Die „CO2-Bepreisung“ im Klimapaket der Bundesregierung

 

Die Nutzung der Atmosphäre als Mülldeponie für die Abprodukte aus der Verbrennung von Brennstoffen fossiler Herkunft muss einen Preis haben. Das ist seit langem klar, anders ist die Übernutzung der Atmosphäre nicht einzudämmen. Die Politik arbeitet seit längerem an einem Bepreisungsmodell, hat es schrittweise konkretisiert, jetzt mit weitreichenden und überrraschenden Veränderungen und Volten.

Die Kolumne von Hans-Jochen Luhmann



Die Nutzung der Atmosphäre als Mülldeponie für die Abprodukte aus der Verbrennung von Brennstoffen fossiler Herkunft muss einen Preis haben. Das ist seit langem klar, anders ist die Übernutzung der Atmosphäre nicht einzudämmen. Der Staat hat das Nutzungsentgelt für dieses „common good“, einzusammeln; bei dem Ertrag aus dieser Abfallgebühr handelt es sich um ein leistungsloses Einkommen, das Privaten nicht zusteht.

Die akademischen Ökonomie-Elephanten hatten über Jahre darüber gestritten, ob die Bepreisung in Form einer fixen CO2-Steuer oder in Form einer Mengenbegrenzung mit freier Preisbildung zu gestalten sei. Der Sachverständigenrat für Wirtschaft (SVR), die „Wirtschaftsweisen“, plädierte letztlich für eine Lösung qua Handelssystem, gab dabei allerdings die Maxime einer Mengenbegrenzung auf. Der Sachverständigenrat räumte ein, dass es aus Gründen politischer Opportunität für die freie Preisbildung eine Preis-Höchstgrenze geben müsse. Er selbst hat zwar keine Zahl für eine Höchstgrenze genannt. Die Aussage, bei 60 €/ t CO2, was etwa 18 Cent/Liter Treibstoff entspricht, habe der Staat einzugreifen, findet sich bei ihm nirgends, wohl aber findet sich in dem Gutachten für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), welches der Vorsitzende des Sachverständigenrates mit Manuel Frondel zusammen erarbeitet hat, eine Preisspanne von 25 bis 65 €/ t CO2.

Nach Ausstellung dieses sehr weitreichenden Freibriefes bereits im Juli 2019 hat die Politik an dem Bepreisungsmodell weiter gearbeitet, es schrittweise konkretisiert. Mit weitreichenden und überrraschenden Veränderungen und Volten.

Das Bepreisungs-Instrument als Chamäleon in der Phase seiner Entstehung

Zunächst zur Benennung. Der Bundesausschuss der CDU hatte am 16. September 2019, gleichsam am Vorabend des 20. September, für das neuartige „Bepreisungs-Instrument“ noch für einen „Nationalen Emissionshandel Gebäude und Verkehr“ plädiert – für eine reine Knappheitslösung, allerdings lediglich in zwei Sektoren, nämlich dort, wo weit überwiegend Treibstoffe, Heizöl und Gas in kleinen Verbrennungsanlagen eingesetzt werden.

Mit dem Klimapaket des Klimakabinetts vom 20. September 2019 mutierte das Bepreisungs-Instrument zum „nationalen Emissionshandelssystem (nEHS)“, unter der Überschrift, dass es um die Einführung einer „CO2-Bepreisung“ gehe. Die Begrenzung auf zwei Sektoren war geschleift, zugleich waren Treibhausgase neben CO2 (aus fossilen Quellen) ausgeschlossen worden.

Die CO2-Bepreisung wurde in zwei Phasen von je fünf Jahren aufgeteilt. Von 2021 bis 2025 solle es einen sogenannten „Festpreis“ geben, der jährlich ansteigt, von 10 €/t im ersten Jahr bis auf 35 €/t in 2025 – allerdings, in aller Unschuld, ohne gegen die Entwertung durch Inflation Vorsorge zu treffen beziehungsweise für Ausgleich zu sorgen. Danach, ab 2026, sollen die Emissionsrechte an diejenigen, die Mineralölprodukte in Verkehr bringen, frei auktioniert werden – mit einem Höchstpreis allerdings. Worauf sich dieser Preis genau bezieht, auf das Austausch-Verhältnis „begebender Staat & Mineralölunternehmen“ oder „Mineralölunternehmen & Mineralölprodukte-Verbraucher“, blieb ungeklärt.

