Deutsche Umwelthilfe: Wie die intime Beziehung zwischen Gaslobby und Wirtschaftsministerium Klimaschutz torpediert

 

Im vergangenen Jahr hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Vertreter der Gasindustrie zu unzähligen Arbeitsgruppentreffen eingeladen, Umweltverbände dagegen wurden im Rahmen des Dialog “Gas 2030” lediglich zwei Mal empfangen. Dies legt die Deutsche Umwelthilfe in einem Beitrag für den Bericht “Tainted Love – Corporate Lobbying and the upcoming German EU Presidency” offen, veröffentlicht vom Corporate European Observatory und LobbyControl anlässlich der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft der Bundesregierung. Die Lobbyaktivitäten der Gaswirtschaft wecken die Sorge, dass fossile Unternehmen die anstehende sechsmonatige deutsche EU-Ratspräsidentschaft stark beeinflussen werden; gerade zum Themenschwerpunkt Gas stehen zahlreiche europäische Initiativen auf der Agenda.



 

(Berlin, 23. Juni 2020) Die Gasindustrie nimmt im Bereich Wasserstoff, Methan und neue Erdgasinfrastruktur direkten Einfluss auf die Bundesregierung und verhindert so Klimaschutz und einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. So hatte die Gaslobby etwa im vergangenen Jahr bei der Entwicklung einer neuen Gasstrategie freien Zugang ins Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), während Umweltverbände und auch unabhängige Studienergebnisse ignoriert wurden. Zudem wurden Vertreter der Gasindustrie zu unzähligen Arbeitsgruppentreffen im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eingeladen. Umweltverbände dagegen wurden im Rahmen des Dialog „Gas 2030“ nur zwei Mal im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie empfangen.

Dies legt die Deutsche Umwelthilfe in einem Beitrag für den Bericht „Tainted Love – Corporate Lobbying and the upcoming German EU Presidency“ offen. Veröffentlicht wird der Bericht heute vom Corporate European Observatory (CEO) und LobbyControl anlässlich der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft der Bundesregierung. Die Deutsche Umwelthilfe hat mit umfangreichen Recherchen zu Lobbyaktivitäten der Gaswirtschaft beigetragen. Die Enthüllungen wecken die Sorge, dass fossile Unternehmen die anstehende sechsmonatige deutsche EU-Ratspräsidentschaft stark beeinflusst werden. Gerade zum Themenschwerpunkt Gas stehen zahlreiche europäische Initiativen auf der Agenda. Die Deutsche Umwelthilfe fordert die Bundesregierung auf, der Vereinnahmung durch die Lobby der Gaswirtschaft entgegen zu treten.

Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: „Die fossile Gaslobby und das Bundeswirtschaftsministerium pflegen eine fast schon intime Beziehung. Statt einen transparenten Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen zu führen, rollt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier der Gaswirtschaft den roten Teppich aus: So durften die Lobbyisten im Dialog Gas 2030 gleich an der Strategie des Hauses in Arbeitsgruppen mitarbeiten. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass mit einem Lobbyregister Transparenz über die verdeckten Aktivitäten von Interessensgruppen hergestellt werden muss.“

Die Einflussnahme der Gaslobby zeigt sich auch in der deutschen Wasserstoffstrategie. Zwar legt diese den Fokus auf grünen Wasserstoff, der mithilfe von Erneuerbaren Energien gewonnen wird, gleichzeitig wird jedoch der aus fossilem Erdgas hergestellte blaue Wasserstoff fälschlicherweise als „CO2-neutral“ bezeichnet. Sollte blauer Wasserstoff eine maßgebliche Rolle bekommen, wird das zu einer verlängerten Abhängigkeit von fossilen Energien führen, die die Klimaziele in noch weitere Ferne rückt. Dieses Hintertürchen für fossiles Gas ist Ergebnis einer erfolgreichen Einflussnahme der Gaslobby auf die Bundesregierung. Auf der EU-Ebene könnte sich dieses Spiel wiederholen, wenn die Kommission Anfang Juli die EU-Wasserstoffstrategie vorlegt.

Constantin Zerger ergänzt: „Ein Leak der EU-Wasserstoffstrategie zeigt deutliche Parallelen zur deutschen Version. Auch hier liegt der Fokus auf grünem Wasserstoff, doch auch hier wird die fossile, blaue Version des Energieträgers nicht ausgeschlossen. Das zeigt, dass der Einfluss der Gaslobby weit über Deutschlands Grenzen hinausreicht. Für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sind das keine guten Vorzeichen, denn hier stehen wichtige Gesetzgebungsvorhaben für die Gaswirtschaft an. Es darf aber nicht länger um den Schutz von fossilen Geschäftsinteressen gehen – ein möglichst schneller Umstieg auf erneuerbare Energien muss die Priorität sein!“

Sascha Müller-Kraenner ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Hintergrund

Deutschland übernimmt ab 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft. In den sechs Monaten, in denen die Bundesregierung den Vorsitz innehaben wird, werden zahlreiche Gesetzesentwürfe zum Thema Gas verhandelt, unter anderem die EU-Methanstrategie und die Bewertung der aktuellen Leitlinien für die transeuropäische Infrastruktur (TEN-E). Deutschland hat damit die Chance, entscheidenden Einfluss auf die zukünftige EU-Gaspolitik zu nehmen.

In ihrem Beitrag zum Bericht „Tainted Love – Corporate Lobbying and the upcoming German EU Presidency“ geht die Deutsche Umwelthilfe insbesondere auf die Planungen zur Gaspipeline Nord Stream 2 ein und beschreibt, wie die Bundesregierung als Interessenvertreter von Gaskonzernen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene dafür kämpft, das Projekt zur Vollendung zu bringen.

In dem vom Corporate European Observatory und LobbyControl herausgegebenen Bericht sind weitere Einflussnahmen von Industrielobbys unter anderem in den Bereichen Steuergerechtigkeit, Zulassung von Glyphosat, Fischerei und Pharmazie nachgezeichnet.

Die deutsche Version der Studie „Tainted Love – Corporate Lobbying and the upcoming German EU Presidency“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.