Blick ins US-Wahlrecht: Szenarien einer Präsidenten-Wahl unter Corona-Bedingungen

 

Die Kolumne von Hans-Jochen Luhmann

Am 3. November 2020 ist es soweit. Auf diesen Termin hin hat der jetzige Amtsinhaber seine politische Agenda angelegt. Entstanden ist das Konzept unter der Annahme von Normalbedingungen. Das Virus Sars-CoV-2 war in Trumps Wahlkampfplänen nicht vorgesehen. Das übliche Stimmabgabe-Format mit persönlicher Anwesenheit und mit einer knappen Zahl von Wahllokalen, mit Schlange-Stehen, lässt das Virus frohlocken: Es mag dieses Setting für ein gefundenes Fressen halten.

Zeichen an der Wand waren die Wahlen am 7. April 2020 in Wisconsin, also mitten in der ersten Corona-Welle. Die Gouverneurin des Bundesstaates hatte versucht, die Wahlen zu verschieben, und war dann durch ein Urteil des Obersten Gerichts des Bundesstaates daran gehindert worden. Erste Folge war, dass die (meist älteren) Mitarbeiter der Wahllokale des eigenen Risikos wegen in großer Zahl ihre Mitwirkung verweigerten. Zweite Folge war, dass sich vor den wenigen verbliebenen Wahllokalen lange Warteschlangen bildeten, die Wahlbeteiligung deutlich sank und etliche Wähler infiziert wurden.

Bedroht sind auch die zu Wählenden, die Kandidaten. Die üblichen Wahlveranstaltungen, choreographisch ähnliche Veranstaltungen wie Fußballspiele, bieten die besten Voraussetzungen für einen Großausbruch der Infektion. Im Zentrum stehen die beiden Männer, die für das Spitzenamt im Weißen Haus im November 2020 kandidieren. Beide sind höchst vulnerabel, weil alt bis uralt, auch gesundheitlich vorbelastet, nicht wirklich fit. Nancy Pelosi hat Präsident Trump vielsagenderweise „morbidly obese“ genannt.

Wenn das Virus da zuschlägt, dann ist der Ausgang mit hoher Wahrscheinlichkeit besiegelt: Zwei Wochen schwer krank, danach entweder verschieden oder für lange Zeit außer Gefecht. Diese Möglichkeit steht im Raum. Der Patient wird im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit stehen, weil er zugleich als Kandidat für das Präsidentenamt zur Wahl steht. Wem werden die Wähler dann ihr Kreuzchen geben? Wirklich dem Dahinsiechenden, der unter Normalbedingungen der Kandidat ihrer Wahl gewesen wäre? Kann unter solchen Bedingungen von einer regulären Wahl noch die Rede sein? Sind die USA in ihrer Verfassung auf eine solche Zuspitzung vorbereitet?

Vorbereitungen zur kontaktlosen Stimmabgabe in den USA

Angesichts dieser Corona-bedingten Herausforderungen haben die Wahlorganisatoren in den Bundesstaaten der USA unterschiedliche Reaktionen auf den Weg gebracht. Der Wahlakt in den USA wird im November 2020 eine deutlich andere Gestalt haben als in den Perioden zuvor. Der Einfluss der Bundesebene auf die praktischen Bedingungen der Organisation des Wahlaktes ist allerdings gering, von Einheitlichkeit kann deshalb keine Rede sein.

Zur Briefwahl in den USA den Überblick zu haben, ist nicht einfach, weil das Sache der Staaten ist. Die National Conference of State Legislatures bietet einen verlässlichen Überblick zum jeweiligen Zeitpunkt, der ist allerdings zur Zeit noch massiv im Fluss. Eine Marke für die erhebliche Veränderung, die kommen wird, dürfte wiederum das Geschehen bei den Wahlen am 7. April 2020 in Wisconsin sein. Bei den Vorwahlen an diesem Tag waren fast 80 Prozent aller abgegebenen Stimmen solche „by mail“. Zum Vergleich: Bei den Vorwahlen im selben Staat im Jahre 2016 waren es etwa 10 Prozent. Diesen Wandel organisatorisch vorzubereiten, ist eine immense Herausforderung, die auch sehr viel Geld erfordert. Von Bundesebene wird davon einiges bereitgestellt, so mit dem „Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security (CARES) Act“, der 400 Millionen US-Dollar zur Unterstützung von Wahlbehörden der Bundesstaaten bereitstellt, die ihr Wahlsystem auf die Herausfordungen an die Corona-Pandemie vorbereiten wollen. Auch unter dem Help America Vote Act (HAVA) aus dem Jahre 2002 stehen Mttel bereit. Abfließen können die Mttel aber nur, sofern ihr Einsatz den Bedingungen entspricht, welche die unabhängige Election Assistance Commission (EAC) erlässt. Die aber beschränkt den Einsatz dieser Mittel, sofern sie für die Ausweitung des mail voting vorgesehen sind. Zwischen den Parteien in Washington ist die Ausweitung des mail voting umstritten. Trump meint, mehr Briefwahl würden den Demokraten nützen …; selbst Wissenschaftler von der Hoover Institution aber können keinen Anhalt für diese Asymmetrie-Vermutung finden.

