Trumps dritte Amtszeit. Lektionen für ein realistisches Verständnis des Rechtsstaats

 

Die Kolumne von Hans-Jochen Luhmann (Februar 2025)

Trump hat durchgesetzt, dass das Bestreiten von etablierten Rechtspositionen regelmäßig nur noch als Machtspiel wahrgenommen wird. Gesprochenes Recht wird nicht mehr absolut, als Wahrheit, genommen. Damit werden tausende von Positionen, die rechtlich valide begründet erschienen, von Trump mit einem Federstrich, mit dürren Worten in Executive Orders, bestritten – den damit „Entrechteten“ ist die aufwändige Aufgabe des Aufwärts-Kampfes im gestuften Rechtssystem zugeschoben; es ist an ihnen, zu zeigen, dass ihre Position weiterhin gilt.

1.      Die Verfassungslage

Donald Trump wird, selbstbetört von seinem überragenden Wahlsieg in 2024, nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit nicht bereits aufhören wollen. Er hat ja erst jetzt begriffen, wie professionelles disruptives Regieren, gegen das Establishment, geht – die erste Amtszeit war eher eine verschleuderte Warmlauf-Episode. Also wird er bei der Wahl im November 2028 wieder antreten wollen. Die Frage ist: Wie wird er das erreichen wollen?

Das entscheidende Hindernis scheint rechtlicher Art zu sein. Die US-Verfassung wurde nach dem II. Weltkrieg, nachdem Roosevelt in eine vierte Amtszeit gewählt worden und dann alsbald im Amt verstorben war, mit dem 22. Zusatz im überparteilichen Einvernehmen ergänzt. Der Sinn der Regelung: Die USA sollten eine Demokratie mit regelmäßigem Wechsel im Spitzenamt bleiben. Seit In-Kraft-Treten im Jahr 1951 gilt:

Niemand darf mehr als zweimal in das Amt des Präsidenten gewählt werden und niemand, der länger als zwei Jahre der Amtszeit, für die ein anderer zum Präsidenten gewählt worden war, das Amt des Präsidenten innehatte oder dessen Geschäfte wahrnahm, darf mehr als einmal in das Amt des Präsidenten gewählt werden.

Das ist eindeutig: Geht es nach Recht und Gesetz, dann endet Trumps Zeit im US-Präsidentenamt am 20. Januar 2029. Da eine Verfassungsänderung einer Zweidrittel-Mehrheit bedarf, ist die rechtlich eindeutige Situation auch in den nächsten vier Jahren unveränderbar.

Daraus schließen viele: Donald Trump kann nicht der 48. Präsident der USA werden. Das sei rechtlich ausgeschlossen. Das aber ist ein Fehlschluss. Sowohl das Funktionieren der Medien-Demokratie als auch des Rechtsstaates als Rechtsmittelstaat werden mit diesem Urteil irrig eingeschätzt beziehungsweise erst gar nicht in Rechnung gestellt.

2.      Zwischenspiel: Vorschlag einer Änderung des hinderlichen Verfassungsartikels

Dessen ungeachtet hat ein republikanisches Mitglied des Repräsentantenhauses, Andy Ogles aus Tennessee, nun einen Vorschlag zur Änderung der US-Verfassung eingebracht. Der Inhalt: Im oben angeführten Text des 22. Zusatzes soll das „mehr als zweimal“ in „mehr als dreimal“ geändert werden und das „mehr als einmal“ am Ende in „mehr als zweimal“. Damit könnte Donald Trump wie auch jeder seiner Nachfolger regelgerecht ein drittes Mal antreten.

Als Motiv für seinen Vorschlag führte Ogles an: Trump müsse die hinreichende Zeit gegeben werden, damit er seine Ziele erfüllen könne.

Der Vorschlag aber ist aussichtslos. Er dient lediglich dem Image seines Urhebers und ist somit der Erwähnung eigentlich nicht wert. Er hat aber eine Pointe. Die ist so zu beschreiben.

