Der Aderlass der Ukraine

 

Ein Abnützungskrieg ist eine Auseinandersetzung, bei derjenige gewinnt, der auf Dauer mehr an Ressourcen einzusetzen in der Lage ist. Der abstrakte Begriff „Ressourcen“ meint gefallene Soldaten und zehnmal soviel Verletze mit dauernden körperlichen und seelischen Verwundungen und militärisches „Material“ für die Führung des Kriegs selbst. Und er meint auch menschliche und finanzielle Ressourcen für das Aufrechterhalten des Staatswesens und zumutbarer Lebensbedingungen für die Bevölkerung.

Der Krieg in der Ukraine ist, wie es militärisch heißt, ein „Abnützungskrieg“ geworden. Ein Abnützungskrieg ist ein Krieg, der militärisch festgefahren ist. Bei ihm erleiden beide Seiten etwa gleich viel an Verlusten – es sei denn eine Seite traut sich zu, durch eine temporäre regionale Überlegenheit von mindestens, so die Faustregel, drei zu eins, den Versuch eines Durchbruchs zu wagen und dabei auch noch Erfolg zu haben. Die militärische Erfolgsperspektive des gegenwärtigen Abnützungskrieges ist damit klar: Es wird sich auf dem militärischen Feld als solchem nichts ändern. Was sich allein zu ändern vermag, ist der Nachschub an die Front, an Menschen und an Material.

Ein Abnützungskrieg ist eine Auseinandersetzung, bei derjenige gewinnt, der auf Dauer mehr an Ressourcen einzusetzen in der Lage ist – er ist somit ein Kampf ganzer Ökonomien, in diesem Sinne ein „totaler“ Krieg. Schlüsselbegriff ist der abstrakte Begriff „Ressourcen“. Der meint zuvörderst Menschen- und militärisches „Material“ für die Führung des Kriegs selbst – er meint dann gefallene Soldaten und zehnmal soviel Verletze mit dauernden körperlichen und seelischen Verwundungen. Er meint dann aber auch menschliche und finanzielle Ressourcen für das Aufrechterhalten des Staatswesens und zumutbarer Lebensbedingungen für die Bevölkerung. Darauf möchte ich hier den Blick lenken.

Es gilt: Der Westen stellt Ressourcen zu einem erheblichen Teil zur Verfügung – mit Ausnahme von Soldaten („Menschenmaterial“). Die Solidarität des Westens ist allerdings auf Dauer erfahrungsgemäß brüchig. Es gilt eben immer das Primat der Innenpolitik, das ist in Demokratien nun einmal so. „Forever-wars“ zu führen, ist in den USA ein Schimpfwort – das wird über kurz oder lang auch für den gegenwärtigen Kampf um die Ukraine gelten. Strategisch ist dieser Krieg für die USA eine Falle, in die sie getappt sind. Er bindet erhebliche Ressourcen an der falschen Front. Die benötigten die USA eigentlich in ihrer Fokussierung auf China. Der Republikanische Präsidentschaftsbewerber Vivek Ramaswamy hat die Fehlwahrnehmung recht präzise auf den Punkt gebracht:

Ukrainian leadership will … not agree to end the fighting if there is a high likelihood of their country deteriorating toward a failed state in the wake of a peace settlement. Russia and Europe both … have an interest in avoiding such a situation.

Das wäre eine Sicht, welches es erlauben würde, dass die USA/der Westen und Russland an einem Strang ziehen, um zu einem Ende der Kämpfe im Konsens der beiden ressourcenstärksten Beteiligten zu kommen. Die ukrainische innenpolitische Situation ist entscheidend. Der wird bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Demographische Situation der Ukraine

Die Bevölkerungsentwicklung auf dem Territorium der Ukraine ist dramatisch. Das Drama verdeutlicht das Stockholm Centre for Eastern European Studies (SCEEUS) an dieser Darstellung des Bevölkerungs-„Baumes“. Das SCEEUS stellt ist die Situation vor Russlands Invasion und heute dar – die Differenz pro Altersgruppe ist durch Prozentzahlen am Rand jeweils angegeben. Die unterscheiden sich erheblich, nach Frauen und Männern sowie nach Altersgruppen.

