Deutsche Umwelthilfe gewinnt Klagen gegen das Bundesverkehrsministerium: Andy Scheuers Behörde muss Akten des VW-Dieselskandals herausrücken

 

Die Deutsche Umwelthilfe hat auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes auf Akteneinsicht geklagt in Unterlagen der vom Bundesverkehrsministerium eingerichteten “Untersuchungskommission Volkswagen” sowie in ein Dokument der Volkswagen AG, in dem der Konzern im November 2015 gegenüber dem Bundesverkehrsministerium falsche CO2-Werte bei 800.000 Pkw eingestanden und dessen Zustandekommen näher erläutert hatte. Schon in der jeweils ersten Instanz hatte die Deutsche Umwelthilfe beide Verfahren gewonnen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufungen des Bundesverkehrsministeriums zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.



 

(Berlin, 29. März 2019) Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat heute zwei Berufungsverfahren des Bundesverkehrsministeriums zugunsten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) entschieden (OVG 12 B 13.18 und OVG 12 B 14.18). Schon in der jeweils ersten Instanz hatte die Deutsche Umwelthilfe beide Verfahren gewonnen. VW war in einem Verfahren zum Rechtsstreit beigeladen. Nun wurden die Berufungen des Bundesverkehrsministeriums zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Deutsche Umwelthilfe hat auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes auf Akteneinsicht geklagt.

Zum einen begehrt die Deutsche Umwelthilfe Einsicht in Unterlagen der vom Bundesverkehrsministerium eingerichteten „Untersuchungskommission Volkswagen“. In deren Rahmen wurde der Diesel-Abgasskandal bei Millionen Diesel-Pkw mit Blick auf deren Schadstoffemissionen und Hinweise zu möglichen Abschalteinrichtungen untersucht.

Zum anderen fordert die Deutsche Umwelthilfe bereits seit drei Jahren im Rahmen des zweiten nun abschließend gewonnenen Klageverfahrens Einsicht in ein Dokument der Volkswagen AG, in dem der Konzern im November 2015 gegenüber dem Bundesverkehrsministerium falsche CO2-Werte bei 800.000 Pkw eingestanden und dessen Zustandekommen näher erläutert hatte.

„Das Gericht hat mit diesem Urteil die Verbraucherrechte gestärkt und dabei auch den Vorwurf der Deutschen Umwelthilfe einer konspirativen Zusammenarbeit zwischen VW und der Bundesregierung eindrucksvoll bestätigt. Über die gesamte Verfahrensdauer hinweg wurde von VW und BMVI nichts unversucht gelassen, das ungewöhnlich enge Verhältnis zwischen dem Konzern und der Bundesregierung zu verschleiern und die rechtlich vorgeschriebene Transparenz zu verhindern. Abermals musste die Deutsche Umwelthilfe einen langjährigen Rechtsweg bestreiten, um sicherzustellen, dass die drei Millionen VW-Diesel-Käufer Unterlagen erhalten, die sie für die Durchsetzung ihrer Verbraucherrechte benötigen und auf die sie sowie die interessierte Öffentlichkeit einen Anspruch haben. An diesem Verhalten wird deutlich, dass das Ministeriums weiterhin ungeniert als der verlängerte Arm der Dieselkonzerne agiert,“ sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die Deutsche Umwelthilfe in den Verfahren vertreten hat, sagt: „Das Oberverwaltungsgericht hat Grundsatzentscheidungen getroffen. Danach wird es auch in anderen Konstellationen leichter sein, entsprechende Einsichtsrechte durchzusetzen.“

Hintergrund: Chronologie des Rechtsstreits

UIG-Klage zu CO2-Werten bei VW-Pkw: Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hat 19.12.2017 nach ausführlicher mündlicher Verhandlung (VG 2 K 236.16) entschieden, dass das Bundesverkehrsministerium (BMVI) der Deutschen Umwelthilfe Einsicht in ein von der Volkswagen AG an das BMVI übersandtes Dokument gewähren muss, mit der die Volkswagen AG im November 2015 falsche CO2-Werte bei 800.000 Fahrzeugen anzeigte. Dagegen legte das Verkehrsministerium Berufung ein. Diese wurde heute durch das OVG Berlin-Brandenburg zurückgewiesen.