Bei einem Wahlakt, der so organisiert ist wie bislang üblich, ist der Wähler bedroht – das ist natürlich allseits erkannt, weltweit. Gegenmaßnahmen werden diskutiert und ergriffen – Briefwahl ist eine Option neben anderen, zu denen ein großes Interesse an staatenübergreifendem Austausch besteht. Jede Gegenmaßnahme aber ändert das Wahlsetting und damit – potentiell – die relativen Chancen der zur Wahl stehenden Kandidaten. Die nächstliegende Option, um Neutralität zu sichern und die Legitimität des Wahlaktes nicht zu gefährden, ist deshalb die terminliche Verschiebung der Wahl – auf einen Zeitpunkt nach Ende der Pandemie oder zumindest auf einen Zeitpunkt, der genügend Zeit zur Vorbereitung und Abstimmung von Maßnahmen zur Durchführung der Wahl in einer Corona-gerechten Weise lässt. Das intergouvernmentale International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA) hält dazu eine globale Datenbank vor. Mitte Juni 2020 war das Ergebnis: Von 100 Wahlen beziehungsweise Abstimmungen, die seit Ausbruch der Pandemie anstanden, waren zwei Drittel verschoben worden, nur ein Drittel fand zum ursprünglichen Termin statt.

In den USA ist eine Verschiebung der Wahl im November praktisch ausgeschlossen. Der 3. November 2020 ist fix, denn er ist nicht lediglich ein Wahltermin zur Bestimmung des Präsidenten auf föderaler Ebene, daneben werden auf Bundesebene ein Drittel der Sitze im Senat sowie das Repräsentantenhaus (435 Sitze) vollständig neu besetzt, vor allem aber werden viele Wahlämter auf Ebene der Bundesstaaten und auf Stadt- beziehungsweise Landkreis-Ebene neu vergeben. Des Wahlverbunds wegen müssten sämtliche Institutionen landesweit zustimmen – dass dies erreicht wird, ist nicht zu erwarten.

Der Ablauf von Mitte Oktober bis zur Inauguration am 20. Januar 2021

Als Wahltag ist der Dienstag nach dem ersten Montag im November bestimmt – das wurde im Jahre 1845 so beschlossen. Anders als in Deutschland, wo an Sonntagen gewählt wird, haben die USA mit ihrer Entscheidung, an einem Werktag wählen zu lassen, eine strukturelle Diskriminierung ärmerer Bevölkerungsschichten implantiert, die es sich nicht leisten können, für die Ausübung ihres Wahlrechts einen Tag frei zu nehmen. Mit der Entscheidung von 1845 wurde der Tag der Wahlabhaltung verschoben, auch zuvor aber war es ein Werktag. Die „statistische“ Diskriminierung ärmerer Bevölkerungsschichten mit Mitteln des Wahlrechts hat in den USA eine lange Tradition, auch bei den Demokraten.

Im Jahr 2020 ist somit der 3. November der „Wahltag“. Der Ausdruck „Wahltag“ hat seinen ursprünglichen klar abgrenzenden Sinn längst verloren – „early voting“ und „vote by mail“, in den USA präziser „absentee voting“ genannt, sind längst etabliert, mit Vorfristen bis zu 40 Tagen zuvor. „mail“ ist in den USA doppeldeutig, es kann die papierene Form aber auch die digitale Form meinen. Nur: Unter der Bedingung eines erheblichen Anfalls von Briefwahl-Stimmen, einer nun zu erwartenden Dominanz der Briefwahl, wird vieles anders. Diese Wahlform impliziert, dass der eigentliche Wahlakt mehrheitlich in einer Zeitspanne deutlich vor dem Wahltag geschieht – durch Gerichtsurteile festgelegt ist nämlich nur, dass nicht nach dem Wahltag noch gewählt werden darf. Der Schwerpunkt der faktischen Stimmabgabe wird bei der erheblichen Ausweitung des Briefwahlanteils, wie er in vielen Bundesstaaten der USA angestrebt wird, vermutlich weiter nach vorne verschoben, denn das Auszählen ist eine große logistische Herausforderung. Am Ende, nach dem 3. November, ist wenig Platz, da folgt ein festgesetzter Termin auf den nächsten. Am 20. Januar 2021 wird der neue Präsident eingeschworen, das ist ein unverrückbarer Termin.

