„Defuel Russia’s War Machine“ schlüsselt weltweite Joint Ventures mit russischen Öl- und Gasunternehmen und Finanzierer der fossilen Industrie Russlands auf

 

Recherchen der deutschen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und der russischen Umwelt-NGO Ecodefense zu dem russischen fossilen Sektor und den Banken und Investoren hinter ihr sind nicht in Einklang zu bringen mit den Solidaritätsbekundungen der globalen Finanzindustrie mit der Ukraine. Nur eine Handvoll Energieunternehmen haben den Rückzug aus Russland angekündigt, die Mehrheit macht weiter wie bisher. Die Geschäftsführerin von urgewald: „Diese Unternehmen gefährden schon lange unser Klima, nun unterstützen sie auch Putins grausamen Krieg gegen die Ukraine.“



(Berlin, 4. April 2022) Die deutsche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und die russische Umwelt-NGO Ecodefense haben heute den zweiten Teil ihrer Kampagnen-Webseite „Defuel Russia’s War Machine“ veröffentlicht. Neben den wichtigsten EU-Importeuren von russischen Energieträgern werden nun auch Joint Ventures internationaler Energieunternehmen mit den vier größten russischen Öl- und Gasunternehmen Gazprom, Novatek, Rosneft und Lukoil offengelegt. Zudem werden die Verbindungen der globalen Finanzindustrie zum fossilen Sektor Russlands transparent gemacht.

„Die neuesten Rechercheergebnisse zu dem russischen fossilen Sektor und den Banken und Investoren hinter ihr sind nicht in Einklang zu bringen mit den Solidaritätsbekundungen der globalen Finanzindustrie mit der Ukraine“, sagt Katrin Ganswindt, Leiterin Finanzrecherche bei urgewald. „Die globale Finanzindustrie hat mit Krediten für und Investitionen in die russische fossile Industrie einen fatalen Beitrag zur Stützung eines verbrecherischen Regimes geleistet. Wir fordern internationale Banken und Investoren auf, sich sofort aus Russland und speziell aus russischen fossilen Firmen endgültig zurückzuziehen. Fossile Firmen, die ihre Joint Ventures mit russischen Unternehmen nicht beenden, sollten von Finanzinstituten ebenfalls ausgeschlossen werden, wenn wir wirklich versuchen wollen, mit allen möglichen Mitteln Putins Machtapparat zu schwächen.“

urgewald und Ecodefense fordern einen sofortigen und vollständigen Importstopp für Energieträger aus Russland. Putins jüngsten Ankündigungen zu Gaszahlungen in Rubel oder Euro beziehungsweise US-Dollar zeigen klar, welchen sensiblen Punkt ein EU-Importstopp treffen würde – und welche Bedeutung diese Verschärfung der Sanktionen für eine Beendigung des Kriegs in der Ukraine spielen könnte.

Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald kommentiert: „Seit der Invasion Russlands in die Ukraine haben wir zahlreiche Solidaritätsbekundungen von internationalen und speziell westlichen Energie- und Finanzunternehmen gehört. Unsere Recherchen zeigen aber, dass die meisten von ihnen weiterhin Profite vor die Moral stellen. Nur eine Handvoll Energieunternehmen haben den Rückzug aus Russland angekündigt, die Mehrheit macht weiter wie bisher. Diese Unternehmen gefährden schon lange unser Klima, nun unterstützen sie auch Putins grausamen Krieg gegen die Ukraine. Diese wirtschaftliche Rückendeckung für einen brutalen Diktator und Kriegsverbrecher muss sofort beendet werden.“

Defuel Russia’s War Machine deckt internationale Beteiligung an Öl- und Gas Joint Ventures mit russischen Partnern auf

Bis heute (4. April 2022) haben nur Shell, BP, Exxon und Equinor öffentlich den Rückzug aus dem russischen Markt bekannt gegeben. 20 internationale Öl- und Gasunternehmen sind weiterhin im russischen Markt in 14 Joint Ventures aktiv und spülen damit Gelder in Putins Kriegskasse in Form von Lizenzgebühren und Steuern.

Bisher hat auch kein einziges Energieunternehmen seine internationalen Joint Ventures mit russischer Beteiligung aufgekündigt. Im Rahmen von 34 Joint Ventures kooperieren 41 internationale Energieunternehmen mit Gazprom, Novatek, Rosneft oder Lukoil, um Öl und Gas in 20 Ländern jenseits Russlands zu fördern. Hier herrscht „business as usual“, obwohl auch diese internationalen Kooperationen letztlich Putins fossile Macht stützen.