Am 4.11.2015 hatte Verkehrsminister Alexander Dobrindt in einer Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages gegenüber Medienvertretern mitgeteilt, dass die Volkswagen AG dem Ministerium Unterlagen ausgehändigt hat, aus denen sich ergibt, dass die CO2-Emissionen von Fahrzeugen der Marken Volkswagen, Audi, Skoda und Seat zu niedrig angegeben worden sind. Betroffen seien 800.000 Autos, davon 98.000 Fahrzeuge mit einem Benzin-Motor. Die Deutsche Umwelthilfe begehrte daraufhin Einsicht in die angesprochenen Unterlagen gemäß Umweltinformationsgesetz (UIG). Zudem begehrte die Deutsche Umwelthilfe Einsicht in die dazu erstellten Unterlagen durch das BMVI.

In den Monaten danach will die Volkswagen AG zu der Erkenntnis gelangt sein, dass es doch keine unzutreffenden CO2-Angaben gegeben habe und man sich vielmehr in einem zulässigen Toleranzrahmen bewegt habe. Der Antrag der Deutschen Umwelthilfe dient der Aufklärung dieses Vorgangs.

Nachdem das BMVI den Antrag der Deutschen Umwelthilfe vom 5.11.2015 am 22.12.2015 abgelehnt hatte und auch der Widerspruch der Deutschen Umwelthilfe vom 12.1.2016 mit Bescheid vom 1.4.2016 zurückgewiesen wurde, reichte die Deutsche Umwelthilfe am 2.5.2016 Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BMVI, ein.

Das VG Berlin gab der Klage der Deutschen Umwelthilfe am 19.12.2017 statt, sofern es die Unterlagen angeht, die Volkswagen den Behörden übergeben hat.

UIG-Klage auf Akteneinsicht in Akten der Untersuchungskommission Volkswagen: Die Deutsche Umwelthilfe hat gegenüber dem Verkehrsministerium einen Antrag nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) auf Einsicht in alle Unterlagen gestellt, die zwischen dem 15. September und dem 15. Oktober 2015 im Rahmen der Volkswagen-Untersuchungskommission erstellt worden sind. Nicht beansprucht werden solche Dokumente, auf die kein Einsichtsrecht besteht, wie bei Unterlagen die Betriebsgeheimnisse berühren, geistiges Eigentum betreffen oder persönliche Daten.

Nachdem das Ministerium diesen UIG-Antrag vom 24.2.2016 abgelehnt hatte, reichte die Deutsche Umwelthilfe am 7.7.2016 Klage vor dem VG Berlin ein. Die Deutsche Umwelthilfe wollte Einblick nehmen in die ihr nach UIG-Recht zustehenden Dokumente (Korrespondenz des Ministeriums mit anderen Behörden, Kontakte zu den Autokonzernen, Besprechungsprotokolle und Messdaten etc.). Zuletzt befürwortete das Ministerium sogar Beiladungsanträge von 15 Unternehmen der Automobilindustrie, die das Verfahren um Monate weiter verzögert und vor allem das Kostenrisiko für die Deutsche Umwelthilfe nicht mehr beherrschbar gemacht hätten. Diese Beiladungsanträge wurden am 13.10.2017 vom VG Berlin und die darauffolgende Beschwerde am 10.11.2017 vom OVG Berlin-Brandenburg abgewiesen (OVG 12 L 81.17). Das VG Berlin hat der Klage der DUH am 30. November 2017 nach einer längeren Verhandlung stattgegeben und entschieden, dass das Bundesverkehrsministerium der Deutschen Umwelthilfe Einsicht in die von ihr begehrten Dokumente aus den ersten turbulenten Monaten nach Aufdeckung des Diesel-Abgasskandals gewähren muss. Dagegen legte das Verkehrsministerium Berufung ein. Diese wurde heute durch das OVG Berlin-Brandenburg zurückgewiesen.

Jürgen Resch ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.