3.      Das Kalkül der Disruption in der Medien-Demokratie geht anders

Der Trump-Bewunderer aus Tennessee scheint nicht ins Kalkül gezogen zu haben, woraus Trump seine Unterstützung im Volk gewinnt und damit seine Wahlerfolge erzielt. Er spielt genial auf den Tasten der Medien-Demokratie. Zentral ist die ständige Provokation im Umgang mit dem, was man tut, mit dem Regelgerechten, auch mit dem Recht. Sein immer erneutes und durchaus phantasievolles Touchieren von Regeln und Tabus sichert ihm einerseits dauernde mediale Aufmerksamkeit und andererseits die Unterstützung all derer, die sich im herrschenden System mit seinen etablierten Regeln als zu kurz gekommen empfinden; aber auch die Unterstützung derjenigen, die, marxistisch geschult, durchschauen, dass das herrschende System der USA durchaus ein System zur Sicherung von Privilegien von Mitgliedern der herrschenden Klasse ist.

Auffällig und strategisch bezeichnend ist: Nach seinem Amtsantritt hat Trump umgehend einige Verfügungen erlassen, die gegen den Text der Verfassung der USA ganz offensichtlich verstoßen – im Falle der sogenannten „Birthright Citizenship“ wurde die Executive Order bereits einen Tag später gerichtlich verworfen mit der aufschlussreichen Begründung „blatantly unconstitutional. Auch der Verfassungsverstoß ist somit ein von Trump kalkuliert eingegangener Konflikt. Hinter dem Erlass von offensichtlich Rechtswidrigem steht seitens der Trumpisten ein Kalkül. Das ist kein Rechtskalkül, es ist vielmehr ein Machtkalkül in dem Herrschaftssystem mit dem Namen „Medien-Demokratie“. Dass Trump und seine Anwälte über diesen Umweg als Kollateraleffekt auch rechtlich erfolgreich sein können, ist damit nicht bestritten.

Außenpolitisch ist sein Rezept ähnlich. Er bezieht dort Positionen, die klar völkerrechtswidrig sind. Wieder und wieder macht Trump mit außenpolitischen Äußerungen deutlich: Ich füge mich nicht ein in das tragende, von der Biden-Administration erfundene Freund-Feind-Narrativ des Westens, rechtsstaatliche Demokratien versus Autokratien.

Das ist kommuniziert an uns Alliierte. Wie sollen wir damit umgehen? Es liegt an uns, zu entscheiden, ob für uns die USA noch Demokratie oder schon Autokratie sind beziehungsweise die Ambition haben, es zu werden. Doch welcher politische Akteur soll das entscheiden und wie soll es entschieden werden? Jedenfalls bringt die ‚offizielle‘ Unentschiedenheit westliche Medien in einen unangenehmen bis existenzgefährdenden Konflikt.

Die Trumpschen Positionsbezüge zu Panama, Mexiko, Kanada und Grönland könnte man systematisch fassen in der Formel: Die USA sind unter Trump nun ein expansionistischer Staat. Also äquivalent zu der Formel, die man im Westen Russlands Präsidenten aufgrund von Äußerungen zuschreibt. Diese generalisierende Einschätzung vermeiden die Medien, weil und solange die politischen Eliten sich nicht so äußern. Die wiederum tun es nicht, weil damit, mit einer solchen Wortwahl, die doch aber auf der Hand liegt, das tragende Narrativ der Allianzbildung abgetragen wird. Man will nicht derjenige sein, der den ersten Stein wirft, der den initialen Erdrutsch auslöst, auf dass das transatlantische Bündnis ins Tal abrutscht und dort als Trümmerhaufen endet. Für das Ansehen der Medien aber ist die Zögerlichkeit, das Offensichtliche als offensichtlich zu benennen, desaströs.