Der Entwurf des Gesetzes, welches diese ungefähren Wünsche beziehungsweise Maßgaben des Klimakabinetts zu präzisieren hat, hat die Bundesregierung in hoher Eile vorgelegt: Den Referentenentwurf am 22. Oktober, am 24. Oktober bereits hat sie die Kabinettsfassung dem Bundesrat überstellt. Darin hat das Instrument zunächst einmal erneut einen anderen Namen erhalten, es heisst nun „nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen (BEHG)“. Das ist die Rücknahme der Entscheidung, dass es allein um CO2 (aus fossilen Brennstoffen) gehe. Hier ist Raum gegeben für weitere Treibhausgase, sofern sie beim In-Verkehr-bringen von Brennstoffen entweichen oder beim Verbrennen entstehen. Das ist abgaberechtlich nicht wirklich eine Besonderheit, aber doch bemerkenswert: Einer Abgabe unterworfen wird nicht ein Gegenstand allein gemäß seinen chemischen Eigenschaften, sondern darüber hinaus auch gemäß von etwas, was später, bei seiner Nutzung erst, entstehen wird.

Nun also sind die Emissionen von Methan (CH4) – da geht es um klitzkleine Mengen – sowie die von Lachgas (N2O) aus Verbrennungsprozessen mitenthalten. Bei Lachgas, dem Verbrennungsbegleitprodukt, geht es um ein Emissionsvolumen von immerhin 1,6 Millionen t CO2eq./a. Das Mengengerüst der Besteuerungsbasis in CO2-Emissionen gibt der Bundesfinanzminister (für 2021) mit 360 Millionen t an. Relativ dazu sind die nun aufgeschlagenen N2O-Emissionen zwar nur 0,5 Prozent; aber für den Haushalt des Bundes wert sind sie, in 2025, immerhin 56 Millionen €; für die 5-Jahres-Periode bis 2025 geht es um etwa 200 Millionen €.

Ernstliche Mengenbegrenzung oder lediglich “so tun als ob”?

Wer die Grundsatzentscheidung des Klimakabinetts für einen „Festpreis“ in einer Einführungsphase, über üppig bemessene fünf Jahre, zur Kenntnis nahm und die Erfahrungen der letzten anderthalb Jahrzehnte mit der Einführung des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS) für große emittierende Anlagen vor Augen hat, fragt sich Zweierlei.

