Gutachten des Expertenrats für Klimafragen von Februar 2025: Um das 2030-Klimaziel zu erreichen, muss die jährliche Emissionsreduktion um das 1,5-fache beschleunigt werden
Das Zweijahresgutachten des Expertenrats für Klimafragen stellt die Entwicklungen und Trends der Treibhausgasemissionen dar und bewertet die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und sozialen Verteilungswirkungen. Zu Beginn der neuen Legislaturperiode sollte die neue Bundesregierung ein Aufbruchsignal geben, damit die unter den Nägeln brennenden Probleme angepackt werden können: Es braucht eine Reform der Schuldenbremse, öffentliche und private Investitionen müssen effektiv und planungssicher eingesetzt werden, existierende umweltschädliche Subventionen müssen so umgewidmet werden, dass sie der Transformation dienen und soziale Härten abfedern.

(Berlin, 5. Februar 2025) Heute hat der Expertenrat für Klimafragen sein Zweijahresgutachten veröffentlicht. Das Zweijahresgutachten des Expertenrats für Klimafragen ist durch das Bundes-Klimaschutzgesetz vorgeschrieben. Es stellt die Entwicklungen und Trends der Treibhausgasemissionen dar und bewertet die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und sozialen Verteilungswirkungen.
Die Deutsche Umwelthilfe fordert nach der Veröffentlichung des Zweijahresgutachtens eine deutliche Nachschärfung beim Klimaschutz und konkrete Maßnahmen besonders für den Verkehrs- und Gebäudesektor. Laut aktuellem Zweijahresgutachten des Expertenrats für Klimafragen müssen die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor fünf Mal schneller als im Durschnitt der letzten 10 Jahre gesenkt werden, um die Klimaziele im Jahr 2030 einzuhalten. Im Gebäudesektor ist sogar die sechseinhalbfache Geschwindigkeit notwendig.
Dazu Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe: „Wir brauchen schnell weitere konkrete Entscheidungen für mehr Klimaschutz, damit die vom Gesetz verbindlich vorgeschriebenen Klimaziele erreicht werden. Bereits im vergangenen Jahr wurde die Bundesregierung aufgrund unserer Klimaklagen mehrmals zu verbindlichen weiteren Klimaschutzmaßnahmen verurteilt. Aber anstatt das Klimaschutzprogramm entsprechend nachzuschärfen, hat die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz entkernt. Das Gutachten des Expertenrats zeigt nun in aller Deutlichkeit, auf welchem Irrweg sich die Regierung damit befindet. Wir fordern alle demokratischen Parteien auf, sich in diesem Wahlkampf zu zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen zu bekennen. Vor allem in den Sektoren Verkehr und Gebäude braucht es jetzt klare Bekenntnisse für eine sozialverträgliche Dekarbonisierung.“
Von der neuen Bundesregierung erwartet die Deutsche Umwelthilfe in den ersten 100 Tagen der Legislatur
- im Gebäudebereich den Start einer bundesweiten energetischen Sanierungsoffensive für öffentliche Gebäude, beginnend mit Schulen und Kindergärten.
- Dazu gehöre ein klares Bekenntnis zu einem beschleunigten Wärmepumpenhochlauf, die verpflichtende Umsetzung der Sanierungsrate von drei Prozent für alle öffentlichen Gebäude und die effiziente und sozial verträgliche Umstrukturierung der Förderung. Keinesfalls dürften die Fehler der Ampel-Regierung wiederholt und am aktuellen Neubau-Wahn festgehalten werden. Der Schlüssel zu effektivem Klimaschutz sei der Fokus auf den Gebäudebestand.
- Als wichtigste Sofortmaßnahme für den Klimaschutz im Verkehr müsse schnellstmöglich ein bundesweites Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und 30 in der Stadt eingeführt werden.
- Klimaschädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg müssten abgeschafft und ein Bonus-Malus-System etabliert werden, das durch höhere Steuerbeiträge im Jahr der Erstzulassung den Kauf von Verbrennerfahrzeugen unattraktiv macht. Barbara Metz: „Wir brauchen jetzt entschlossene Maßnahmen für eine echte Mobilitätswende.“
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, erklärt anlässlich des heute veröffentlichten Zweijahresgutachtens des Expertenrats für Klimafragen: „Nach der Bundestagswahl brauchen wir eine stabile Regierungsmehrheit, die die deutsche Klimapolitik beschleunigt und klug mit der Wirtschaftspolitik verwebt. Der Expertenrat macht klar, dass mit den bisher beschlossenen Maßnahmen die Klimaziele für 2030, 2040 und 2045 verfehlt würden. In der Stromwende kommen wir gut voran. Die Industrie aber schwächelt und erreicht ihre Klimaziele nur durch die derzeitige Konjunkturdelle. Im Gebäudesektor geht es zu langsam voran. Der Verkehr befindet sich sogar im Rückwärtsgang und seine Emissionen steigen. Die nächste Bundesregierung muss einen kraftvollen Maßnahmenmix auf den Weg bringen, der gemeinsam mit stabiler Mehrheit getragen ist. Um das 2030-Klimaziel zu erreichen, muss die jährliche Emissionsreduktion um das 1,5-fache beschleunigt werden, wie der Expertenrat feststellt.“
Bals weiter: „Der Übergang vom deutschen Brennstoffemissionshandel zum europäischen Emissionshandelssystem ETS2 für die Sektoren Verkehr und Gebäude sollte durch ordnungsrechtliche Maßnahmen und vorübergehend einen Mindestpreis gestaltet werden. Damit der CO2-Preis nicht durch die Decke geht, braucht es auch künftig begleitende Ordnungspolitik. Das Gutachten zeigt, dass der wichtige CO2-Preis für sich alleine genommen bestimmte Bevölkerungsgruppen sozial abhängen und Unternehmen ihrer Planungssicherheit berauben würde. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen konkrete und für sie bezahlbare Handlungsalternativen.“ Gute Vorschläge zu klimaneutralen Infrastrukturen wie Wärmenetze oder Schienenverkehre seien vorhanden. Wo diese nicht ausreichen, braucht es genügend sozial gestaffelte Fördermaßnahmen zum Umstieg.
Im Gutachten des Expertenrates werden mehrere Finanzbedarfsstudien für die Klimazielerreichung verglichen. Die genannten Größenordnungen des Finanzbedarfs zeigen eine zentrale Herausforderung für die neue Bundesregierung auf. Dazu Christoph Bals: „Zu Beginn der neuen Legislaturperiode sollte die neue Bundesregierung ein Aufbruchsignal geben, damit die unter den Nägeln brennenden Probleme angepackt werden können. Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse. Öffentliche und private Investitionen müssen effektiv und planungssicher eingesetzt werden. Existierende umweltschädliche Subventionen müssen so umgewidmet werden, dass sie der Transformation dienen und soziale Härten abfedern. Neue Abgaben nach dem Verursacherprinzip können helfen, dass jene, die den Klimawandel anheizen, endlich auch die Kosten dafür tragen. Bisher gilt zu oft, dass private Gewinne mit fossilen Energieträgern gemacht werden, die Kosten aber sozialisiert werden. Dies muss sich ändern.“
Vorsorge ist geboten. Bals betont: „Geld für Klimaschutz ist gut angelegtes Geld. Global gesehen würden die Schadenskosten bei einem „weiter so“ die Klimaschutzinvestitionen um rund das Sechsfache übersteigen. Klimaschutzmaßnahmen und den Einsatz des Geldes muss die neue Regierung gut koordinieren. Wir unterstützen die Forderung des Expertenrates nach einer Wiedereinführung des Klimakabinetts.“
Barbara Metz ist Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe.

Christoph Bals ist Politischer Geschäftsführer bei Germanwatch.

Das „Zweijahresgutachten 2024“ des Expertenrats für Klimafragen steht über diesen Link zum Download als PDF-Datei bereit.