Der Kampf gegen die Finanzströme des IS reduziert sich auf Lippenbekenntnisse

 

Die Kolumne von Hans-Jochen Luhmann

Weihnachten ist das Fest des Friedens. Dessen Lage gestaltet sich indes immer unübersichtlicher, wie Außenminister Steinmeier bei der Vorstellung seines Programms für die deutsche Präsidentschaft in der OSZE schon am 2. Juli 2015 formulierte:

Dieses Europa navigiert durch äußerst turbulentes Fahrwasser. Wir haben innere und äußere Stürme zu bewältigen. In der Ukraine tobt eine sicherheitspolitische Krise, […] gleichzeitig fegen […] insbesondere im Raum vom Irak und Syrien bis in die Sahelzone, viele weitere Krisen und Konflikte – und das in einer Vielzahl, Komplexität und Heftigkeit, wie ich sie in meiner gesamten politischen Biographie noch nicht erlebt habe.

Frank-Walter Steinmeier mit seinen bald 60 Jahren Lebenserfahrung sieht die Lage also präzedenzlos. Greifen wir auf die historische Erfahrung zurück, drängen sich uns die Analogien allerdings unübersehbar auf: Erst globale Finanzkrise, dann aufpoppender Nationalismus allerorten; schließlich eine mediale Feindbildproduktion, deren Zeuge wir gegenwärtig sind, und schließlich …? Man mag es sich kaum ausmalen!

Wir erleben den bedenkenlosen Griff zu kollektiver Gewalt in einer „Koalition der Willigen“, gesteuert in Führungsstrukturen, bei denen lediglich das rechtliche Türschild mit der Aufschrift „NATO“ abgeschraubt worden ist. Dazu ist alles vorbereitet, dazu steht alles zur Verfügung. Würde man mit dem gleichen Aufwand (und das heißt jahrelanges militärisches Training auf hohem Niveau mit milliardenteuren Waffen in Dutzenden von Staaten) einen Feldzug gegen die Finanzströme und -guthaben der in Syrien bekämpften Gruppen durchführen, wären diese schnell am Ende.

Der Griff zur Gewalt gilt als „ultima ratio“, als alternativlose letzte Möglichkeit, und das ist der Grund, weshalb er so gut präpariert ist: Greift man zur Gewalt, muss man den Gegner auch niederringen. Gleich auf „ultima“ zuzugreifen und das „Vorletzte“ wegzulassen, ist eine in Glaubensdingen bekannte Verführung – sie treibt auch bei dem habituellen Griff zur Gewalt ihr Unwesen.

Dr. Hans-Jochen Luhmann ist Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.

Im Mandat des deutschen bewaffneten Einsatzes in Syrien wird mitgeteilt, dass im Rahmen der internationalen Allianz gegen IS (ISSG), an der neben Deutschland 63 weitere Staaten beteiligt sind, Arbeitsgruppen zu fünf Handlungslinien gebildet wurden, an denen Deutschland sich sämtlich beteiligt, in einer sogar den Co-Vorsitz innehat (zu Stabilisierung). Daneben gibt es Arbeitsgruppen zu Militär und Kommunikationsstrategie sowie zwei zu ökonomischen Bereichen, das sind Unterbrechung der Finanzströme und Unterbrechung des Zulaufs von ausländischen Kämpfern.

Wer den Vorsitz in der AG zum Thema Unterbrechung der Finanzströme inne hat, ist unbekannt. Der Stand der bisherigen Verfolgung dieser Option ist den Unterlagen des G-20-Gipfels in Antalya/Türkei vom November 2015 zu entnehmen. Man erkennt daran gut, was das Wesen eines Lippenbekenntnisses ist. Das Ergebnis zitiere ich hier im Original – es spricht für sich. Autor ist die „Financial Action Task Force“ FATF, das ist die einschlägige Arbeitsgruppe der OECD. Sie basiert ihren Bericht auf einem Review der Systeme für Anti-Geldwäsche und Bekämpfung der Terror-Finanzierung (AML/CFT) in 194 Staaten beziehungsweise Jurisdiktionen. Das Ergebnis besteht aus zwei Punkten, die jeweils

(a) den Grundsatz zum Gegenstand haben und dann

(b) die Umsetzung des Grundsatzes.