  1. Wie sollen die begrenzten und absteigenden Mengenziele, die unter EU-Dach für die Kleinemittenten, vor allem im Verkehr und in Gebäuden, in Deutschland gelten, eingehalten werden können, wenn der Preis fest – und zugleich ziemlich niedrig – ist? Der ist nur niedrig zu halten, wenn die Bundesregierung zum fixierten Preis Emissions-Rechte in unbegrenzter Höhe, so wie nachgefragt, ausgibt. Das ist, wenn sie in dieser Zeit keine Mengenbegrenzung verfolgt. Über die freigiebig auszugebenden Emissions-Rechte verfügt die Bundesregierung aber faktisch nicht autonom, lediglich rechtlich ist sie da autonom: Sie hat sich vielmehr ihrerseits auf Ebene der übrigen EU-Mitgliedstaaten mit Rechten einzudecken, sie hat die inländisch begebenen Rechte zu „refinanzieren“. Da aber sind die Rechte äußerst knapp. Je mehr die Bundesregierung von diesen Zertifikaten mit dem Namen AEA nachfragt, desto knapper und somit teuer werden sie werden. Die Schleusen für die inländische indirekte Nachfrage nach AEA bedingslos zu öffnen, ist absehbar ein schlechtes Geschäft somit für den Bundeshaushalt. Wie werden sich die Institutionen in Deutschland, die für die Solidität des Bundeshaushalts stehen, sich dazu positionieren?
  2. Beim EU ETS hatte es ebenfalls eine Einführungsphase gegeben, das ist üblich und legitim. Damals reichten dafür zwei Jahre. Auch da wurde, zum „Angewöhnen“, mit „Festpreisen“ gearbeitet – die waren noch um 10 €/ t niedriger angesetzt worden als heute geplant, bei Null. Sie wurden verschenkt an die Emittenten, vor allem die Kraftwerksbetreiber. Die Erwartung in den Zirkeln von Nicht-Experten war, dass diese Großzügigkeit weitergereicht werden würde, dass die Stromversorger umsonst weiterreichen würden, was ihnen kostenlos überlassen worden ist. Das taten diese aber nicht. Sie preisten den Wert der Rechte in den Strompreis ein, in Höhe des Marktpreises, den der Handel ihnen signalisierte. Die Differenz zwischen Null und dem Marktpreis strichen sie als Extra-Gewinne ein, einfach so, ohne einen Finger zu rühren – dieses Geld wurde den Stromverbrauchern aus der Tasche gezogen. Das war ein unsozialer Verteilungsvorgang enormen Ausmaßes, „eingebrockt“ von einem Umweltminister der SPD. Die Differenz zum gegenwärtig konzipierten Einführungsvorgang ist lediglich, dass der Festpreis nicht Null sondern 10 €/t ist. Am Prinzip hat sich nichts geändert. Wie will die Politik verhindern, dass diesmal erneut satte Extra-Gewinne gemacht und abgeschöpft werden, nun zu Lasten der Verkehrsteilnehmer, Gebäudebewohner und Landwirte?

Diese Fragen stehen im Raum. Was vermag die Lektüre des Entwurfs des BEHG für die beiden Rätselfragen zu klären?

Der Gesetzestext lässt die Rätsel unaufgelöst

Die Antworten auf beide Fragen hängen davon ab, wie die Vergabe der Emissions-Rechte an die Unternehmen, die Kraft- und Heizstoffe, also Ölprodukte und Erdgas, in Verkehr bringen, für die erste Periode, die fünf Jahre mit „Festpreisen“, organisiert werden wird. Das ist auch mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf nur unzureichend klar.

Wenn es, wie beschlossen, in dieser Zeit zum Aufbau eines nationalen Handelssystems kommt, wie der Name es ja sagt, und wenn es auf dieser Plattform noch vor 2025 zu einem Handel kommt, dann kommt es zu unterschiedlichen Preisen auf dem privaten Markt einerseits und bei der staatlichen Ausgabestelle andererseits. Wenn die Preise an beiden Stellen immer gleich wären, gäbe es keinen Grund zur Arbitrage, zum Handel. Möglich ist privater Handel nur, wenn

  1. entweder die staatliche Rechtevergabe irgendwie beschränkt ist – dann kommt es zu höheren Preisen als dem staatlichen Festpreis;
  2. oder aus irgendwelchen Gründen Unternehmen vom Staat mehr an Rechten gekauft haben, als sie faktisch benötigen, und diese kleinen Überschußmengen wieder abstoßen wollen  – dann kommt es zu einem Preis unterhalb des Festpreises.

Auf dieser (scheinbaren) Detailstufe aber ist das Regelwerk noch nicht definiert.

Ein Letztes. Welches Motiv der Bundesregierung könnte hinter dieser seltsam freigiebigen nun geplanten Handhabung stecken? Das „Geschäftsmodell“ sieht auf den ersten Blick seltsam aus: Sie verkauft ohne Begrenzung Rechte für 10 €/t, und deckt sich mit AEA-Rechten zu vermutlich weit höheren Preisen in Europa ein. Wie will die Bundesregierung aus diesem Verlustgeschäft, mit einer enormen Haushaltsbelastung, herauskommen? Oder auch: Wie will sie es rechtfertigen, wenn der Rechnungshof nachfragt? Eigenlich sollen doch die „Nutzungsgebühren“ den Verkehrsteilnehmern und den Gebäudenutzern auferlegt werden, nicht dagegen vom Staat subventioniert werden. Das erst ist doch der Sinn einer „CO2-Bepreisung“, der Sinn ist nicht erfüllt, wenn der Staat nur sich selbst bepreist.

