Der Haushalt der Ukraine für das vierte Kriegsjahr (2025): Alles für’s Militär, zivile Ausgaben nur noch auf Kredit

 

Die Kolumne von Hans-Jochen Luhmann (Dezember 2024)

1.      Die Haushaltslage der Ukraine – auch im Vergleich

Das Parlament der Ukraine hat den Staatshaushalt für das Jahr 2025 beschlossen. In Kiew ist man weiter als die Sponsoren in Washington und in Berlin, wo die Haushaltsentwürfe für 2025 die parlamentarischen Hürden noch zu überwinden haben.

Der Haushalt 2025 der Ukraine zeigt eine Struktur, die aufschlussreich ist. Die Tabelle zeigt es. Dargestellt sind allein Anteilszahlen, da aber die Ausgaben insgesamt mit 95,5 Milliarden US-Dollar nahe an 100 liegen, entspricht das Angegebene den Ausgaben in Dollar in etwa (Wechselkurs mit 1:45 unterstellt).

Haushalt der Ukraine 2025, verabschiedet am 19. November 2024
 
Ausgaben gesamt100 %
Verteidigung56,0 %
Ziviles44,0 %
 
eigene Einnahmen59,4 %
Kreditaufnahme, staatlich und privat40,6 %

In einem Staatshaushalt werden die Ressourcen, die einem Staat voraussichtlich zur Verfügung stehen, verteilt. Die Ukraine geht, so weist ihr Haushalt aus, auch für 2025 von einem weiteren vollen Kriegsjahr aus. Priorisiert wird deshalb die Verteidigung: Für Rüstung, Militär und Nationalgarde werden gut 55 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel aufgewendet.

Daneben zu stellen hat man eine Zahl, die in ähnlicher Größenordnung liegt. Derjenige Teil des Haushalts für 2025, von dem man annimmt, dass er durch (eigene) Einnahmen gedeckt sei, liegt bei etwa 60 Prozent. Dabei hat man in Rechnung zu stellen, dass dem eine optimistische Schätzung des Aufkommens zugrunde liegt. Erst auf Druck ihrer Geldgeber (IMF) hin hat die Ukraine schließlich beschlossen, per 1. Dezember 2024 erhebliche Sondersteuern als Kriegssteuer, die etwa 3,6 Milliarden US-Dollar zusätzlich bringen soll, aufzuerlegen. Die „Kriegssteuer“ besteht aus einem Zuschlag (5 Prozentpunkte) zur Einkommensteuer, einer Immobiliensteuer und einer Sonderabgabe für Banken und andere Finanzdienstleister. Ob das geschätzte Aufkommen sich wirklich realisieren lässt beziehungsweise in welchem Umfang die notorische Steuervermeidung erfolgreich sein wird, muss sich erst noch zeigen. Für den Rest, die zivilen Aufgaben, werden Kredite aufgenommen, bei Geber-Staaten und auf dem privaten Kapitalmarkt. Dabei leiten Staaten wie die USA ihre Hilfe für die zivile Seite durch multilaterale Institutionen wie die Weltbank, die die zweck-adäquate Verwendung mit ihren etablierten Vorkehrungen überwacht und gewährleistet.

Staatliche Ausgaben in der Ukraine für zivile Zwecke sind somit nur noch per Staatsverschuldung möglich. Das ist eine Situation, die ein Staat wie die Ukraine nicht über mehrere Jahre durchhalten kann – für die USA ist das etwas anderes. Mit ihrem Haushalt 2025 signalisiert die Ukraine, dass sie sich an einer Grenze bewegt. Sie ist dabei, den eigentlichen Staatszweck faktisch aufzugeben und nur noch die Hülle eines Staatswesens zu finanzieren. Ob die Bevölkerung das tolerieren wird? Oder wird die dann unausweichlich die Hülle verlassen?

Ein Vergleich mit den USA, allerdings nur der Bundesebene dort, zeigt in der vorgegebenen Struktur folgendes Bild.