Die Auflösung des Wahltags in eine Periode hat Zweierlei zur Folge:

  1. Geschehnisse kurz vor dem Wahltag, in der Periode des faktischen Wahlaktes, können zunehmend nicht mehr zu Reaktionen beim Wähler führen.
  2. Die medial geschürte Erwartung, dass am Ende des Wahltages, bei der Auszählung in der folgenden Nacht, das Ergebnis der Spitzenwahl, der des Präsidenten, in einer TV-gerechten Form bekanntgegeben werden kann, muss enttäuscht werden.

Nach dem Wahltag steht ein weiterer Termin unverrückbar im Kalender, das ist der Tag der Abstimmung im sogenannten „Electoral College“ am 14. Dezember. Da handelt es sich um eine Besonderheit der USA, um ein – aus dem Postkutschenzeitalter überkommenes – Element der Indirektheit, welches in der Berichterstattung in Europa meist als nebensächlich oder „reine Formalie“ übergangen wird, zu Recht, weil die Elektoren in der Regel loyal abstimmen. Nun aber, unter Corona-Bedingungen, können Bedingungen besonderer Art eintreten. Die können diesen Wahlakt wirklich zu einer erneuten eigenständigen Wahlentscheidung machen. Gegenüber einem mechanisch konstruierten Wahlakt kann dieses altertümliche Setting eine wirkliche Chance darstellen. Kann.

Gewählt werden in den USA nämlich die Wahlleute (Elektoren) des Wahlkollegiums (Electoral College). Das hat 41 Tage nach dem Wahltag, also am Montag, den 14. Dezember 2020, den Präsidenten und den Vizepräsidenten per Abstimmung zu bestimmen. Grundsätzlich hat jeder Bundesstaat das Recht, zu entscheiden, wie er seine Wahlmänner vergibt. Nur: Das jeweilige Ergebnis auf Ebene des Bundesstaates hat bis zum 14. Dezember  festzustehen. Steht es in einem Bundesstaat nicht fest, so trifft das Electoral College dessen ungeachtet an diesem Tag seine Entscheidung, mit Mehrheit. Wenn alle Staaten vertreten sind, liegt die bei 270 Stimmen. Wenn das Ergebnis eines Staates fehlt, ist die Entscheidung entsprechend verzerrt. Das kann unerheblich sein, das kann aber auch entscheidend, ergebnisverzerrend, sein.

Das Zeichen an der Wand ist die Wahl im November 2000. Es hatten kandidiert George W. Bush und Albert Gore. Das Ergebnis war ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In Florida kam es in einigen Wahlkreisen zu Neuauszählungen der abgegebenen Stimmen – alles natürlich erstritten durch mehrere Gerichtsurteile (am 4., 9., und 12. Dezember). Am Ende entschied das Gericht, die Neuauszählungen abzubrechen, weil bis zum Stichtag, bis zum Zusammentreten des Electoral College, keine sachgerechte Klärung zu erreichen sei. Da George W. Bush zu diesem Zeitpunkt mit rund 500 Stimmen vorne lag, wurde er so, qua einem Gerichtsentscheid, der den Zeitdruck als entscheidend und als unbeeinflussbar nahm, Präsident der USA.

Was ist, wenn der gewählte Kandidat Opfer von Corona geworden sein sollte?

Die mögliche Rolle der Elektoren am 14. Dezember unter Corona-Bedingungen, ihrer formellen Ungebundenheit wegen, ist am besten mit Hilfe eines Szenarios anschaulich zu machen. Es sei unterstellt, dass einer der beiden Kandidaten innerhalb der Wahlperiode, die wegen der Briefwahl-Zulassung mehrere Wochen umfasst, schwer erkrankt – und kurz nach dem 3. November verstirbt. Was wären die absehbaren Konsequenzen?