Es liest sich so:

(1) „Almost all jurisdictions ‑ particularly the systemically important jurisdictions ‑ have criminalised terrorist financing as a distinct offence. […]

But relatively few jurisdictions have obtained convictions for terrorist financing, and many jurisdictions do not yet criminalise financing an individual terrorist for a purpose unrelated to committing a terrorist act.“

(2) „Most jurisdictions have legal instruments to implement targeted financial sanctions, […]

Most jurisdictions never make practical use of targeted financial sanctions. Even though there are adequate legal powers, these are not activated in practice, either in relation to UN sanctions or national sanctions. Two-thirds of jurisdictions have never taken any practical actions related to targeted financial sanctions.“

So liest es sich, wenn ein Lippenbekenntnis offiziell, von der zuständigen FATF, denunziert wird.

Doch es scheint sich etwas zu tun. Der UN-Sicherheitsrat hat am 17. Dezember 2015 erstmals als Finanzministerrat getagt, unter dem Vorsitz des US-Finanzministers Jacob J. Lew. Verabschiedet wurde die umfängliche Resolution 2253 (2015), die ein umfangreiches Arbeitsprogramm enthält. Vorbereitet wurde sie von den USA und Russland gemeinsam. Sinn ist, die FAFT-Empfehlungen global verpflichtend zu machen. Ausdrücklich werden die Mängel, die der FATF im Bericht an die G20 aufgelistet hat, geklärt.

Wir werden sehen, was das für Deutschland bedeutet. Die mediale Abdeckung der Resolution 2253 ist bislang gleich Null – auch die Opposition im Deutschen Bundestag hat sich dieses fachlich bislang sperrig erscheinenden Themas nicht angenommen. Eine vom FATF angeforderte „Nationale Risikoanalyse“ für Deutschland steht aus, ist aber dem Vernehmen nach in Vorbereitung und Bearbeitung. Aber anscheinend lässt man sich da Zeit. Es geht eben nicht um Militärisches …

 

 

 

Es wird vom Lion Air Flug am Tag zuvor (28. Oktober 2018) berichtet, dass die Piloten mit demselben Problem zu kämpfen hatten, zufällig aber ein nicht-diensthabender erfahrener Pilot mit im Cockpit war und sagen konnte „Ich kenne das Problem, Ihr müsst den Hebel X drücken.“

Die Untersuchungen in Seattle haben inzwischen etwas weit Ärgeres herausgebracht: Für die gesamte 737-Serie wurde das Duplizitätsprinzip für die Computersteuerung an Bord zwar hardwareseite eingebaut – dann aber wurden die faktisch nicht sinngemäß laufen gelassen, also einer aktiv, éiner im Stand-by, um im Fall des Ausfalls übernehmen zu können. Die beiden Bordcomputer waren vielmehr so eingestellt, dass die pro Flug abwechselnd nur einzeln eingeschaltet wurden.

Vgl. dazu die folgende Meldung vom 6.6.14 (Interfax Ukraine):
<<Interior Minister Arsen Avakov has said. „I have decided that a hundred percent of combat and patrol units of the Interior Ministry will take part in the antiterrorism operation. This is not only a necessity but also a test of their proficiency, spirit and patriotism. The tempering of units with real threats and challenges is a factor of the creation of a new police force which will be trusted by the public,“ … Avakov reported that 21 officers of the Chernihiv special-purpose patrol battalion comprising volunteers refused to go on a patrol mission in Luhansk region. „The battalion was assigned a patrolling mission in Luhansk region the day before yesterday. Eighty-six men departed to the designated sector to do a man’s job and to accomplish a combat mission in the regime of antiterrorism patrols. Twenty-one persons refused to go and submitted their resignations… They were dismissed immediately,„>>