Haushalt der USA, Bundesebene, 2024
  
Ausgaben gesamt100 %
Verteidigung12,2 %
Ziviles87,8 %
 
eigene Einnahmen72,9 %
Kredeitaufnahme, staatlich und privat27,1 %

Das Budget der USA für das Haushaltsjahr 2024 ist mit 6.700 Milliarden US-Dollar massiv höher, davon sind 824 Milliarden US-Dollar für Verteidigungszwecke vorgesehen – nach NATO-Rechnung sind es sogar 968 Milliarden US-Dollar. Das ist in absoluten Beträgen viel – die USA bereiten sich eben auf einen Krieg gegen China vor, dessen Vollzug sie aber nicht der Fähigkeit berauben soll, nebenbei noch einen zweiten Krieg zu führen, etwa ein Engagement im Nahen Osten. Relativ sind 12,2 Prozent nicht sonderlich viel, der Verteidigungshaushalt des Bundes in Deutschland, nur Einzelplan 14, liegt für 2024 bei 10,9 Prozent; rechnet man die Aufwendungen aus dem verteidigungspolitischen Sonderfonds aus dem Jahre 2022 hinzu, so kommt man auf einen Anteil, der höher ist als im US-Budget. Erheblich unterschiedlich ist das Volumen der Kreditaufnahme und folglich die Relation von Verteidigungshaushalt und Kreditaufnahme. Die USA finanzieren ihren Verteidigungshaushalt mit lediglich 40 Prozent ihrer Schuldenaufnahme, in Deutschland übersteigen die Verteidigungsausgaben die jährliche Kreditaufnahme deutlich.

2.      Haushalts-Episoden um die Nachlassbestellung des abtretenden Joe Biden

Der alsbald abtretende US-Präsident, Joe Biden, wird regelmäßig als bekennender und erfahrener „Transatlantiker“ bezeichnet. Als solcher ist er so etwas wie ein tragischer Held geworden. Was auch immer die Rolle von Kanzlerin Merkel in diesem Kontext, nach Bidens Amtsantritt, gewesen sein mag: Er war es, der mit seinem Umgang mit dem zugespitzten Konflikt um die Ukraine im Ergebnis Russland an die Seite Chinas gerückt hat, was definitiv gegen elementares US-Interesse verstößt. So kann es gehen, wenn man als „Transatlantiker“ Politik als Herzensangelegenheit betreibt und nicht kühl bis ans Herz strategisch durchkalkuliert.

Dann ist ihm mit der bedingungslosen („as long as it takes“) Unterstützungszusage für die Ukraine etwas menschlich höchst Problematisches unterlaufen. Er hat die Ukraine mit seinen freihändigen Zusagen, hinter denen kein belastbarer Wille im Kapitol in Washington stand, in die Lage gebracht, dass diese begann, einen Krieg auszufechten, den sie auf Dauer militärisch nicht gewinnen konnte. Gleichsam verführt wurde sie, und wohl auch Präsident Biden, dazu dadurch, dass sie in der Abwehr der beiden russischen Vorstöße auf Kiew grandiose Anfangserfolge zu erzielen vermochte – Oberst Reisner von der Theresianischen Militärakademie hat überzeugend darauf hingewiesen, dass der zweite Erfolg einer war, der durch eine sehr kluge Kriegslist des eigentlich Unterlegenen errungen wurde. Die List bestand darin, anders als 2014, die gegnerischen Truppen weit ins Land zu lassen, den Gegner dazu sogar zu verführen, und erst dann gegen seine schutzarmen Panzer mit modernen handgestützten Panzerabwehrwaffen anzukämpfen, und zwar bevorzugt gegen dessen Nachschub. Die russischen Massaker unter diesem Risiko ausgesetzter Bevölkerung in ukrainischem Kernland nordöstlich von Kiew, so Reisner, waren in gewisser Weise ein Teil des Preises für diese erfolgreiche List des Davids gegen Goliath.

Dass die Ukraine nicht siegen konnte, darf aus der Konzeptlosigkeit dieses Kampfes geschlossen werden, nachdem er von Russland nach dem Scheitern des Zugriffs auf Kiew und dem Scheitern der Verhandlungen mit der Ukraine zur Abnützungsschlacht rekonfiguriert wurde. Es gab seitens der westlichen Unterstützer nur einmal einen Versuch, ein Konzept dafür zu entwickeln, wie die Ukraine in diesem Krieg mindestens zeitweilig militärisch in die Oberhand kommen könnte, das ist qua Ausrüstung und Unterstützung für die Sommeroffensive 2023 der Ukraine – seit deren Scheitern wird der Krieg seitens der Ukraine/ des Westens ohne strategisches militärisches Konzept beziehungsweise sogar, seit Juli 2024, wider besseren Wissens weitergeführt, gemäß der Formel „Russland darf nicht siegen“. In Wirtschaftsdeutsch übersetzt: Er ist einer Situation vergleichbar, wo einer pleiteträchtigen Unternehmung mit ihren bereits abgeschriebenen Investitionen immer noch mehr gutes Geld nachgeworfen wird.

„Wider besseren Wissens“ kann man seit Juli 2024 behaupten. Auf Ende Juli hatte die US-Regierung, vertreten durch das Department of Defense und das State Department, einen Bericht vorzulegen zur Beantwortung der Frage nach dem mit den zu gewährenden Finanz- und Rüstungsmitteln militärisch erreichbaren Zweck – auf die Frage nach dem militärischen Kriegsziel des Westens war in diesem Bericht also Antwort zu geben. Die Verpflichtung zur Vorlegung dieses Berichts hat die republikanische Seite des US-Kongresses in das Ukraine Security Supplemental Appropriations Act, 2024 hineingebracht. Das Haushaltsgesetz war als Antrag der Biden-Administration zur Genehmigung weiterer Hilfen für die Ukraine im Haushalt 2024 eingebracht worden, wurde dann erst nach langem Gezerre, mit erheblichen Veränderungen gegenüber der Antragsfassung, Ende April 2024 verabschiedet.