Dasselbe gilt für die NATO. Deren Existenzgrund ist die Verpflichtung (insbesondere der USA) auf Bündnissolidarität gemäß Art. 5 NATO-Vertrag. Wenn diese Verpflichtung unglaubwürdig geworden ist, ist die NATO nicht mehr existenzwürdig. (Präsident) Trump hat mit hinreichend vielen Äußerungen erreicht, dass auf die Solidarität der USA im Ernstfall heute kein Verlass mehr ist. Er hat damit faktisch die NATO bereits versenkt. Das Festhalten der westlichen Allianzpartner an der NATO als einem Vertrag, der seitens der USA nicht gekündigt ist, ist nur rechtspositivistisch korrekt und damit pragmatisch irreal. Auch gilt aber wieder, dass die Medien in NATO-Staaten sich nicht in der Lage sehen, das Offensichtliche auch zu portieren. Entsprechend unglaubwürdig werden sie.

4.      Der erwartbare Vorgang in 2028

Vor diesem Hintergrund liegt nahe zu erwarten: Trump wird sich den Weg zu einer erneuten Präsidentschaftskandidatur-Kandidatur im Frühjahr 2028 dadurch eröffnen, dass er sie im Rahmen des Kandidatenauswahlprozesses seiner Partei ankündigt und betreibt, weil sie so offenkundig gegen den Wortlaut der Verfassung verstößt. Eine größere Provokation ist schlicht nicht vorstellbar. Also wird er diese Option nicht ungenutzt lassen. Sie ist die Krönung des von ihm erfundenen Politikstils.

Sobald als möglich wird dieser sein erneuter Anlauf rechtlich angefochten werden. Da Parteien privat sind, kann zu dem frühen Zeitpunkt der Kandidatenzulassung in Vorwahlen schwerlich dagegen geklagt werden. Je später die rechtliche Anfechtung geschieht, desto besser für die Aussichten Trumps, erfolgreich zu sein. Mit Hilfe seiner Anwaltstruppen und finanziert aus seinem PAC wird er den Kampf innerhalb des gestuften Rechtssystems solange hinziehen, bis schließlich eine Situation eintritt, wo der Oberste Gerichtshof nur noch eine Abwägungsentscheidung treffen kann. Die Frage, die der sich dann, zu einem späten Zeitpunkt des programmierten Wahlkampfablaufs, zu stellen hat, lautet: Sollen wir wirklich die eindeutige Formulierung der Verfassung vollziehen, ungeachtet dessen, dass wir zu diesem späten Zeitpunkt eine der beiden konkurrierenden Parteien ihres über Monate aufgebauten Kandidaten berauben? Ist es gerechtfertigt, die GOP-Spitze zu zwingen, rund vier Wochen vor dem Wahlakt einen neuen Kandidaten auf’s Schild zu heben? Sollen wir uns anmaßen, um den unzweideutigen Text der Verfassung durchzusetzen, unsererseits faktisch den Ausgang der diesmaligen Wahl zu determinieren? Sollen wir gleichsam die Wahl manipulieren, um der Verfassung Genüge zu tun?

Hintergrund solcher Erwägungen ist eine Vorkehrung des US-Wahlsystems für den Fall, dass einer der Kandidaten, die in den aufwändigen „Primaries“ bestimmt werden, nach seiner Bestimmung als Kandidat und Druck auf den Wahlzetteln ausfällt, nicht mehr zur Wahl steht. In einem solchen Falle ist die jeweilige Parteiführung ermächtigt, einen Ersatzkandidaten zu benennen, der dann zur Wahl steht. Auch wenn faktisch auf dem Wahlzettel sein Vorgänger steht, bedeutet ein Kreuz für dessen Namen dann, dass es dem Nachfolger zugerechnet wird.

Wie immer in solchen Situationen wird nach Kompromissen gesucht werden. In diesem Falle könnte der lauten: Der Kandidat Donald Trump sagt vor dem höchsten Gericht zu, im Falle eines Wahlerfolgs nach einem Jahr Amtszeit zurückzutreten und seinem Vizepräsidenten das Amt zu überlassen.

In weiser Voraussicht wird Donald Trump vorab dafür gesorgt haben, dass sein Vizepräsidenten-Kandidat die fünf Buchstaben „Trump“ im Nachnamen führt. Das dynastische Prinzip ist wieder eingeführt – die Familiendynastie der Bushs wird grüßen.