Die Bevölkerung der Ukraine war bis vor 30 Jahren am Wachsen. Der Höhepunkt der Bevölkerungszahl war 1994 erreicht, mit 51,7 Millionen Menschen. Bis zum Februar 2022 ging die Bevölkerung zurück auf 43,3 Millionen Menschen. Das war ein Minus um 8,4 Millionen. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind 7,8 Millionen Menschen geflüchtet, ein Drittel etwa nach Russland, zwei Drittel (4,8 Millionen) in den Westen, nach Europa.

Gegangen sind die Jüngeren, vor allem Frauen. 30 bis 40 Prozent der Kinder sind geflohen, derselbe Anteil gilt für Frauen bis zu einem Alter von 44 Jahren. „Männern (von 18 bis 60 Jahren) ist die Ausreise verwehrt“ – so die Sprechweise des Erlasses in der Ukraine. Das ist wörtlich zu nehmen, das ist staatsbürgerrechtlich unbestimmt, es gilt nicht nur für ukrainische Männer, er gilt für sämtliche Männer auf ukrainischem Territorium. Rund fünf Prozent haben es dennoch geschafft – zu den Fluchtwegen dieser Gruppe unten mehr. Die Geißel der Korruption zeitigt eine solche Größenordnung von Ausweichen vor der Wehrpflicht.

Die offene Frage ist, in welchem Ausmaß es nach einem Waffenstillstand zu einer Wieder-Zusammenführung der aktuell getrennten Familien kommen wird; und höchst bedeutend: Wo? Werden die Frauen mit ihren Kindern, die in ihren Aufnahmeländern beste Bildungschancen haben und wahrnehmen, zurückkehren wollen ins großflächig zerstörte Herkunftsland? Die Aussichten dafür sind, realistisch betrachtet, nicht gut. Die werden gekommen sein, um zu bleiben. Der Altersdurchschnitt der Geflüchteten liegt bei knapp 30 Jahren. Der Westen darf sich glücklich schätzen über diesen hoch-begabten und -qualifizierten Bevölkerungszugewinn.

Finanzen und Energie

Die Ukraine erhält von westlichen Staaten, insbesondere von der EU, Zuwendungen zu ihrem Budget in erheblichem Ausmaß. Die Hilfen der USA summieren sich, wenn denn das jüngste Paket durch den US-Kongress geht, auf 135 Milliarden DU-Dollar. Das soll hier nicht weiter Thema sein. Doch klar ist, dass diese Großzügigkeit der Ukraine in ihrer Not nicht reicht. Deswegen sind Erlöse aus Exporten für die Ukraine so wichtig. Das ist der eine Weg, an Geld zu kommen, der im Folgenden skizziert wird. Der andere erinnert an das Auspressen einer Zitrone – ein Verfahren, welches in Deutschland aufgrund der langjährigen Folgen dieser Art der Vorbereitung des Börsengangs der Deutschen Bahn AG bestens bekannt ist.

Wenn schon nicht ein Ausweg so doch wenigstens Entlastung wäre ein hoher Import von Energie- beziehungsweise Energie-Dienstleistungen von Ukrainischem Territorium nach Westen, also in die EU. Das Problem angesichts der klimapolitisch motivierten Transformationsagenda der EU: Die Energieproduktion der Ukraine ist traditionell stark fossil- und nuklear-basiert. Bewegung ist in diese Tradition auch in den zehn Jahren seit dem Abschluss des Assoziierungs-Abkommens mit der EU, welches ein Freihandelsabkommen (DCFTA) enthält, und dem Beitritt zur European Energy Community kaum gekommen. Deswegen bieten sich zwei Optionen an:

  • Kurzfristig die Nutzung des hohen Gasspeicher-Potentials der Ukraine;
  • und mittelfristig der Import von Biomasse zu chemischen Zwecken beziehungsweise veredelt, als Biomethan, zu energetischen Zwecken.

Die Option der Nutzung des Gasspeicher-Potentials der Ukraine ist vom Atlantic Council kürzlich erneut ins Gespräch gebracht worden. Dies ist nur Teil einer „großartigeren“ Perspektive, es geht den Autoren um nichts Geringeres als die Ukraine zu einem „European Energy Hub“ zu machen. Das impliziert: Sie ist bis Mitte der 2030er Jahre in die Lage zu versetzen, 70 bcm/a („billion cubic meters pro Jahr“) an Erdgas zu fördern – von 20 bcm/a im Jahre 2020. Das Ansinnen ist eine absehbare Fehlinvestition, wenn die EU-Staaten der Absatzmarkt sein sollen. Das ist irreal, das ginge nur, wenn mit den fossilen Energievorräten der Ukraine auch absatzseitig noch Staat zu machen wäre. So kurzsichtig es auch ist: Naftogaz, das staatliche ukrainische Monopol-Gasunternehmen, klammert sich an diesen untauglichen Strohhalm, führt in diese Richtung Gespräche mit US-Unternehmen wie Halliburton, Exxon Mobil und auch Chevron. Die Klimaskeptiker-Unternehmen verbünden sich.