Der geforderte Bericht von Pentagon und Außenamt ist dann auch vorgelegt worden, selbstverständlich „restricted“ – die mit der Sache befassten Abgeordneten aber konnten sich damit bestens informieren und haben es auch getan. Bei dem Besuch Selenskyjs Ende September 2024 in Washington ging es in den Gesprächen um den Haushaltsvoranschlag für 2025 – das Haushaltsjahr beginnt in den USA am 1. Oktober. Diese Gespräche wurden offen geführt mit bohrenden Nachfragen, was denn mit den Waffen gegebenenfalls. geplant sei. Zusagen hat der ukrainische Staatschef nicht erhalten. Der Vorschlag der Biden-Administration für ein neuerliches Unterstützungspaket für die Ukraine ist überdies zunächst einmal vertagt worden, der 20. Dezember 2024 ist der Termin, auf den sich die im Kongress vertretenen Parteien geeinigt haben, dass der Haushalt für 2025 mit dem, was dann entscheidungsreif ist, auch verabschiedet wird.

Die Vorbereitung dafür ist gegenwärtig im Entwurf des „Stand With Ukraine Act“ zusammengefasst. Dahinter steht eine Gruppe aus Vertretern beider Parteien, die für die Unterstützung der Ukraine eintreten. Die Vorkehrungen in dem Entwurf sind sehr weitreichend, auch zeitlich, mit Ermächtigungen bis zum Jahre 2035. Nach dem erdrutschartigen Sieg Trumps und damit der MAGA-Fraktion innerhalb der Republikaner scheint die Aussicht auf eine bruchlose Weiterführung der Unterstützungspolitik aus der Zeit der Biden-Administration sehr an Wahrscheinlichkeit verloren zu haben.

Zum Kehraus gehört dann auch dies. Der Supplemental Security Assistance Act von April 2024 enthielt etwa zehn Milliarden US-Dollar an sogenannter “ökonomischer” Hilfe, das ist zur Haushaltsunterstützung, als Kredit, nicht als Geschenk. Die Bedingungen gaben Präsident Biden das Recht, bis zu 50 Prozent dieser Summe in ein Geschenk umzuwandeln.

Präsident Biden hat dem Kongress nun ein statement of intent unterbreitet, sein Mandat voll in Anspruch zu nehmen, also für die Hälfte der Haushaltsunterstützung für die Ukraine den Kreditcharakter zu streichen. Es geht in Summe um ein Kreditvolumen in Höhe von etwa 4,65 Milliarden US-Dollar.

Der Kongress hat nun das Recht, dem zu widersprechen. Es wird aber nicht erwartet, dass er Einspruch erheben wird.

Hans-Jochen Luhmann, Mitglied der Studiengruppe „Frieden und Europäische Sicherheit“ der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).

Es wird vom Lion Air Flug am Tag zuvor (28. Oktober 2018) berichtet, dass die Piloten mit demselben Problem zu kämpfen hatten, zufällig aber ein nicht-diensthabender erfahrener Pilot mit im Cockpit war und sagen konnte „Ich kenne das Problem, Ihr müsst den Hebel X drücken.“

Die Untersuchungen in Seattle haben inzwischen etwas weit Ärgeres herausgebracht: Für die gesamte 737-Serie wurde das Duplizitätsprinzip für die Computersteuerung an Bord zwar hardwareseite eingebaut – dann aber wurden die faktisch nicht sinngemäß laufen gelassen, also einer aktiv, éiner im Stand-by, um im Fall des Ausfalls übernehmen zu können. Die beiden Bordcomputer waren vielmehr so eingestellt, dass die pro Flug abwechselnd nur einzeln eingeschaltet wurden.

Vgl. dazu die folgende Meldung vom 6.6.14 (Interfax Ukraine):
<<Interior Minister Arsen Avakov has said. „I have decided that a hundred percent of combat and patrol units of the Interior Ministry will take part in the antiterrorism operation. This is not only a necessity but also a test of their proficiency, spirit and patriotism. The tempering of units with real threats and challenges is a factor of the creation of a new police force which will be trusted by the public,“ … Avakov reported that 21 officers of the Chernihiv special-purpose patrol battalion comprising volunteers refused to go on a patrol mission in Luhansk region. „The battalion was assigned a patrolling mission in Luhansk region the day before yesterday. Eighty-six men departed to the designated sector to do a man’s job and to accomplish a combat mission in the regime of antiterrorism patrols. Twenty-one persons refused to go and submitted their resignations… They were dismissed immediately,„>>