Um es konkreter zu machen, entscheiden wir uns dafür, dass dieses Schicksal Joe Biden treffe, den Kandidaten der Demokraten – ergänzend sei angenommen, dass er unter dem Eindruck der Unruhen nach dem Tod von George Floyd eine Farbige aus dem linken Lager zur „Running Mate“ gemacht habe, also eine Kandidatin für die Vizepäsidentschaft ausgewählt habe, die innerhalb des Establishments der Demokratischen Partei für die Präsidentschaft als unakzeptabel gilt. Wir nehmen weiter an, dass Biden die Wahl gewonnen hat, dass dies trotz aller Vorkommnisse, die die Integrität dieser Wahl in Zweifel ziehen, nach etlichen Anfechtungen von Wahlergebnissen in etlichen Bundesstaaten kurz vor dem 14. Dezember gerichtsfest so festgestellt worden sei. Wir unterstellen weiter, dass dieses Geschehen, dass ein Kandidat während einer Phase seiner Kandidatur, also vor Feststellung des Wahlergebnisses, Corona-bedingt verstirbt, kein Ausnahmeereignis ist, wie es jetzt hier erscheinen mag, sondern bis zum November schon etliche Male vorgekommen sein wird, auf unteren Rängen der Wahlämter, quer durch die Bundesstaaten. Eine gewisse Routine in dem, was danach ansteht, wird sich in den USA bis dahin schon eingestellt haben. Aber der Zugriff von Gevatter Tod auf einen im Prinzip bereits gewählten Präsidentschaftskandidaten ist dennoch ein großes Ausnahme-Ereignis.

Den Wahlsieger, Joe Biden, zum Präsidenten zu küren, ist dann nicht mehr möglich. Welche alternative Optionen haben die Elektoren? Sie könnten dann tatsächlich verfassungskonform eine neue Person aus dem Hut zaubern. Ein auf diesem Weg gewählter Präsident wäre jedoch immer mit einem Makel behaftet, und die Legitimität eines solchen Systems wäre mehr denn je infrage gestellt. Ich sehe zwei mögliche Entscheidungen.

  1. Die auf den Kandidaten der Demokraten verpflichteten Wahlmänner könnten als Block zusammenhalten und sich abstimmen. Sie könnten, legitimitätsgetrieben, argumentieren: Wenn den Wahlsieger dasselbe Schicksal zwei Monate später ereilt hätte, wäre ihm seine Vizepräsidentin im Amt nachgefolgt – also wählen wir die nun direkt. Maxime ist: Der zufällige Zeitpunkt seines Ablebens soll keine Rolle spielen.
  2. Es kann aber auch sein, dass unter dieser Aussicht die Einheit der demokratischen Elektoren zerbricht, weil es Zweifel an ihrer Eignung gibt. Dann wäre eine Aufsplitterung der demokratischen Elektorenstimmen wahrscheinlich. Im Ergebnis kommt es dann dazu, dass die Elektoren am Ende des 14. Dezember auseinandergehen, ohne einen Präsidenten gewählt zu haben. Es kommt einfach keine Entscheidung mit absoluter Mehrheit zustande. Die Dynamik, zu einer gemeinsamen Meinungsbildung zu kommen, ist auch erschwert, weil – Postkutschentzeitalter-gemäß – die Elektoren nicht als ein physisch-gemeinsames Gremium tagen, sondern je als Kleingruppe in der Hauptstadt ihres Bundesstaates. Alle Absprachen haben digital zu erfolgen, sind also aufgezeichnet.

In einem solchen Fall hat das Repräsentantenhaus die Wahl des Präsidenten vorzunehmen. Es darf dabei aber lediglich unter den drei bestplatzierten Kandidaten des Abstimmungsergebnisses des Electoral College auswählen. So sieht es die Verfassung vor, und so ist es in den Jahren 1824 und 1876 auch durchexerziert worden. Für diese Abstimmung im Repräsentantenhaus gelten besondere Abstimmungsregeln, es handelt sich um eine sogenannte „contingent election. Jeder Staat hat dabei nur eine Stimme. Wahrscheinlich werden die Demokraten auch im neugewählten Repräsentantenhaus ab 2021 eine Mehrheit haben, doch für eine contingent election zählt das nicht.

Das Repräsentantenhaus, so die Maxime, soll die Bevölkerung proportional repräsentieren. Deshalb werden die Wahlkreiszuschnitte periodisch an die Ergebnisse von Volkszählungen angepasst. Also gibt es Staaten mit massiv divergierenden Anzahlen von Wahlkreisen, an der Spitze das bevölkerungsreiche Kalifornien mit 53 Wahlkreisen, am unteren Ende sieben Staaten (aus dem Mittleren Westen zumeist) mit lediglich je einem Wahlkreis. Die Stimmrechts-Regulierung der contingent election setzt dieses Prinzip für diesen besonderen Wahlakt außer Kraft: Sie führt stattdessen das Proportional-Prinzip „one state, one vote“ ein, welches auch für die Besetzung des Senats gilt. Dort haben die Republikaner die Mehrheit. Für eine Abstimmung über den zukünftigen Präsidenten gilt aller Wahrscheinlichkeit nach dasselbe.