Ganz oben im Ranking steht die italienische Eni: sie kommt in den Recherchen von urgewald und Ecodefense auf 11 aktive Joint Ventures zur Öl- und Gasförderung weltweit (jenseits des russischen Marktes) mit Lukoil, Rosneft und Novatek. Oft handelt es sich hierbei um besonders umweltschädliche Offshore-Förderung. TotalEnergies und Wintershall Dea folgen mit jeweils sechs entsprechenden Joint Ventures außerhalb Russlands. Und obwohl Shell und BP angekündigt haben, sich aus Projekten mit Rosneft im russischen Markt zurückzuziehen, sind beide noch an mehreren Joint Ventures zur Öl- und Gasförderung in Asien und dem Mittleren Osten beteiligt, in denen auch Lukoil involviert ist.

„Aus deutscher Perspektive fällt Wintershall Dea und die enge Verbindung zu Gazprom auf. Knapp die Hälfte von Wintershalls Öl- und Gasproduktion stammt aus den Joint Ventures mit Gazprom in Russland”, sagt Sonja Meister, Energie-Kampaignerin bei urgewald. „Aber das ist nur die eine Seite der Medaille: Zusammen produzieren die beiden auch Öl und Gas in Großbritannien und den Niederlanden im Rahmen von Joint Ventures. Es ist unverantwortlich, dass Wintershall Dea mit Gazprom weiterhin kooperiert und damit Putins Krieg gegen die Ukraine finanziell mitträgt. Wir fordern Wintershall und alle anderen in unserer Recherche identifizierten internationalen Energieunternehmen dazu auf, sofort jegliche Kooperation mit russischen Partnern weltweit zu beenden.”

Defuel Russia’s War Machine enthüllt Banken und Investoren hinter der russischen fossilen Industrie

Eine Finanzrecherche im Rahmen der „Defuel Russia’s War Machine“-Kampagne kommt zu folgendem Bild:

Russisches Öl und Gas

  • Zwischen Januar 2019 und März 2022 haben Banken insgesamt 72,7 Milliarden US-Dollar an die acht größten russischen Öl und Gasunternehmen in Form von Krediten und Underwriting-Mandaten geleitet (28,8 Milliarden US-Dollar in Krediten und 43,8 Milliarden US-Dollar in Underwriting-Mandaten). JPMorgan Chase führt das Ranking mit über 5 Milliarden US-Dollar an, gefolgt von der chinesischen Export-Importbank und der China Development Bank mit jeweils rund 2,5 Milliarden US-Dollar. Die Deutsche Bank führt bei den deutschen Finanzinstituten das Ranking an mit Krediten in Höhe von insgesamt rund 714 Millionen US-Dollar (entspricht Platz 23 im internationalen Ranking).
  • Anfang März 2022 hielten Investoren Anleihen und Aktien der russischen Öl- und Gasindustrie im Wert von respektive 1,5 Milliarden US-Dollar und 71,1 Milliarden US-Dollar (Gesamt: 72,6 Milliarden US-Dollar). Die Qatar Investment Authority war der größte Investor in russisches Öl und Gas mit Aktien im Wert von 15,3 Milliarden US-Dollar allein in Rosneft. Die Deutsche Bank ist mit rund 517 Millionen US-Dollar unter den Top 30 Investoren weltweit.

Russische Kohle

  • Zwischen 2019 und 2021 hat der russische Kohlesektor insgesamt 8,6 Milliarden US-Dollar in Krediten und Underwriting-Mandaten durch die globale Finanzindustrie erhalten. Die deutsche Commerzbank führte hierbei das Ranking der nicht-russischen Banken an mit 462 Millionen US-Dollar für den Untersuchungszeitraum, gefolgt von der französischen Société Générale mit 448 Millionen US-Dollar (Die neue Kohlerichtlinie der Commerzbank, die seit Januar 2022 greift, sollte eine weitere Unterstützung vom größten russischen Bestandskunden SUEK verhindern.).
  • Mit Stand Dezember 2021 waren die führenden Investoren in den russischen Kohlesektor Vanguard und BlackRock aus den USA mit respektive 338 Millionen US-Dollar und 204 Millionen US-Dollar in Aktien. Es wurde kein nennenswerter Anleihenbesitz bei Investoren identifiziert.

Heffa Schücking ist Geschäftsführerin von urgewald.