Ob wir das schaffen – eine andere, bessere Welt?
Ein Plädoyer von Gero Jenner
(November 2020) Wir können es schaffen, wenn wir die Fakten kennen. Sie sind so gut gesichert, dass 196 Staaten auf der Pariser Konferenz von 2015 ein Abkommen unterzeichnet haben, das, einmal umgesetzt, das wirtschaftliche, soziale und politische Leben auf dem Globus grundlegend neugestaltet. Bis spätestens 2050 wollen die Vertragsstaaten die Nutzung fossiler Brennstoffe auf null reduzieren, um die Erhöhung der globalen Temperatur auf ein Maximum von 2 Grad zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste allerdings ein globaler Lockdown den CO2-Ausstoß so reduzieren, wie das im April 2020 aufgrund von Corona geschah ‑ so die Folgerung einer in Nature erschienenen Untersuchung.
William E. Rees, zusammen mit Mathis Wackernagel der Erfinder des ökologischen Fußabdrucks, hat dieser Forderung noch zusätzlichen Nachdruck verliehen, als er den Nachweis erbrachte, dass die Menschheit bei derzeitigem Ressourcenverbrauch die Marke von zwei Milliarden nicht überschreiten dürfte, wenn sie nachhaltig wirtschaften will. Andernfalls würde sie fünf oder mehr Planeten benötigen ‑ das allerdings sei ohne ökologischen Kollaps nicht durchzuhalten. Aus dieser Erkenntnis des kanadischen Ökologen lässt sich unschwer die Folgerung ableiten, dass eine Bevölkerung von bald zehn Milliarden ihren gegenwärtigen Ressourcenverbrauch auf wenigstens ein Fünftel reduzieren muss, um den ökologischen Kollaps bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu vermeiden.
Inzwischen haben die USA sich aus dem Pariser Abkommen zurückgezogen, andere Staaten halten sich nicht an dessen Forderungen. Ein nicht unbedeutender Teil der Öffentlichkeit scheint sich überhaupt mit der Klimakrise abgefunden zu haben oder leugnet sie einfach und ist durch keine noch so guten Argumente zu überzeugen. Tatsächlich hat die Situation sich inzwischen dramatisch verschärft: Wir haben bereits einen Punkt erreicht, wo uns nur noch eine einzige Dekade /zehn Jahre!/ oder 420 Gigatonnen CO2 übrigbleibt, um die Klimaerwärmung nicht über 1,5 Grad hinausschießen zu lassen. Die Bedrohlichkeit dieser Situation wird keinesfalls dadurch gemildert, dass neuere Berechnungen der Klimaforscher die zu erwartende maximale Temperatursteigerung etwas niedriger ansetzen.
Es ist eine Ungeheuerlichkeit, dass wir zwar ganz genau wissen, was eigentlich getan werden müsste, aber unfähig sind, dementsprechend zu handeln. Dafür muss es schwerwiegende Gründe geben. Es ist sogar zu vermuten, dass diese Gründe ebenso elementar und wohl auch genauso einleuchtend sind wie jene, die uns zur Umkehr drängen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Gründe für diese Abwehr aufzuspüren und sie exakt zu benennen. Nur wenn wir die Widerstände kennen, gegen die wir ankämpfen müssen, besteht Hoffnung, dass wir sie überwinden. Erschwert wird die Frage nach den Gründen allerdings dadurch, dass viele mit Steven Pinker der Überzeugung sind, gerade heute in der besten aller Welten zu leben.
Es kann angesichts der ökologischen Krise übermäßigen Ressourcenverbrauchs und übermäßiger Vermüllung der Ökosphäre nur eine gemeinsame Lösung geben. Es ergibt keinen Sinn, wenn einzelne Staaten ökologisch vorbildlich handeln, solange andere daraus für sich den Vorteil ableiten, die Natur ihrerseits dann umso stärker zu belasten. Lokales Handeln bleibt wirkungslos, wenn es nicht mit einem globalen Umdenken einhergeht. Der Wettbewerb zwischen den Nationen, der uns mit Krieg um versiegende Ressourcen bedroht, muss in Kooperation übergehen. Doch Kooperation ist in einer politisch und sozial tief gespaltenen Welt die schwierigste Aufgabe überhaupt.
Von den USA ausgehend ist der Protest der Massen gegen Rassismus auf Europa und Südamerika übergesprungen. Zuvor hatte Greta Thunberg eine ähnliche Protestbewegung initiiert. In der ganzen Welt muss es das Bewusstsein von drängender Gefahr auch im Hinblick auf die uns elementar bedrohende ökologische Katastrophe geben. Ohne den Aufstand der Massen überall in der Welt wird es keine Wende geben, denn erst ein solcher Protest bewirkt auch die Bereitschaft, die nötigen Opfer dafür zu bringen. Nicht nur Politiker und wissenschaftliche Experten sondern alle Bewohner des Globus müssen sich darüber im klaren und einig sein, dass die Menschheit zum ersten Mal in ihrer Geschichte vor Problemen steht, die sie nur noch durch gemeinsames Wollen und Handeln zu bewältigen vermag.
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