Mobilitätsplattformen gehören in öffentliche Hand

 

Mehr als die Hälfte der deutschen Mobilitätsplattformen wird bereits von öffentlichen Verkehrsunternehmen betrieben. Weitet sich ein solcher Plattform-Kommunalismus weiter aus, können rein profitorientierte Anbieter ausgeschaltet und Mobilitätsdienste sozial und klimagerecht organisiert werden – orientiert an den Bedürfnissen der Bevölkerung und als Ergänzung des ÖPNV, nicht als Konkurrenz. Ein weiteres Problem privater Plattformen ist die unkontrollierte profitorientierte Nutzung von Daten.



 

(Berlin/Frankfurt am Main, 9. Juni 2021) Öffentlich betriebene Mobilitätsplattformen können einen wertvollen Beitrag zur sozial-ökologischen Verkehrswende leisten. Das zeigt die Studie „Öffentliche Mobilitätsplattformen – Digitalpolitische Strategien für eine sozial-ökologische Mobilitätswende“, die Attac Deutschland und die Rosa-Luxemburg-Stiftung am heutigen Mittwoch der Öffentlichkeit vorstellen.

Kommunen sollten eigene – öffentliche – Plattformen betreiben und damit einen attraktiven ÖPNV 2.0 schaffen, lautet das Fazit der 80 Seiten umfassenden Untersuchung. Der Vorteil: Betreiben Kommunen die Plattformen selbst, können sie bestimmen, welche Angebote sie aufnehmen. Anstatt mehr Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, gilt es, Anreize für nachhaltiges Verkehrsverhalten zu schaffen. Der Fokus liegt auf Bus und Bahn, ergänzt durch dezentrale Zubringerdienste für die „letzte Meile“ zwischen Haustür und Haltestelle und dort, wo die ÖPNV-Anbindung schlecht ist – also vor allem auf dem Land. Damit tragen öffentliche Mobilitätsplattformen dazu bei, den privaten PKW-Verkehr zu reduzieren.

Dagegen zeigt die Studie die Gefahren privater Mobilitätsplattformen wie Google Maps, Moovit oder FreeNow auf, die Car- und Bikesharing, Lastenräder, E-Roller, „On Demand“-Fahrdienste oder Rufbusse privater Anbieter vernetzen. Einzige Kriterien der dahinterstehenden Konzerne sind Marktbeherrschung, maximaler Gewinn und unbeschränkte Datennutzung. Zu Klimazielen, sozialem Ausgleich und Datenschutz tragen die Angebote kaum bei.

„Die Nachhaltigkeitspotenziale privater Mobilitätsdienste sind umstritten“, erklärt Dominik Piétron, einer der Autoren der Studie. „Die Mehrheit der Sharing-Angebote basiert darauf, zusätzliche Fahrzeuge bereitzustellen. Private Fahrdienste treten in Konkurrenz zum öffentlichen Nahverkehr und unterlaufen ein angemessenes flächendeckendes Angebot.“

Ein weiteres Problem privater Plattformen ist die unkontrollierte profitorientierte Nutzung von Daten. Dazu sagt Anastasia Blinzov von der Rosa-Luxemburg-Stiftung: „Um die informationelle Selbstbestimmung der Bürger*innen sicherzustellen, müssen die Mobilitätsdaten unabhängig und kollektiv durch demokratisch kontrollierte Datentreuhänder verwaltet werden. Nur gemeinwohlorientierte Anbieter dürfen Zugang erhalten.“

Mehr als die Hälfte der deutschen Mobilitätsplattformen wird bereits von öffentlichen Verkehrsunternehmen betrieben. Allein seit 2018 bieten zehn zusätzliche Plattformen in kommunaler Trägerschaft ihre Dienste an und vernetzen sich zu einem interkommunalen Plattformsystem. Mark Herterich von Attac Deutschland sagt: „Weitet sich ein solcher Plattform-Kommunalismus weiter aus, können rein profitorientierte Anbieter ausgeschaltet und Mobilitätsdienste sozial und klimagerecht organisiert werden – orientiert an den Bedürfnissen der Bevölkerung und als Ergänzung des ÖPNV, nicht als Konkurrenz.“

Die Studie wurde erstellt im Auftrag des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung und von Attac Deutschland. Autor*innen sind Dominik Piétron, Anouk Ruhaak und Valentin Niebler.

Die Studie „ÖFFENTLICHE MOBILITÄTSPLATTFORMEN – DIGITALPOLITISCHE STRATEGIEN FÜR EINE SOZIAL-ÖKOLOGISCHE MOBILITÄTSWENDE“ (80 Seiten) steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.
Ein Impulspapier (20 Seiten) auf Basis der Studie steht über diesen Link zum Download als PDF bereit.