Die Folge wäre die Wahl Donald Trumps durch das Repräsentantenhaus – das wäre, nach parteipolitischen Fahnen gesehen, eine Umdrehung des Ergebnisses, welches im Wahlakt des Volkes erreicht wurde, um 180 Grad; und folglich eine veritable Staatskrise.

So kommt es heraus unter der Annahme, dass der Kandidat der Demokraten gewinnt – und verstirbt. Dann kann es zu dieser Wende um 180 Grad kommen. Wenn wir dasselbe Szenario für den Fall durchspielen, dass der Kandidat der Republikaner gewinnt und verstirbt, dann kommt es nicht zu dieser Kehrtwende. Dann ist das Ergebnis nach Parteilager stabil. Diese – gegenteilige – Aussicht kann praktisch wichtig werden. Sie eröffnet der republikanischen Parteiführung, die dann strategisch wichtig wird, eine Wahlmöglichkeit, die die Führung der Demokraten in der analogen Situation nicht hat. Zu entscheiden ist ja: Soll der „Ersatz-Präsident“ breits früh, im Electoral College, gekürt werden? Oder lieber später, durch Wahl im Repräsentantenhaus? Für den Prozess der Legitimitätsgewinnung für den neuen Präsidenten aus dem republikanischen Lager spricht vieles dafür, diese knifflige Situation später und im Repräsentantenhaus, wo man sich besser kennt, zu bestehen.

Mit Abstand betrachtet geht es um Folgendes. Die US-Präsidentschaftswahl ist eine personalisierte Wahl, aber nach Lagern. In Deutschland ist es bemerkenswerterweise, unter einem Wahlsystem, welches die angelsächsischen Staaten für Deutschland konzipiert haben, genau umgekehrt als bei ihnen zu Hause: Hier wählt man eigentlich Parteien. Die legen sich, informell, auf „Spitzenkandidaten“ fest; und die bemühen sich auch, den Wahlkampf zu einem Kampf zwischen Lagern hochzustilisieren – was die systemgerechte Koalitionsbildung später erschwert.

Verstirbt unter dem US-Wahlsystem der gewählte Kandidat, dann wird allgemein, so auch hier, unterstellt, dass sein Lager gewonnen und deshalb das Recht habe, auf dem eigentlich personalisierten Ticket eine neue Person zu installieren, die parteiintern gewählt wurde – die gleichsam eine nachgeholte innerparteiliche Legitimierung erhält, ohne den langwierigen Prozess der primaries.


Es wird vom Lion Air Flug am Tag zuvor (28. Oktober 2018) berichtet, dass die Piloten mit demselben Problem zu kämpfen hatten, zufällig aber ein nicht-diensthabender erfahrener Pilot mit im Cockpit war und sagen konnte „Ich kenne das Problem, Ihr müsst den Hebel X drücken.“

Die Untersuchungen in Seattle haben inzwischen etwas weit Ärgeres herausgebracht: Für die gesamte 737-Serie wurde das Duplizitätsprinzip für die Computersteuerung an Bord zwar hardwareseite eingebaut – dann aber wurden die faktisch nicht sinngemäß laufen gelassen, also einer aktiv, éiner im Stand-by, um im Fall des Ausfalls übernehmen zu können. Die beiden Bordcomputer waren vielmehr so eingestellt, dass die pro Flug abwechselnd nur einzeln eingeschaltet wurden.

Vgl. dazu die folgende Meldung vom 6.6.14 (Interfax Ukraine):
<<Interior Minister Arsen Avakov has said. „I have decided that a hundred percent of combat and patrol units of the Interior Ministry will take part in the antiterrorism operation. This is not only a necessity but also a test of their proficiency, spirit and patriotism. The tempering of units with real threats and challenges is a factor of the creation of a new police force which will be trusted by the public,“ … Avakov reported that 21 officers of the Chernihiv special-purpose patrol battalion comprising volunteers refused to go on a patrol mission in Luhansk region. „The battalion was assigned a patrolling mission in Luhansk region the day before yesterday. Eighty-six men departed to the designated sector to do a man’s job and to accomplish a combat mission in the regime of antiterrorism patrols. Twenty-one persons refused to go and submitted their resignations… They were dismissed immediately,„>>