Hintergrund ist weiter, dass die Zukunft der Einnahmen aus den Transitgebühren, welche Russland gegenwärtig, trotz Krieg, weiterhin in der Größenordnung von (netto) 1,2 Milliarden Euro pro Jahr an die Staatskasse der Ukraine zahlt, in der Luft hängt. Russlands Durchleite-Nutzung des UGTS ist von einstmals 136 bcm/a in 2005 auf 42 bcm/a in 2020 (mit Nord Stream 1 bypass) und auf voraussichtlich weniger als 10 bcm/a in 2023 zurückgegangen. Der Transit-Vertrag läuft überdies Ende 2024 aus.

Bleibt die Biomethan-Option. Die wird von der EU gepuscht. Im Februar 2023 unterzeichnete sie mit der Ukraine ein Memorandum of Understanding zu einer „Strategic Partnership on Biomethane, Hydrogen and other Synthetic Gases. Kurzformel „Strategic Partnership on Renewable Gases“. Im Wesentlichen geht es aber lediglich darum, dass die Ukraine für sich selbst auf den Pfad der Energie-Transformation gesetzt wird – ob dabei noch viel überbleiben wird für den Export von Energie, ist offen. Immerhin wird die Speicher-Option für „renewable gases“ aufgeführt. Das könnte eine tragfähige Geschäftsidee sein, in welchem Umfang aber, ist offen.

Bleibt das Geschäftsmodell der ausgepressten Zitrone. Um das verstehbar zu machen, muss der Hintergrund eingeführt werden.

Geschäftsmodell des Ausquetschens

Vor vier Jahren wurde in der Ukraine ein neues Design des Elektrizitäts-Marktes gemäß dem EU-Modell eingeführt. Das geschah gemäß einem Gesetz, welches erst im Jahr 2017 angenommen wurde. Das war seinerseits Teil der Verpflichtungen, welche die Ukraine als Mitglied der European Energy Community eingegangen war, also letztlich ein Ausfluss des Vertragswerkes von 2014, welches die EU-Orientierung der Ukraine besiegelte. Man glaubte in den Brüsseler Amtsstuben, der Zwang zur Einführung von liberalistischen EU-Regeln würde die Stagnation des Energiebereichs, einschließlich seiner Tendenz zur Überschuldung, überwinden und zu einer Welle neuer Investitionen führen. Das Dilatorische an der Umsetzung seitens der Ukraine sprach schon Bände.

Die staatliche Subventionierung von Preisen hatte Reformen des energiewirtschaftlichen Systems in der Ukraine seit Jahrzehnten blockiert. Keine Regierung hatte es gewagt, den Markt zu liberalisieren, das heißt den Endkunden die wirklichen Kosten aufzubürden; zu groß war die Furcht, Popularität zu verlieren und dann in den nächsten Wahlen unterzugehen. Die politische Herrschaftsform war eben die einer Kombination von Populismus und Paternalismus. Im Jahre 2017 war es politisch nicht anders. Alsbald wurde das neue Markt-Modell mit Restriktionen und Detail-Regulierungen angereichert, die sämtlich dem Zwecke dienten, die niedrigen, nicht kostengerechten Endverbraucher-Tarife zu erhalten.

Nach kurzer Zeit wurden die zu erwartenden Ergebnisse sichtbar. Produzenten und Verteilunternehmen begannen, erneut Schulden anzuhäufen, „on top“ zu den bereits angehäuften. Die mit großen Erwartungen gestarteten Produzenten von Strom und Gas aus erneuerbaren Quellen, ihrer Dezentralität wegen relativ machtarm, gerieten in eine Krise, weil die zugesagten Einspeisetarife von den aufnehmenden Verteilunternehmen schlicht nicht gezahlt wurden. Die Subventionierung der Preise für Haushaltskunden blieb herrschende Praxis, zu Lasten der Energie-Unternehmen im Staatsbesitz.

