirma Orano. Und von Urenco in Gronau angereichertes Uran kann in der US-Anreicherungsanlage in New Mexico dann womöglich zu HALEU weiter angereichert werden – hier werden viele der bisherigen Sicherheitsschranken durchbrochen,“ ergänzte Kerstin Rudek von der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.

AngelikaClaussenKKDr. Angelika Claußen ist Präsidentin von IPPNW Europa (International Physicians for the Prevention of Nuclear War; deutsche Sektion: IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.)
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Hintergrund

Urenco Ltd. gehört zu je einem Drittel dem britischen und dem niederländischen Staat. Das deutsche Drittel gehört zu gleichen Teilen RWE und EON. Die Bundesregierung beaufsichtigt Urenco zusammen mit der britischen und niederländischen Regierung. Urenco verfügt über ca. 30 Prozent Anteil auf dem Weltmarkt für angereichertes Uran. In Deutschland steht die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau. Sie ist immer noch vom Atomausstieg ausgenommen, beliefert aber z. B. die hochumstrittenen Pannenreaktoren in Belgien.

ETC (Enrichment Technology Company) ist eine gemeinsame Tochter von Urenco und Orano (ex-Areva) zur Entwicklung und zum Bau von Urananreicherungs-Zentrifugen sowie ganzer Urananreicherungsanlagen. Die deutsche Niederlassung in Jülich ist für Forschung, Entwicklung und Teile der Zentrifugen-Fertigung zuständig.