Dieses Rätsels Lösung könnte wie folgt aussehen. Hintergrund sind die Maßgaben in §4 BEHG, die Festlegung der „Jährlichen Emissionsmengen“ in der „Mengenplanung“. Da ist in Abs. 1 festgeschrieben:

Für jedes Kalenderjahr innerhalb einer Handelsperiode wird eine Menge an Brennstoffemissionen in Deutschland festgelegt, welche hinsichtlich der Brennstoffemissionen die Einhaltung der Minderungsverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 4 Absatz 1 der EU-Klimaschutzverordnung in Verbindung mit Anhang 1 der EU-Klimaschutzverordnung gewährleistet.

Da steht also, dass „eigentlich“ der deutsche Markt von der Bundesregierung mit Emissionsrechten nicht nachfragegerecht beliefert beziehungsweise subventioniert werden darf. Wie kann die Maßgabe in § 4 (1) BEHG zusammenpassen mit der Maxime eines „Festpreis“-Systems für die ersten fünf5 Jahre?

Die Antwort könnte in der Weise der Berechnung der für die zweite Periode zur Verfügung zu stellenden Menge stecken. Der Hintergedanke könnte sein, die zitierte Maßgabe später in einer speziellen Weise zu interpretieren: Die in der Festpreis-Periode vom Staat vergebene überschießende Menge wird berücksichtigt und zum Abzug gebracht, mit der Folge, dass die Mengenvorgabe unter der Klimaschutz-Verordung der EU für die gesamte Dekade bis 2030 von den Emittenten (vor allem) im Verkehr- und Gebäude-Bereich eingehalten wird.

Wenn das der Plan wäre, dann wären wir Zeugen eines großangelegten zeitüberbrückenden Arbitrage-Geschäfts der Haushaltspolitik. Es bleibt spannend.


Es wird vom Lion Air Flug am Tag zuvor (28. Oktober 2018) berichtet, dass die Piloten mit demselben Problem zu kämpfen hatten, zufällig aber ein nicht-diensthabender erfahrener Pilot mit im Cockpit war und sagen konnte „Ich kenne das Problem, Ihr müsst den Hebel X drücken.“

Die Untersuchungen in Seattle haben inzwischen etwas weit Ärgeres herausgebracht: Für die gesamte 737-Serie wurde das Duplizitätsprinzip für die Computersteuerung an Bord zwar hardwareseite eingebaut – dann aber wurden die faktisch nicht sinngemäß laufen gelassen, also einer aktiv, éiner im Stand-by, um im Fall des Ausfalls übernehmen zu können. Die beiden Bordcomputer waren vielmehr so eingestellt, dass die pro Flug abwechselnd nur einzeln eingeschaltet wurden.

Vgl. dazu die folgende Meldung vom 6.6.14 (Interfax Ukraine):
<<Interior Minister Arsen Avakov has said. „I have decided that a hundred percent of combat and patrol units of the Interior Ministry will take part in the antiterrorism operation. This is not only a necessity but also a test of their proficiency, spirit and patriotism. The tempering of units with real threats and challenges is a factor of the creation of a new police force which will be trusted by the public,“ … Avakov reported that 21 officers of the Chernihiv special-purpose patrol battalion comprising volunteers refused to go on a patrol mission in Luhansk region. „The battalion was assigned a patrolling mission in Luhansk region the day before yesterday. Eighty-six men departed to the designated sector to do a man’s job and to accomplish a combat mission in the regime of antiterrorism patrols. Twenty-one persons refused to go and submitted their resignations… They were dismissed immediately,„>>