Mit Russlands Invasion im Frühjahr 2022 steigerte sich das Prekäre an der Situation des Energie-Sektors. Nicht allein, dass Infrastrukturen zerstört wurden und damit, durch Ausfall und Reparaturkosten, erhebliche Mehrkosten anfielen. Kunden zahlten zudem immer weniger ihre Rechnungen, die Gefahr des reihenweisen Bankrotts von Energie-Firmen nahm zu.

Die niedrigen Strompreise für Haushaltskunden werden überwiegend aus Mitteln des im Staatsbesitz befindlichen Kernkraftbetreibers Energoatom finanziert, zu einem geringeren Anteil aus Mitteln des ebenfalls im Staatsbesitz befindlichen Wasserkraftbetreibers Ukrhydroenergo.

Damit, dass der untere Dnepr Frontlinie wurde, mit Russlands Übernahme des Saporischschja Kernkraftwerks, mit der Sprengung des Kachowka-Staudamms und dem Ausfall des zugehörigen Wasserkraftwerks steigerten sich die finanziellen Schwierigkeiten für Energoatom (Verlust von 40 Prozent der Kapazität und entsprechend der Einnahmen) und Ukrhydroenergo.

Produzenten von Strom aus erneuerbaren Quellen sollen, so sagt es das Gesetz, ein Entgelt gemäß Einspeise-Tarifen erhalten. Sie sind nun in der ungemütlichen Situation, auf ihre zugesagte Vergütung nur hoffen zu können. 20 Prozent des Entgelts sollte aus dem Staatshaushalt kommen. die restlichen 80 Prozent sollten vom aufnehmenden Übertragungsnetzbetreiber, Ukrenergo, bezahlt werden. Doch die Regierung hat niemals die 20 Prozent gezahlt, und der Energie-Regulierer, niedrige Endkunden-Preise fest im Blick, hat niemals die Erlaubnis erteilt, dass Ukrenergo den vollen Betrag bezahlt, der den Produzenten von Strom aus erneuerbaren Quellen zusteht. Im Jahre 2022 und in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 haben sie nur etwa die Hälfte des ihnen zustehenden Betrags erhalten. Die ausstehenden Forderungen der Produzenten von Strom aus erneuerbaren Quellen beläuft sich bereits auf mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar.

Wie unter solchen Umständen die Ziele der Vereinbarung zwischen der Ukraine und der EU-Kommission Wirklichkeit werden können sollen, steht in den Sternen.

Dr. Hans-Jochen Luhmann ist Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.

Es wird vom Lion Air Flug am Tag zuvor (28. Oktober 2018) berichtet, dass die Piloten mit demselben Problem zu kämpfen hatten, zufällig aber ein nicht-diensthabender erfahrener Pilot mit im Cockpit war und sagen konnte „Ich kenne das Problem, Ihr müsst den Hebel X drücken.“

Die Untersuchungen in Seattle haben inzwischen etwas weit Ärgeres herausgebracht: Für die gesamte 737-Serie wurde das Duplizitätsprinzip für die Computersteuerung an Bord zwar hardwareseite eingebaut – dann aber wurden die faktisch nicht sinngemäß laufen gelassen, also einer aktiv, éiner im Stand-by, um im Fall des Ausfalls übernehmen zu können. Die beiden Bordcomputer waren vielmehr so eingestellt, dass die pro Flug abwechselnd nur einzeln eingeschaltet wurden.

Vgl. dazu die folgende Meldung vom 6.6.14 (Interfax Ukraine):
<<Interior Minister Arsen Avakov has said. „I have decided that a hundred percent of combat and patrol units of the Interior Ministry will take part in the antiterrorism operation. This is not only a necessity but also a test of their proficiency, spirit and patriotism. The tempering of units with real threats and challenges is a factor of the creation of a new police force which will be trusted by the public,“ … Avakov reported that 21 officers of the Chernihiv special-purpose patrol battalion comprising volunteers refused to go on a patrol mission in Luhansk region. „The battalion was assigned a patrolling mission in Luhansk region the day before yesterday. Eighty-six men departed to the designated sector to do a man’s job and to accomplish a combat mission in the regime of antiterrorism patrols. Twenty-one persons refused to go and submitted their resignations… They were dismissed immediately,„>>