5.      Der Rechtsstaat als Rechtsmittelstaat

Den Rechtsstaat als Rechtsmittelstaat gilt es dynamisch zu verstehen. Er ist ein Kampffeld. Trump hat eine Atmosphäre geschaffen, die ganz anders ist als die in Deutschland. Hier hat die CDU/CSU ein im Bund und in Bundesländern übliches Haushaltsgebahren, von dem bekannt war, dass es beim Verfassungsgericht durchfallen wird, wenn sich ein Verfassungsorgan findet, dagegen zu klagen, aufgespießt, um der Ampel-Regierung, die darauf die Finanzierung ihres Regierungsprogramms basiert hatte, in den Abgrund zu stoßen. Das Kalkül war ein reines Machtkalkül – und es ist aufgegangen. Medial wird der Vorgang im Rückblick aber nicht als Machtspiel sondern als Durchsetzen von Recht präsentiert.

In den USA ist es gegenteilig. Da hat Trump durchgesetzt, dass das Bestreiten von etablierten Rechtspositionen regelmäßig nur noch als Machtspiel wahrgenommen wird, das Gewinnen oder Verlieren eines Rechtsstreites wird nicht moralisch genommen. Gesprochenes Recht wird nicht mehr absolut, als Wahrheit, genommen. Damit ist möglich, was nun in den USA in großer Zahl geschieht: Es werden tausende von Positionen, die rechtlich valide begründet erschienen, von Trump mit einem Federstrich, mit dürren Worten in Executive Orders, bestritten – die damit ‚Entrechteten‘ haben die aufwändige Aufgabe des Aufwärts-Kampfes, im gestuften Rechtssystem zugeschoben bekommen, es ist an ihnen nun zu zeigen, dass ihre Position weiterhin gilt. „Beweislastumkehr“ ist das Prinzip dieses Trumpschen Vorstoßes. Der Bundesstaat hat für diesen Kampf vor Gerichten die weit größeren Mittel, also wird er in einer hohen Überzahl von Fällen, auch Recht bekommen beziehungsweise ihm entgegenkommende Kompromisse erstreiten – wenn denn nicht ausreicht, dass das Fakten-schaffen den Entrechteten bereits hinreichend die Luft abdreht, die Ressourcen nimmt, dass sie sich nicht wehren.

Dr. Hans-Jochen Luhmann ist Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.

Es wird vom Lion Air Flug am Tag zuvor (28. Oktober 2018) berichtet, dass die Piloten mit demselben Problem zu kämpfen hatten, zufällig aber ein nicht-diensthabender erfahrener Pilot mit im Cockpit war und sagen konnte „Ich kenne das Problem, Ihr müsst den Hebel X drücken.“

Die Untersuchungen in Seattle haben inzwischen etwas weit Ärgeres herausgebracht: Für die gesamte 737-Serie wurde das Duplizitätsprinzip für die Computersteuerung an Bord zwar hardwareseite eingebaut – dann aber wurden die faktisch nicht sinngemäß laufen gelassen, also einer aktiv, éiner im Stand-by, um im Fall des Ausfalls übernehmen zu können. Die beiden Bordcomputer waren vielmehr so eingestellt, dass die pro Flug abwechselnd nur einzeln eingeschaltet wurden.

Vgl. dazu die folgende Meldung vom 6.6.14 (Interfax Ukraine):
<<Interior Minister Arsen Avakov has said. „I have decided that a hundred percent of combat and patrol units of the Interior Ministry will take part in the antiterrorism operation. This is not only a necessity but also a test of their proficiency, spirit and patriotism. The tempering of units with real threats and challenges is a factor of the creation of a new police force which will be trusted by the public,“ … Avakov reported that 21 officers of the Chernihiv special-purpose patrol battalion comprising volunteers refused to go on a patrol mission in Luhansk region. „The battalion was assigned a patrolling mission in Luhansk region the day before yesterday. Eighty-six men departed to the designated sector to do a man’s job and to accomplish a combat mission in the regime of antiterrorism patrols. Twenty-one persons refused to go and submitted their resignations… They were dismissed immediately,„>>