Internationale Studie: Klimapläne der Öl- und Gasindustrie zur Erreichung der Pariser Klimaziele völlig unzureichend

 

Eine Studie von Oil Change International aus den USA, an der urgewald und über 35 weitere Organisationen aus der ganzen Welt beteiligt waren, analysiert die jüngsten Klimazusagen von Ölmultis anhand von Mindestkriterien für die Einhaltung der im Pariser Klima-Abkommen festgelegten 1,5 Grad Celsius Erderwärmung. Die Analyse liefert neue Daten über die Klimabedrohung, die von kurzfristigen Expansionsplänen im Bereich der Öl- und Gasförderung ausgeht: Pläne, die im klaren Widerspruch zu der Schlussfolgerung der Internationalen Energieagentur (IEA) stehen, dass für die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels keine neuen Öl- und Gasvorkommen mehr nach 2021 erschlossen werden dürfen. Investoren und Regierungen müssten sich engagieren, um aus dem instabilen „Boom-Bust-Zyklus“ der fossilen Energiewirtschaft auszubrechen.



(Berlin, 24. Mai 2022) Trotz einer Reihe neuer „Netto-Null“-Verpflichtungen über die letzten zwei Jahre erfüllen die Klimaversprechen der großen US-amerikanischen und europäischen Öl- und Gasunternehmen immer noch nicht das Mindestmaß, um mit dem Pariser Klima-Abkommen von 2015 im Einklang zu sein. Dies zeigt eine heute veröffentlichte Studie von Oil Change International (OCI) aus den USA mit dem Titel „Big Oil Reality Check“, an der urgewald und über 35 weitere Organisationen aus der ganzen Welt beteiligt waren.

„Die Klimazusagen und -pläne der großen Öl- und Gasunternehmen scheinen darauf ausgelegt zu sein, zu desinformieren und abzulenken, statt die Klimakrise ernsthaft anzugehen“, sagt David Tong, Hauptautor von „Big Oil Reality Check“ und Kampaigner bei Oil Change International. „Unsere neue Studie zeigt, dass nicht einmal einer der acht untersuchten Konzerne auch nur annähernd dabei ist, sein Geschäft auf die Erfordernisse von 1,5 Grad Celsius auszurichten.“

Die neue Studie, die eine Vorgängerstudie aus dem Jahr 2020 aktualisiert, analysiert die jüngsten Klimazusagen von BP, Chevron, Eni, Equinor, ExxonMobil, Repsol, Shell und TotalEnergies anhand von zehn Mindestkriterien für die Einhaltung der im Pariser Abkommen festgelegten 1,5 Grad Celsius. Die Analyse liefert neue Daten über die Klimabedrohung, die von den kurzfristigen Expansionsplänen der acht untersuchten Unternehmen im Bereich der Öl- und Gasförderung ausgeht – Pläne, die im klaren Widerspruch zu der Schlussfolgerung der Internationalen Energieagentur (IEA) stehen, dass für die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels keine neuen Öl- und Gasvorkommen mehr nach 2021 erschlossen werden dürfen.

Der Studie zufolge planen die großen Öl- und Gaskonzerne über 200 Expansionsprojekte, die zwischen 2022 und 2025 genehmigt werden sollen und bei tatsächlicher Durchführung zusätzliche 8,6 Milliarden Tonnen (8,6 Gt) an Emissionen verursachen würden ‑ dies entspräche den Emissionen von 77 neuen Kohlekraftwerken (über die Lebensdauer betrachtet). Eine erst letzte Woche veröffentlichte wissenschaftliche Studie ergab: allein die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle aus bereits in Betrieb befindlichen Feldern und Minen wird das verbleibende CO2-Budget für 1,5 Grad Celsius bei weitem überschreiten.

Die heute veröffentlichte Studie von Oil Change International kommt auch zu dem Schluss, dass die wenigen Öl- und Gasunternehmen, die einen Rückgang der Gesamtproduktion bis 2030 prognostizieren, die Strategie zu verfolgen scheinen, ihre schmutzigen Anlagen zu verkaufen, damit andere Unternehmen sie weiter ausbeuten können, anstatt sie abzubauen und zu schließen. Die Klimazusagen und -pläne aller acht Unternehmen werden insgesamt als höchst unzureichend eingestuft, wobei dies am stärksten auf Chevron und ExxonMobil zutrifft.

Nils Bartsch, Leiter Öl- und Gas-Research bei urgewald: „Die weltweite Ölnachfrage ist wieder auf das Niveau von vor der Pandemie gestiegen. Darüber hinaus sind die Ölpreise auf Rekordhöhe als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine, was den großen Öl- und Gasunternehmen Rekordgewinne beschert. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass es dringend notwendig ist, die Expansion der Öl- und Gasindustrie zu beenden und einen raschen, kontrollierten Rückgang der fossilen Brennstoffe herbeizuführen.“

Erst im März 2022 kam ein Bericht von Forschern des Tyndall Centre zu dem Schluss, dass die wohlhabendsten Nationen die Öl- und Gasförderung bis 2034 einstellen müssen, um eine 50-prozentige Chance zu wahren, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Der jüngste Bericht des IPCC zeigt, dass die weltweiten Emissionen fossiler Brennstoffe ‑ an denen Öl und Gas den größten Anteil haben ‑ sofort zurückgehen müssen, um die Chance zu wahren, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten.

„Den Unternehmen, die am meisten zur Klimakrise beigetragen haben, kann man nicht zutrauen, dass sie ihr sinnvoll begegnen“, fügt David Tong von Oil Change International hinzu. „Die großen Öl- und Gasunternehmen werden ihren eigenen Niedergang nicht in den Griff bekommen. Investoren und Regierungen müssen sich engagieren und uns allen helfen, aus dem instabilen ‚Boom-Bust-Zyklus‘ der fossilen Energiewirtschaft auszubrechen.“

Nils Bartsch ist der Leiter Öl- und Gas-Research bei urgewald.

Die Studie „Big Oil Reality Check“ steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.